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Masada - Die komplette Serie

Masada - Die Komplette SerieMasada
Die komplette Serie

„Masada darf nie wieder fallen“. Einige Verbände der israelischen Armee beendeten bis vor kurzem noch ihren Fahneneid mit diesen Worten. Bei näherer Betrachtung der historischen Ereignisse und der aktuellen politischen Situation war Skepsis gegenüber dieser noch sehr jungen Tradition durchaus angebracht. Wenngleich diese Worte aus dem im echten Masada gesprochenen Soldateneid verschwunden sind, bleibt die Felsfestung im Bewusstsein der Hebräer als Zeichen des ungebrochenen Freiheitswillens verwurzelt.

1981 hat die ABC eine aufsehenerregende Mini-Serie über die Ereignisse der Jahre 72 und 73 nach Christi Geburt gezeigt, als Masada von der zehnten römischen Legion belagert wurde. Drei Golden-Globe-Nominierungen und zwei Emmy-Gewinne bei insgesamt 13 Nominierungen war eine angemessene Preisausbeute. Zumindest im Jahr 1981. 28 Jahre später hat sich die Fernsehlandschaft gewaltig verändert.

Die Geschichte von MASADA ist im Grunde eine sehr einfache. 900 Zeloten suchen Schutz vor den römischen Besatzern auf der Bergfestung Masada. Der Name Masada wird abgeleitet aus dem hebräischen Metzada, was soviel wie Festung bedeutet. Es beginnt eine mehrmonatige Belagerung, aus der die zehnte Legion mit ihren 5000 Mann Stärke siegreich hervorgeht. Wirklich siegreich? Feldherr Flavius Silva meint am Ende dazu: „Sieg? Was haben wir gewonnen? Wir haben einen Felsen gewonnen, inmitten einer Wüstenlandschaft, an der Küste eines giftigen Meeres.“

MasadaDieser trockene Felsen ist ein freistehender Berg im judäischen Gebirge am südwestlichen Ufer des Toten Meeres. König Herodes hatte auf dem 600 mal 300 Meter großen Plateau 40 Jahre vor Christi Geburt eine Festung mit einer 1,3 Kilometer langen Ummauerung errichtet, die nur durch drei schmale Pfade erreicht werden konnte. Die Zisternen im Inneren der Festung konnten 10.000 Kubikmeter Regenwasser speichern. Wer oben ausharren musste, brauchte sich also wenig Sorgen machen. Es gab Wohnhäuser, Stallungen, und natürlich einen Palast. Der geringste Höhenunterschied der steil abfallenden Felsen zum Boden beträgt 100 Meter. Das Wort "Uneinnehmbar" hat hier auch heute noch durchaus seine Berechtigung.

Wie korrekt kann der historische Hintergrund wohl sein, wenn ein amerikanischer Fernsehsender eine Geschichte dieser Größenordnung verfilmen lässt? Das Streiten überlässt man am besten den Historikern, und das möchten sie auch bitte tun. Das einzig historisch korrekt verfilmte Epos dürfte wohl BARRY LYNDON sein, und das hat niemanden interessiert. Denn in erster Linie muss selbst ein Historienspektakel den Zuschauer unterhalten. Und wer Gefallen an der Materie finden, tut gut daran, die Geschichtsbücher zu befragen.

Geschichtsbücher sind schon deshalb von Vorteil, weil sie meist fundiert geschrieben sind. Ein wenn auch nur kurzer Besuch auf geschichtlich angehauchten Internetseiten ergibt allein zu Masada etliche Variationen zu den tatsächlichen Geschehnissen. Zum Beispiel ist da einmal von 15.000 römischen Belagerern die Rede, dann wieder von 5.000. Die Verfilmung bedient sich der letzteren Zahl. Viele Seiten nennen die Sikarier als Rettung suchende Hebräer in der Festung, die Verfilmung benennt die Zeloten. Die Sikarier waren eine extremistische Splittergruppe der Zeloten. Die Zeloten wiederum sind jüdische Freiheitskämpfer. Wer mag das noch verstehen?

