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Hard Case Crime - Ein Erbe Chandlers

Hard Case CrimeEin Erbe Chandlers

Philip Marlowe hat viele Nachahmer gefunden, die sich zumeist mehr schlecht als recht am Original anlehnen. Es gab und gibt aber auch Autoren, die mit ihren Geschichten Raymond Chandler sowohl von der Qualität wie auch der Quantität überboten haben. In meinen Augen trifft das schon mal auf Max Allan Collins zu, der mit seinen Detective-Romanen um Nate Heller das Erbe Chandlers antrat und damit grosse Erfolge feiern konnte. Wer hätte also gedacht, dass gerade aus dem Schweizerlande eine Figur kommen würde, die mittlerweile bereits über zwanzig Jahre einen kontinuierlichen Erfolg aufweist und immer wieder Woche für Woche seine Fans zu begeistern weiss.
 
Es handelt sich hierbei um die Hörspielreihe „Philip Maloney“, die 1989 zum ersten Mal über den Äther lief und schon bald einen Kultstatus erreichte.        
 
Die Figur und dessen Erfinder
Philip MaloneyRoger GrafNoch nie davon gehört? Kann ich verstehen. Hier ein kurzer Abriss: Der Erfinder und Autor Roger Graf bekam vom Nationalsender DRS3 die Aufgabe Sketche zu schreiben, die für das Sonntagsvormittgsprogramm gedacht waren. Verschiedene Kurzhörspiele wurden produziert, unter anderem eines, das sich an das klassische Genre des Detektivromans anlehnte und eine Parodie auf Philip Marlowe darstellte. Maloney etablierte sich schnell als Publikumsliebling und avancierte zur Kultfigur, die bald einmal den Sendeplatz zwischen 11 und 12 Uhr einnahm. Sehr zur Freude von Herrn und Frau Schweizer, die nach dem Frühstück oder vor dem Mittag Zeit haben, sich dem Radio zu widmen.

Seit längerem wird alle 14 Tage eine neue Geschichte gebracht, während den Sonntag dazwischen eine Episode aus dem reichen Fundus (bis 2007 waren 300 Folgen entstanden) gesendet wird.

Und ein Ende ist nicht abzusehen.

Worum geht es in den Episoden?
Philip Maloney (gesprochen von Michael Schacht) ist ein ständig von Geldsorgen geplagter Privatdetektiv, der dem Whisky (v.a. Bourbon) sehr zugetan ist und oft unter seinem Schreibtisch schläft. Seine Fälle laufen stets nach dem gleichen Muster ab. Sie werden ihm von Klienten zugetragen und beginnen meist sehr harmlos, doch stößt Maloney im Laufe der Ermittlungen praktisch immer auf eine Leiche. Widerwillig muss er dann mit der Polizei zusammenarbeiten. Der zuständige Beamte (in den Hörspielen namenlos, gesprochen von Jodoc Seidel, in den Romanen heißt er Hugentobler) ist nicht der Hellste und löst lieber Kreuzworträtsel als Kriminalfälle. Am Ende ist es immer Maloney, der den Fall klärt.

Die Serie wird auch beim deutschen Sender Radio 700 ausgestrahlt (Dienstags zwischen 23 und 24 Uhr). Bis zur Einstellung des Senders war Philip Maloney auch in SDR 3 zu hören.

 
Michael Schacht als Philip MaloneyMichael Schacht als Philip Maloney
Diese ungewöhnliche Detektivfigur hat mittlerweile auch einen Siegeszug in Buchform und gesammelten Hörspielen angetreten. Und man/frau kennt ihn auch über die Grenzen der Schweiz hinaus, aber nur sehr wenig.

Die Sprecher gehen mittlerweile auf Torneen und sind in der ganzen Schweiz, das ganze Jahr über, anzutreffen. Ein besonderes Schmankerl ist es da einer Aufführung vor Publikum beizuwohnen.

Ich persönlich konnte mit den Hörspielen nie etwas anfangen, aber da reihe ich mich in eine sehr kurze Liste von Leuten wie ich über die Jahre hin feststellen konnte. Die Sprecher – in erster Linie die von Philip Maloney selber: Michael Schacht – troff nur so vor übertriebener Darstellung und schwerem Deutsch. Die Darbietung als Theater ist dagegen genial, da Mimik und Haltung der Sprecher zur allgemeinen Belustigung beitragen.

Dasselbe trifft auf die Buchpublikationen zu. Lesen konnte ich die Kurzgeschichten immer, da in meinem Kopf der Ich-Erzähler eine weniger übertriebene Stimme verpasst bekam, und auf diese Weise die Geschichten wirklich köstlich, wenn auch von der Story her übertrieben, daher kamen. Aber der Unterhaltungswert war auf jeden Fall gross.

  • Hier die Bücher von Roger Graf, die von Philip Maloney handeln:
  • Die haarsträubenden Fälle des Philip Maloney (1992) Verlag Ricco; (1994) Serie Piper 5662
  • Philip Maloney - 30 rätselhafte Fälle (1998) Verlag Kein & Aber, Zürich
  • Philip Maloney und der Mord im Theater (2000) Verlag Kein & Aber, Zürich
  • Philip Maloney - Die Leiche im Moor (2000) Scherz Verlag
  • Philip Maloney - Der Womper (2001) Scherz Verlag
  • Philip Maloney - Zum Kuckuck (2002) Scherz Verlag
  • Philip Maloney - Haarige Zeiten (2004) Scherz Verlag

Mit anderen Büchern hat sich der Autor mittlerweile auch einen Namen gemacht. Daneben schreibt er gelegentlich das eine oder andere Theaterstück.

