THE EXECUTIONER - 40 Jahre Paperback Originals
THE EXECUTIONER
40 Jahre Paperback Originals
40 Jahre Paperback Originals
In dieser Zeit eines fundamentalen gesellschaftlichen Umbruchs verändert sich auch die Kultur. Zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres gehören Easy Rider und The Wild Bunch, die in punkto Gewaltdarstellung neue Maßstäbe setzen.
Und ein bis dahin unbekannter Autor namens Don Pendleton startet auf dem Taschenbuchsektor den Boom der Action Adventure Novel, eine euphemistische Bezeichnung für gewalttätige Selbstjustizromane, die in den nächsten Jahren so sehr den amerikanischen Zeitgeschmack treffen, dass sie eine Weile Millionenauflagen haben und ganze Heerscharen von Autoren beschäftigen.
Don Pendleton aus Little Rock, Arkansas, Jahrgang 1927, verpflichtete sich mit fünfzehn Jahren zum Militärdienst und nahm am Pazifikkrieg teil. Nachdem er sich im Koreakrieg noch einmal für zwei Jahre verpflichtete, arbeitete er später in der Luftfahrt und schließlich als Engineering Administrator für die NASA. Aber ihn reizte das Schreiben. 1957 erschien seine erste Kurzgeschichte, dann fing er an, für den Taschenbuchmarkt zu schreiben. In allen Genren. Privatdetektivgeschichten in der guten alten Pulptradition für Tower Books in New York, ein paar Erotikromane für das Greenleaf-Verlagsimperium (was damals halt so als Porno galt), wo auch Leute wie Robert Silverberg oder Lawrence Block anonym Dutzende von Romanen mit Titeln wie Diary of a Dyke oder Bayou Sinners veröffentlichten. Ebenfalls für Greenleaf folgten diverse Pseudosachbücher wie ESP and the Sex Mystic oder Hypnosis and the Free Female. Und ein paar SF-Taschenbücher wie The Guns of Terra 10, das seinen Weg sogar als Terra Astra-Heft nach Deutschland fand.
Nicht gerade eine herausragende Bibliografie. Aber Pendleton hatte Glück. Bee-Line Books war einer jener Erotik-Verlage, die sich später auf richtige Pornos spezialisierten. Der Herausgeber David Zentner wollte das Geschäft auf den florierenden Mainstreammarkt ausdehnen und gründete dazu aus offensichtlichen Gründen das neue Imprint Pinnacle. Für Material wandte er sich auch an Don Pendleton, der schon länger an einem Konzept für eine Actionkrimiserie herumbastelte. Ein Vietnam-Veteran kehrt nach Hause zurück und erklärt dem organisierten Verbrechen den Krieg. Zentner gefiel die Idee, er steuerte den Seriennamen The Executioner dazu, und der erste Roman The Executioner War against the Mafia erschien 1969. Es folgte ein weiterer Band, 1970 noch einmal zwei. Der stetig wachsende Erfolg sorgte dafür, dass es 1971 dann bereits fünf Neuerscheinungen waren. Diese ersten neun Bände hatten 1972 eine Auflage von 4 Millionen Exemplaren.
Allerdings gibt es wie so oft noch eine andere Version der Ereignisse. Demnach erfanden Zentner und sein Anwalt das Konzept und beauftragten Pendleton lediglich als Autor. Das führte später zu häufigen Auseinandersetzungen zwischen Zentner und Pendleton, und als Pinnacle Books 1973 für die damals stolze Summe von fast zweieinhalb Millionen Dollar weiterverkauft wurde, kam es wegen der Urheberrechtsfrage zu richtigem Ärger, und der Käufer verklagte Zentner auf Schadenersatz.1
Das Serienkonzept ist schlicht. Mack Samuel Bolan, Sohn eines Stahlarbeiters aus Pittsburgh, ist Waffenexperte und Scharfschütze bei den Green Berets und im Einsatz in Vietnam. Wegen seiner bestätigten neunzig Tötungen im Feld hat er den Spitznamen The Executioner (Der Henker), aber man nennt ihn auch Sergeant Mercy, weil er ein Herz für die Zivilbevölkerung hat. Er ist der quintessentielle amerikanische Junge mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, der nur seine Pflicht tut und am Wochenende seiner Mutter schreibt, wenn er nicht gerade Vietcong abschießt.