Nein, MASADA ist wohl alles andere als eine korrekte Beschreibung historischer Tatsachen. Und letztendlich ist dies auch vollkommen irrelevant. Die Verfilmung ist dafür ein aufwendiges Spektakel, das es den Sandalen-Freunden in einigen europäischen Ländern sogar in einer gekürzten Spielfilm-Variante im Kino präsentiert wurde. Was übrig bleibt, wenn man nur 2 Stunden eines auf 6 Stunden gedachten Werkes zu sehen bekommt, kann man sich ausrechnen.

Die achtteilige Serie ist deswegen noch lange kein Stakkato von Szenenwechseln. Regisseur Boris Sagal inszenierte die Geschichte eher etwas gemächlich. Sagal war ein typischer Fernsehregisseur, der sich durch alle bekannten Serien gearbeitet hatte. Aus RICH MAN, POOR MAN nahm er schließlich auch Peter Strauss mit nach MASADA. Der Ur-Amerikaner Strauss als bedrängter Hebräer gegen Peter O’Toole, den typischen Engländer in römischen Gewand. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn auffällig viele römische Rollen von Briten und bedrängte Juden von Amerikanern verkörpert werden.

O'Toole, Sagal, Francis, QuayleWer heute eine 28 Jahre alte Mini-Serie für sich entdecken will, der wird wohl als erstes über die ruhige Erzählstruktur stolpern. Viele Sequenzen sind kammerspielartig inszeniert. O’Tooles Charakter des Flavius Silva wird dabei der Auftrag zuteil, über das Für und Wider, den Sinn und Zweck der Belagerung zu rezitieren. Seine Beziehung zu einer jüdischen Hure in der Gestalt von Barbara Carrera wirkt dabei etwas an den Haaren herbeigezogen, gibt dem Charakter allerdings reichlich Gelegenheit, sich als das zu entpuppen, was für das Fernsehen bis dato sehr ungewöhnlich war: Flavius Silva wurde zum Bösewicht, der ein Gewissen hat, sein ihm aufgezwungenes Handeln in Frage stellt und sympathisch wirkt.

Als Eleazar wirkt Peter Strauss dafür sehr oft eindimensional und bekommt kaum etwas zu tun, mit dem er sich innerhalb der filmischen Umsetzung profilieren könnte. Ist Flavius Silva der sympathische Bösewicht, hat man mit Eleazar einen sehr unsympathischen Helden. Das Drehbuch befasst sich wesentlich mehr mit der römischen Seite. Sehr interessant sind persönliche Intrigen eingearbeitet, man erfährt einiges über die römischen Hierarchien und wird mit den politischen Strukturen und Absichten konfrontiert.

Peter StraussSo tief die Inszenierung in den römischen Gedanken eindringt, so oberflächlich wird die jüdische Ideologie nur angekratzt. Der römische Kaiser will die Hebräer in Israel als eigenständigen Staat akzeptieren, allerdings nur unter römischer Herrschaft. Aber die nach Masada geflüchteten Zeloten würden lieber einen ruhmreichen Tod vorziehen, als im Elend zu leben. Rom zeigt dafür natürlich kein Verständnis und zwingt Flavius Silva den sinnlosen Versuch der Unterwerfung auf. Das versteht die Serie wunderbar zu vermitteln. Die Motivation der Juden allerdings bleibt sehr vage und wird nur in gehaltlosen Aussagen erklärt. Besonders der letzte Teil leidet unter der Vernachlässigung der eigentlichen Thematik von MASADA, wie die belagerten Juden als Sieger hervorgehen konnten, obwohl die römische Legion den Kampf gewonnen hatte.

