Geschichte als Musikrevue - »Solang‘ noch Unter’n Linden«
Geschichte als Musikrevue
»Solang‘ noch Unter’n Linden«
Walter Kollo war der Sohn eines Kaufmannes, der sich aber schon in jungen Jahren zur Musik hingezogen fühlte und schließlich auch Musik studierte und Theaterkapellmeister in Königsberg und Stettin wurde. Nachdem er 1906 nach Berlin umzog, wurde er dort rasch zu einem der wichtigsten Sprachrohre für die kleinen Leute der Stadt, komponierte Gassenhauer und Unterhaltungsmusik, die man auch heute noch kennt. Er gilt zudem als einer der Begründer der Berliner Operette, zu denen seine Werke „Wie einst im Mai“, „Der Juxbaron“, „Wenn zwei Hochzeit machen“ oder „Drei alte Schachteln“ gehören. Achtzehn Jahre nach Walter Kollos Tod hatte sich dessen Sohn Willi Kollo dazu entschlossen, dem Leben und Schaffen seines Vaters ein filmisches Denkmal zu setzen. Er schrieb, produzierte und inszenierte „Solang‘ noch Unter’n Linden“ und besetzte seinen damals 18jährigen Sohn René in der Hauptrolle, der damit seinen eigenen Großvater vom Anbeginn seiner Karriere bis zu dessen Tod darstellte. René Kollo beweist sich im Film trotz seiner jungen Jahre als exzellenter Schauspieler, wurde in Folge aber insbesondere als Sänger bekannt, zunächst im Schlagerbereich, und schließlich als einer der weltweit erfolgreichsten Wagner-Tenöre.
Als Walter Kollo (René Kollo) zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Berlin kommt, hat er noch nicht einmal eine Bleibe in der Großstadt. Durch die Zufallsbekanntschaft mit einer schönen jungen Frau (Karin Hübner) kommt er in einem möblierten Zimmer unter. Schon bald macht Kollo auch Bekanntschaft mit dem pfiffigen Hermann Frey (Wolfgang Gruner), der sich als patenter Textdichter erweist. Im Team schaffen die beiden Freunde einige der beliebtesten Berlin-Hymnen, die schon bald jeder fröhlich vor sich hin pfeift. Während Europa im Ersten Weltkrieg versinkt und sich die Monarchie zugunsten der Weimarer Republik verabschiedet, bleibt Walter Kollo am Puls der Zeit und komponiert einige höchst erfolgreiche Operetten. Obwohl er mittlerweile mit Marie (Marguerite Kollo) verheiratet ist, geht ihm seine erste Zufallsbegegnung in Berlin nicht aus dem Kopf.
Willi Kollo ist hier ein höchst ungewöhnlicher Film geglückt, der völlig aus dem Rahmen der für seine Entstehungszeit bekannten Heimatfilme herausfällt. Trotz des schwülstigen Titels ist der Film eine Art Dokumentarspiel, bei dem eine enorme Fülle seltener früher Filmaufnahmen zur Illustration der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse eingebunden ist. Dazwischen werden, in teils recht stilisierten Settings, Szenen aus dem Leben des Komponisten nachgestellt, bei denen vor allen Dingen die Berliner Schnauze immer wieder zum Tragen kommt. Kein Wunder, sind doch die meisten der Darsteller aus dem Umfeld der Kabarettgruppen „Die Insulaner“ und „Die Stachelschweine“ zusammengesetzt (Bruno Fritz, Edith Schollwer, Wolfgang Gruner, Achim Strietzel, Inge Wolffberg, Jo Herbst als Erzähler).
Auch für die vielen Evergreens aus der Feder Walter Kollos bleibt genügend Zeit, auch sie illustrieren die Ereignisse über mehrere Jahrzehnte hinweg sehr anschaulich. Ein überaus interessanter Film für Liebhaber von Kollos Melodien, von historischen Aufnahmen aus Berlin und der kulturgeschichtlichen Entwicklung dieser Stadt. Die DVD-Erstveröffentlichung präsentiert den restaurierten Film in sehr guter Bildqualität (im Widescreen-Format) und mit stets gut verständlichem Originalton (Deutsch in Dolby-Digital 2.0 Mono).
Als Extras bietet die DVD die Lieder „Das klingt, als wenn’s ein Märchen wär‘“ von Walter Kollo, „Ich war heut auf dem Fundbüro“ von Willi Kollo und „Warte, warte nur ein Weilchen“ von René Kollo als Audiodateien sowie ein achtseitiges Booklet mit Kurzbiografien zu den Kollos und vier weiteren Darstellern aus dem Film (Karin Hübner, Edith Schollwer, Wolfgang Gruner und Bruno Fritz).