Da wird Bolan wegen einer Familientragödie nach Hause berufen. Sein Vater ist zum Amokläufer geworden und hat Frau, Tochter und dann sich selbst erschossen. Lediglich der jüngste Sohn Johnny überlebt das Massaker. Bolan erfährt schnell die Hintergründe. Wegen einem Herzinfarkt hat sein Vater den Job verloren und sich bei der örtlichen Mafia Geld geliehen. Als er mit den Zahlungen nicht mehr nachkommt, wird er verprügelt. Um ihm zu helfen, fängt Tochter Cindy heimlich an, für die Mafioso als Prostituierte zu arbeiten. Der Vater bekommt das mit und dreht durch.
Daheim erlebt der Kriegsheimkehrer von den Behörden nur Gleichgültigkeit und Desinteresse. Auf legalem Weg ist der Mafia nicht beizukommen. Akte geschlossen. "Achtausend Meilen entfernt verteidigen wir eine Front", schreibt der junge Veteran in sein Kriegstagebuch, "während daheim unser wirklicher Feind uns das nimmt, was uns am Teuersten ist."2 Und nachdem Bolan wie jeder gute Soldat seinen wahren Feind identifiziert hat, greift er zum Scharfschützengewehr und eliminiert die Mafioso wie zuvor den Feind im Dschungel.
Schon vom ersten Band an unternahm Pendleton große Mühen, seinen Helden sympathisch zu machen. Neben der überraschend unblutigen Action verglichen mit späteren Serien dieses Genres wird der Leser seitenlang mit Bolans "Kriegerphilosophie" traktiert, mit der er die Selbstjustiz rechtfertigt. Dabei entwickelte der Autor ein ausgesprochenes Talent für blumige aber eingängige Slogans voller Pathos, die er in jedem Roman wiederholte. So ist ständig die Rede vom "Blitzkrieg" und dem "Bolan-Blitz", wenn der Held eine Stadt von der Mafia säubert, der "last bloody mile", die Bolan zu gehen hat, bevor ihn der Tod durch eine Mafiakugel ereilt; die Cops, die notgedrungen - auf ihn Jagd machen und auch schon mal wegsehen, sind "soldiers on the same side", der Kampf gegen das organisierte Verbrechen ist der Kampf "civilised man against neanderthal man". Und der Lieblingsslogan, der angeblich sogar Einzug ins amerikanische Slangwörterbuch gefunden hat, ist "Live large!"3
Die Leser konnten jedenfalls nicht genug davon bekommen. Offensichtlich traf Pendleton mit seinem Helden einen Nerv. Hier war endlich einmal ein anständiger weißer Junge aus der Arbeiterschicht, der amerikanische Tugenden propagierte und in echter Pulp-Manier den Frontier-Mythos auf die nächste Ebene führte. Pures Wishfulfilment für Stammtischleser, Militärangehörige und Waffennarren. Dabei ließ sich der Autor aber nie hinreißen, deutliche Gesellschaftskritik einfließen zu lassen oder andererseits auf einzelne, den Konservativen im Land besonders verhasste Gruppen einzudreschen. Verglichen mit den heutigen Fox-News klingt er sogar erschreckend rational.
Sind die ersten beiden Bände noch relativ in sich abgeschlossen, baute Pendleton danach verstärkt ein kompliziertes Serienuniversum auf. Die Handlung folgt immer dem gleichen Schema. Bolan reist durch die Städte und Staaten der USA, infiltriert den Feind und fängt an, ihn hinzurichten, während Polizei und Mafia ihn jagen und das Kopfgeld auf ihn steigt. Vom Miami Massacre bis zur Vegas Vendetta wurde die "letzte Meile" immer länger und die Mafia notgedrungen zusehends mythischer. Bald kämpfte der Held gegen eine gigantische Verschwörung, die einen Mafioso ins Weiße Haus befördern sollte.