Was erwartet man also, wenn ein amerikanischer Fernsehsender eine Geschichte dieser Größenordnung verfilmt? Was erwartet man überhaupt von einer Zeitreise, 28 Jahre zurück, als es noch Unmengen von Tabus für die Wohnzimmerleinwand gab? Zumindest kann man sagen, dass sich die Produktion sichtlich Mühe gegeben hat, die Massenszenen auch wirklich nach Masse aussehen zu lassen, sei es durch Aufnahmen mit langen Brennweiten oder durch geschickte Umschnitte. Nur Paul Lohmans Bilder lassen gerade in den Nachtszenen mehr als zu wünschen übrig. Dass er alle Szenen in Zelten, selbst die, die in der Nacht spielen, mit Tageslicht ausstrahlt, ist höchstens damit zu erklären, dass man einzelne Sequenzen unabhängig von der im Film herrschenden Tageszeit haben wollte.

Ein BelagerungsturmDass sich diese aufwendig, aber noch ohne Computer-Effekte produzierte Serie nicht bei einer jugendlichen Käuferschicht im DVD-Sektor durchsetzt, hat schon eine beinahe bittere Selbstverständlichkeit. Dafür darf dann wenigstens auch der ganze unnötige Bonus-Schnickschnack wegfallen, auf den unverständlicherweise gerade bei jüngeren Käufern so viel Wert gelegt wird. So kann die gesamte Datenmenge für Bild und Ton der eigentlichen Serie genutzt werden. Wobei das Fehlen von jeglichen Untertiteln doch schon als sträflich zu bezeichnen ist. Ein dünnes Booklet gibt dafür einige knapp gehaltene, aber sehr informative Produktionsnotizen.

Natürlich würde eine Serie dieser Größenordnung heute so nicht mehr produziert werden. Aber das soll auch nicht der Punkt sein. Wichtig ist, dass Nostalgiker und Filminteressierte einen wunderbaren Blick zurück werfen können, nachdem MASADA seinem Publikum so lange vorenthalten wurde. Und es spielt wirklich keine Rolle, wie historisch korrekt Kostüme, der Zeitablauf oder gar die ganze Geschichte wiedergegeben ist. Denn man ist wirklich geneigt, nach dem Konsum der Serie doch mal in diversen Lexika nachzuschlagen. Vielleicht auch mal im Internet zu blättern, dann aber bitte mit Vorsicht.


 
MasadaDarsteller: Peter O’Toole, Peter Strauss, Anthony Quayle, Barbara Carrera, David Warner, Giulia Pagano, Heinz Bernard, Reuven Bar-Yotam, John Terry Bell, Christopher Biggins, Paul Smith, David A. Block, Nigel Davenport, Vernon Dobtcheff u.v.a.

Regie: Boris Sagal – Drehbuch: Joel Oliansky nach der Geschichte von Ernest Gann – Kamera: Paul Lohman – Bildschnitt: Edwin F. England, Peter Kirby, Ron Rutberg, Robert L. Kimble – Musik: Jerry Goldsmith (Thema), Morton Stevens – Kostüme: Vittorio Nino Novarese – Art-Direction: George Renne, Kuli Sander – Ausstattung: Edward M. Parker, Joseph J. Stone, Lasislav Wilheim – Produktionsdesign: Jack Senter

USA / 1981
– ca. 360 Minuten (DVD bei Polyband ab 27.11.2009 im Handel)

 
 
 
Bildquellen: Polyband, Clive Francis

Kommentare  

#1 Andrew P. Wolz 2009-11-27 09:34
Bin ich jetzt zu sehr Mann, oder ist es verwerflich, dass ich als erstes nicht nach Masada google, sondern nach einem Bild von Barbara Carrera als Geliebte von Flavius?