Die Geschichten um Philip Maloney sind sicherlich nicht das Beste, was jemals veröffentlich wurde, egal in welcher Form, aber immer wieder ist beim konsumieren zu spüren, wie der Autor den geistigen Kniefall, sowohl vor dem Genre wie auch vor den Werken Raymond Chandlers, macht. Und was Roger Graf hier erfunden hat, ist eine der erfolgreichsten Figuren im schweizerischen Hörspielhimmel. Mal abgesehen davon, dass man den Autoren getrost als ein Erbe Chandlers betrachten kann, ist er erst noch einer mit helvetischen Wurzeln.

Viel Vergnügen bei nachfolgender Rezension.

FlopFlop
Hard Case Crime Nr. 003, März. 2008
von Ken Bruen & Jason Starr
Übersetzung: Richard Betzenbichler
ISBN: 978-3-86789-023-6
288 Seiten / € 9,90 | Sfr. 18,90
Rotbuch


„Geheimnisse können tödlich sein ...“

Das ist nur eine der bitteren Lektionen, die der skrupellose New Yorker Geschäftsmann Max Fisher lernen muss, als er den ehemaligen IRA-Mann Dillon auf seine ungeliebte Gattin ansetzt. Der draufgängerische Profikiller verbündet sich jedoch mit der Geliebten des Geschäftsmannes. Jeder versucht den anderen auszuspielen, und am Ende kämpfen die zwielichtigen Figuren alle um das nackte Überleben ...


Man nehme durchgeknallte Typen, garniere mit einer Handvoll Spannung und einem Kaffeelöffel schwarzen Humors, streue eine Prise Erotik darüber und natürlich ein gutes Stück Mord für dieses Krimifeinschmecker-Menü. Die Speisefolge ist angerichtet, es kann gegessen werden.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, so steht es jedenfalls geschrieben. So kam es mir jedenfalls mit den Zitaten vor, die jedes Kapitel eröffnen und als winzige Erweiterungen zur Geschichte dienen. Herrliche Perlen, die den Leser in eine bestimmte Erwartungshaltung bringen. Und er wird nicht enttäuscht.

Oft, wenn zwei Autoren am selben Buch schreiben, wird die charakterliche Prägung des Schreibers dem Ganzen untergeordnet, damit der Roman wie aus einem Guss daher kommt. In diesem Fall, in diesem modernen und mordenden Stück Noir passen Ken Bruen und Jason Star zusammen, wie das sprichwörtliche Paar, das schon lange verheiratet ist. Die Stücke des Puzzles komplimentieren sich und unterstützen einander.

Die Story ist abgedreht und schwarzhumorig. Es geht um fiese Typen, fiese Machenschaften und alle reiten einem fiesen Ende entgegen. Jeder hat irgendwie Dreck am Stecken und ist darauf erpicht zu seinem Vorteil zu arbeiten.

Die Geschichte glänzt nicht wirklich durch ihre neue Ausgangslage, aber was Jason Starr und Ken Bruen daraus machen ist einfach herrlich zu beobachten. Da ist zum einen die grossbusige Femme Fatale, der durchgeknallte Kriegsveteran, der psychopatische Auftragskiller und der Geschäftsmann, der sich von seiner angetrauten Ehefrau entledigen will. Es sind Klisches, die man kennt, aber dadurch wird die Story nicht wirklich vorhersehbar. Es macht Spass der Entwicklung beizuwohnen. Vor allem auch, weil es nicht immer so kommt wie es zu erwarten ist.

Eigentlich müsste man sich schämen, dass man beim Lesen ein so teuflisches Vergnügen empfindet!

Ken Bruen (oben) / Jason Starr (unten)Dies ist der erste Roman einer Reihe um Max Fisher und Angela Petrakos, die es mit „Slide“ und „The Max“ bis jetzt auf zwei Fortsetzungen brachte. Cool wenn noch weitere geplant sind, aber ich denke mir, dass der Leser von diesem Gespann liest, was immer ihm die zwei auch immer auftischen werden.

Ken Bruen:
Geboren 1951, promovierte über Metaphysik am Trinity College in Dublin. Der hochgelobte Krimiautor lebt in Galway, Irland. Er gewann 2004 für den Roman „The Guards“ den Shamus-Award.

Jason Starr:
Geboren 1968, wuchs in Brooklyn auf und begann schon zu College-Zeiten zu schreiben. Zunächst Kurzgeschichten, später Theaterstücke und Romane. Er lebt in New York. 2004 gewann er den Barry-Award für „Tough Luck“.

Bereits erschienene Bücher:
„Flop/Bust“, „Crack/Slide“, „The Max“ und von Jason Starr alleine „Fake I.D.“

BusDas Buch im Original:
BUST
254 Seiten
ISBN: 0-8439-5591-0
$ 6,99

Hard Case Crime No 020, May 2006

Kommentare  

#1 Johannes Steinweg 2009-12-31 12:45
Man kann eben keine Krimis mehr an Chandler vorbei schreiben. Eigentlich hätte er den Nobelpreis verdient, anstelle Hemingways, den er herrlich aufs Korn nimmt (in 'Farewell My Lovely' etwa). Hier ist neulich wieder ein schöner Artikel über ihn erschienen:
www.mahagoni-magazin.de/Kultur/dark-city.html
Viele Grüße
Johannes Steinweg

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