Nach zehn Jahren und 32 Romanen erlahmte Pendletons Einfallsreichtum sichtlich, gesundheitliche Probleme erschwerten die Produktion. Insgeheim ließ er sich von einem Ghostwriter helfen4. Der Erfolg der Serie hatte eine gewaltige Konkurrenz erschaffen, denn nun wollte jeder Taschenbuchverlag ein Stück vom Kuchen abhaben. Ähnliche Konzepte überschwemmten den Markt, die teilweise beachtliche Verkaufszahlen und Langlebigkeit erreichten. Serien wie The Destroyer, The Penetrator, The Death Merchant, The Butcher, John Eagle Expeditor, The Marksman und viele andere. Genug, um damit ein kürzlich erschienenes Lexikon zu füllen5.
1980 wechselte Pendletons Lektor von Pinnacle zu dem kanadischen Verleger Harlequin, der mit Liebesromanen großen Erfolg hatte und eine Sparte mit Männerromanen aufbauen wollte. Nun war der Vietnamkrieg vorbei, dafür wurden die Schlagzeilen vom Terror in Nahost und den Russen in Afghanistan beherrscht. Also genug Stoff für einen neuen Krieg. Pendleton modifizierte das Serienkonzept. Aus Mack Bolan wurde nach dem Abschluss des Mafiakriegs eine Weile Colonel John Phoenix, der im Auftrag des Präsidenten den Kampf gegen internationale Terroristen aufnimmt. Geplant war, dass Pendleton nur noch die Geschichten entwickelte und von anderen Autoren schreiben ließ. Natürlich wollte Pinnacle nicht kampflos zusehen, dass sein immer noch bestes Pferd im Stall den Verleger wechselte, musste dann aber wegen anderer Probleme Konkurs anmelden. Und so kam der Wechsel zustande, auch wenn Pendleton nie wieder einen Bolan-Roman verfasste. Harlequin startete das Imprint Gold Eagle und baute The Executioner zu einer echten Franchise aus. Plötzlich gab es neben der Reihe The Executioner noch die Ablegerserien Able Team und Phoenix Force6, die Erscheinungsfrequenz wurde auf monatlich umgestellt und neben dem üblichen Vertrieb ein international arbeitender Subskriptionsversand aufgebaut.
Während sämtliche Vigilantenserien im Laufe der Zeit eingestellt wurden, überlebte Mack Bolan sie alle, wie auch seinen Schöpfer. Don Pendleton starb 1995. Aber die Serie erscheint auch 40 Jahre nach ihrer Entstehung, gut ein halbes Dutzend Autoren sorgt für Nachschub. The Executioner erreicht nächstes Jahr die Ausgabe 400. Im Laufe der Zeit gab es viele Veränderungen in der Covergestaltung und dem Umfang; nach 250 Seiten ist man nun wieder bei einem Umfang von 190 Seiten. Die gemalten inhaltsbezogenen Titelbilder in der klassischen Pulptradition sind austauschbaren Photoshopmonstrositäten gewichen. Dazu kommt im zweimonatlichen Turnus die Begleitserie Stony Man, die die Charaktere der eingestellten Serien Phoenix Force und Able Team vereinigt und einen Umfang von 350 Seiten hat (117 Bände). Und die Serie Don Pendleton´s Mack Bolan, auch SuperBolan genannt (147 Bände) ebenfalls 350 Seiten stark und 6 mal im Jahr.
Mittlerweile ist der Held als Vietnamveteran natürlich völlig anachronistisch, was aber in den Romanen geflissentlich ignoriert wird. Bolan ist wie James Bond alterslos geworden. Die "Philosophie" seines Schöpfers und die zyklische Handlung ist zugunsten pausenloser Action und völlig in sich abgeschlossener, beliebiger Einzelromane zurückgefahren. Mack Bolan und seine Kollegen schützen im Auftrag des Präsidenten Amerika ununterbrochen vor dem nächsten Terrorangriff, knallen reihenweise islamische Terroristen und zur Abwechslung auch mal mexikanische Drogenbarone, amerikanische (oder auch deutsche) Neonazis, russische Mafioso oder abtrünnige Söldner politisch korrekt ab. Und wehe dem Autor, der die Sprache der Waffenfetischisten unter den Lesern nicht richtig beherrscht. Wer glaubt, dass Perry Rhodan-Fans pingelig sein können, wenn der Schutzschirm die falsche Farbe hat, sollte sich mal die bösen Leser-Kommentare in den einschlägigen Foren durchlesen, wenn die falsche Munitionssorte für die falsche Knarre genannt wird.