Der von Euch werfe den ersten Stein, der ...
#2 Pisanelli 2009-11-27 14:02
Ich habe mal auf diesem Berg gestanden! Er ist wirklich HOCH und selbst wenn man da oben steht, dann kann man nur die logistische Leistung erahnen, die die Römer da abgeliefert haben. Unglaublich, diese Rampe ist RIESIG! Von oben kann man übrigens auch noch sehr gut die Fundamente des Römerlagers erkennen. Schon die Verpflegung mit Nahrung und Wasser muß in dieser unglaublich lebensfeindlichen Umwelt ein unglaublicher Aufwand gewesen sein. Drumherum ist ja nix, nur das Tote Meer und Wüste.
Im übrigen, warum soll es so unverständlich sein, dass die Zeloten aus mehreren Gruppen bestanden? Die IRA ist ja auch keine geschlossene Gruppe, sondern setzt sich aus mehreren kleinen Gruppen zusammen. Für die Römer waren die Zeloten ein großer Haufen und die machten da wohl keine großen Unterschiede, die es aber sehr wohl gab. Die Sikarier waren eine der extremsten Gruppierungen, sehr militant und sehr kompromißlos. Es gab auch gemäßigtere Gruppierungen. Gemeinsam hatten sie vor allem, dass sie gegen die römische Besatzung waren, es gab aber Unterschiede der Gründe dafür. Einige waren sehr nationalistisch, andere hatten religiöse Gründe, wieder andere hatten sehr praktische, wirtschaftliche oder politische Gründe. Das finde ich überhaupt nicht unverständlich.
Über die Serie und ihren historischen Wahrheitsgehalt an sich kann ich nichts sagen, da ich sie noch nie gesehen habe. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, wo sie ihre Stärken und Schwächen hat.
#3 Laurin 2009-11-27 14:51
Öhm...Andrew P. Wolz, ich werf nicht, ich google mal mit :-*
#4 Mainstream 2009-11-27 22:36
-
In der Tat liegen die Stärken auf der römischen Seite, was
man nur damit erklären könnte, das die hebräische Haltung
in dieser Zeit, im Heute sehr umstritten scheint.

Die unterschiedlichen Gruppierungen werden gar nicht erst
erwähnt, geschweige denn ihre radikale Haltung. Für den
Sender ABC war da sicherlich ein wenig politische Distanzierung
auschlaggebend.

Aber ungeachtete der Serie, wie wäre es denn mal mit einer
historisch korrekten Abhandlung der damaligen Ereignisse?

Komm schon, wer 16 Zeilen Kommentar zu einem Thema
zusammen bringt, dem liegt noch viel mehr im Schreibfinger.
Zudem warst Du dort. Vor Ort!
Ich warte...
#5 Pisanelli 2009-11-27 23:13
@mainstream: Historisch korrekte Abhandlung?! Haha, da wird bis heute drüber diskutiert. Das Problem ist, der Sieger schreibt die Geschichte und deswegen bleibt vieles Spekulation, das ist gerade bei der römischen Geschichte ein Riesenproblem (z.B. auch was die alten Germanen betraf, die ja überhaupt keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben). Alles, was ich tun könnte, ist die bisherigen Diskussionen zusammenzutragen und zu präsentieren und dann zu sagen, wie es WAHRSCHEINLICH gewesen sein konnte. Aber weißt Du, was das für eine Arbeit ist? Zu Masada gibt es vermutlich tonnenweise Material. Ich überleg's mir mal... :sigh:
#6 Mainstream 2009-11-28 07:59
-
Wie man oft lasen kann, soll ja der Geschichtsschreiber
Flavius j25ephus auch nicht gerade der zuverlässigste
Historiker gewesen sein und gerne auch mal interpretiert
haben.

Du hast schon Recht. Das wäre eine zermürbende Arbeit
mit dem Fazit: Wahrscheinlich. Mich hat aber der Aspekt
fasziniert, das die Römer einen noch viel größeren Aufwand
am Fuss des Felsen betrieben haben müssen, als der
Film überhaupt in der Lage war auch nur anzudeuten.

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