In Deutschland gab der Executioner ebenfalls ein Gastspiel, aber hierzulande geriet der Erfolg schnell ins Stocken. Innerhalb der Reihe Heyne-Crime bekam die Serie schon 1972 eine eigenständige Aufmachung unter dem Titel Der Mafia-Killer. Aus Mack Bolan wurde Mark Bolan, weil es für deutsche Ohren eingängiger war, die Covergestaltung war einheitlich und zum Zweck der Serienidentität stand größtenteils das Wort Tod im Titel. Todesgrüsse aus der Hölle, Todesfalle in der Folterkammer, Todespanik in Philadelphia, usw. Aber die Serie verschwand nach 15 Bänden vom Markt.
Angeblich ein weiteres Opfer des Jugendschutzes, was vorstellbar ist, sah die Bundesprüfstelle bei Themen wie Selbstjustiz gern rot. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen wie beispielsweise im Neue Revue Thriller oder den gelben Ullstein-Krimis zumeist in der Übersetzung schwer gesäubert - fand der größte Teil dieses Genres danach keinen Weg nach Deutschland.
Der Einfluss, den Don Pendleton auf die amerikanische Popkultur hatte, darf jedoch nicht unterschätzt werden. Er war der Erste, der den Vietnamveteranen in den Mittelpunkt einer Geschichte stellte, und im Gegensatz zu der späteren stets gebrochenen Figur des psychisch angeknacksten Dschungelkämpfers war sein Protagonist als amerikanischer Held gedacht. Er inspirierte eine wahre Flut von Büchern, Filmen und Comics. Von Rambo bis Frank Castle, dem Punisher aus den Marvel Comics, letztlich lassen sie sich alle auf Mack Bolan zurückführen.
Und ein bis dahin unbekannter Autor namens Don Pendleton startet auf dem Taschenbuchsektor den Boom der Action Adventure Novel, eine euphemistische Bezeichnung für gewalttätige Selbstjustizromane, die in den nächsten Jahren so sehr den amerikanischen Zeitgeschmack treffen, dass sie eine Weile Millionenauflagen haben und ganze Heerscharen von Autoren beschäftigen.
Don Pendleton aus Little Rock, Arkansas, Jahrgang 1927, verpflichtete sich mit fünfzehn Jahren zum Militärdienst und nahm am Pazifikkrieg teil. Nachdem er sich im Koreakrieg noch einmal für zwei Jahre verpflichtete, arbeitete er später in der Luftfahrt und schließlich als Engineering Administrator für die NASA. Aber ihn reizte das Schreiben. 1957 erschien seine erste Kurzgeschichte, dann fing er an, für den Taschenbuchmarkt zu schreiben. In allen Genren. Privatdetektivgeschichten in der guten alten Pulptradition für Tower Books in New York, ein paar Erotikromane für das Greenleaf-Verlagsimperium (was damals halt so als Porno galt), wo auch Leute wie Robert Silverberg oder Lawrence Block anonym Dutzende von Romanen mit Titeln wie Diary of a Dyke oder Bayou Sinners veröffentlichten. Ebenfalls für Greenleaf folgten diverse Pseudosachbücher wie ESP and the Sex Mystic oder Hypnosis and the Free Female. Und ein paar SF-Taschenbücher wie The Guns of Terra 10, das seinen Weg sogar als Terra Astra-Heft nach Deutschland fand.
Nicht gerade eine herausragende Bibliografie. Aber Pendleton hatte Glück. Bee-Line Books war einer jener Erotik-Verlage, die sich später auf richtige Pornos spezialisierten. Der Herausgeber David Zentner wollte das Geschäft auf den florierenden Mainstreammarkt ausdehnen und gründete dazu aus offensichtlichen Gründen das neue Imprint Pinnacle. Für Material wandte er sich auch an Don Pendleton, der schon länger an einem Konzept für eine Actionkrimiserie herumbastelte. Ein Vietnam-Veteran kehrt nach Hause zurück und erklärt dem organisierten Verbrechen den Krieg. Zentner gefiel die Idee, er steuerte den Seriennamen The Executioner dazu, und der erste Roman The Executioner War against the Mafia erschien 1969. Es folgte ein weiterer Band, 1970 noch einmal zwei. Der stetig wachsende Erfolg sorgte dafür, dass es 1971 dann bereits fünf Neuerscheinungen waren. Diese ersten neun Bände hatten 1972 eine Auflage von 4 Millionen Exemplaren.
Allerdings gibt es wie so oft noch eine andere Version der Ereignisse. Demnach erfanden Zentner und sein Anwalt das Konzept und beauftragten Pendleton lediglich als Autor. Das führte später zu häufigen Auseinandersetzungen zwischen Zentner und Pendleton, und als Pinnacle Books 1973 für die damals stolze Summe von fast zweieinhalb Millionen Dollar weiterverkauft wurde, kam es wegen der Urheberrechtsfrage zu richtigem Ärger, und der Käufer verklagte Zentner auf Schadenersatz.1
Das Serienkonzept ist schlicht. Mack Samuel Bolan, Sohn eines Stahlarbeiters aus Pittsburgh, ist Waffenexperte und Scharfschütze bei den Green Berets und im Einsatz in Vietnam. Wegen seiner bestätigten neunzig Tötungen im Feld hat er den Spitznamen The Executioner (Der Henker), aber man nennt ihn auch Sergeant Mercy, weil er ein Herz für die Zivilbevölkerung hat. Er ist der quintessentielle amerikanische Junge mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, der nur seine Pflicht tut und am Wochenende seiner Mutter schreibt, wenn er nicht gerade Vietcong abschießt.
Da wird Bolan wegen einer Familientragödie nach Hause berufen. Sein Vater ist zum Amokläufer geworden und hat Frau, Tochter und dann sich selbst erschossen. Lediglich der jüngste Sohn Johnny überlebt das Massaker. Bolan erfährt schnell die Hintergründe. Wegen einem Herzinfarkt hat sein Vater den Job verloren und sich bei der örtlichen Mafia Geld geliehen. Als er mit den Zahlungen nicht mehr nachkommt, wird er verprügelt. Um ihm zu helfen, fängt Tochter Cindy heimlich an, für die Mafioso als Prostituierte zu arbeiten. Der Vater bekommt das mit und dreht durch.
Daheim erlebt der Kriegsheimkehrer von den Behörden nur Gleichgültigkeit und Desinteresse. Auf legalem Weg ist der Mafia nicht beizukommen. Akte geschlossen. "Achtausend Meilen entfernt verteidigen wir eine Front", schreibt der junge Veteran in sein Kriegstagebuch, "während daheim unser wirklicher Feind uns das nimmt, was uns am Teuersten ist."2 Und nachdem Bolan wie jeder gute Soldat seinen wahren Feind identifiziert hat, greift er zum Scharfschützengewehr und eliminiert die Mafioso wie zuvor den Feind im Dschungel.
Schon vom ersten Band an unternahm Pendleton große Mühen, seinen Helden sympathisch zu machen. Neben der überraschend unblutigen Action verglichen mit späteren Serien dieses Genres wird der Leser seitenlang mit Bolans "Kriegerphilosophie" traktiert, mit der er die Selbstjustiz rechtfertigt. Dabei entwickelte der Autor ein ausgesprochenes Talent für blumige aber eingängige Slogans voller Pathos, die er in jedem Roman wiederholte. So ist ständig die Rede vom "Blitzkrieg" und dem "Bolan-Blitz", wenn der Held eine Stadt von der Mafia säubert, der "last bloody mile", die Bolan zu gehen hat, bevor ihn der Tod durch eine Mafiakugel ereilt; die Cops, die notgedrungen - auf ihn Jagd machen und auch schon mal wegsehen, sind "soldiers on the same side", der Kampf gegen das organisierte Verbrechen ist der Kampf "civilised man against neanderthal man". Und der Lieblingsslogan, der angeblich sogar Einzug ins amerikanische Slangwörterbuch gefunden hat, ist "Live large!"3
Die Leser konnten jedenfalls nicht genug davon bekommen. Offensichtlich traf Pendleton mit seinem Helden einen Nerv. Hier war endlich einmal ein anständiger weißer Junge aus der Arbeiterschicht, der amerikanische Tugenden propagierte und in echter Pulp-Manier den Frontier-Mythos auf die nächste Ebene führte. Pures Wishfulfilment für Stammtischleser, Militärangehörige und Waffennarren. Dabei ließ sich der Autor aber nie hinreißen, deutliche Gesellschaftskritik einfließen zu lassen oder andererseits auf einzelne, den Konservativen im Land besonders verhasste Gruppen einzudreschen. Verglichen mit den heutigen Fox-News klingt er sogar erschreckend rational.
Sind die ersten beiden Bände noch relativ in sich abgeschlossen, baute Pendleton danach verstärkt ein kompliziertes Serienuniversum auf. Die Handlung folgt immer dem gleichen Schema. Bolan reist durch die Städte und Staaten der USA, infiltriert den Feind und fängt an, ihn hinzurichten, während Polizei und Mafia ihn jagen und das Kopfgeld auf ihn steigt. Vom Miami Massacre bis zur Vegas Vendetta wurde die "letzte Meile" immer länger und die Mafia notgedrungen zusehends mythischer. Bald kämpfte der Held gegen eine gigantische Verschwörung, die einen Mafioso ins Weiße Haus befördern sollte.
Nach zehn Jahren und 32 Romanen erlahmte Pendletons Einfallsreichtum sichtlich, gesundheitliche Probleme erschwerten die Produktion. Insgeheim ließ er sich von einem Ghostwriter helfen4. Der Erfolg der Serie hatte eine gewaltige Konkurrenz erschaffen, denn nun wollte jeder Taschenbuchverlag ein Stück vom Kuchen abhaben. Ähnliche Konzepte überschwemmten den Markt, die teilweise beachtliche Verkaufszahlen und Langlebigkeit erreichten. Serien wie The Destroyer, The Penetrator, The Death Merchant, The Butcher, John Eagle Expeditor, The Marksman und viele andere. Genug, um damit ein kürzlich erschienenes Lexikon zu füllen5.
1980 wechselte Pendletons Lektor von Pinnacle zu dem kanadischen Verleger Harlequin, der mit Liebesromanen großen Erfolg hatte und eine Sparte mit Männerromanen aufbauen wollte. Nun war der Vietnamkrieg vorbei, dafür wurden die Schlagzeilen vom Terror in Nahost und den Russen in Afghanistan beherrscht. Also genug Stoff für einen neuen Krieg. Pendleton modifizierte das Serienkonzept. Aus Mack Bolan wurde nach dem Abschluss des Mafiakriegs eine Weile Colonel John Phoenix, der im Auftrag des Präsidenten den Kampf gegen internationale Terroristen aufnimmt. Geplant war, dass Pendleton nur noch die Geschichten entwickelte und von anderen Autoren schreiben ließ. Natürlich wollte Pinnacle nicht kampflos zusehen, dass sein immer noch bestes Pferd im Stall den Verleger wechselte, musste dann aber wegen anderer Probleme Konkurs anmelden. Und so kam der Wechsel zustande, auch wenn Pendleton nie wieder einen Bolan-Roman verfasste. Harlequin startete das Imprint Gold Eagle und baute The Executioner zu einer echten Franchise aus. Plötzlich gab es neben der Reihe The Executioner noch die Ablegerserien Able Team und Phoenix Force6, die Erscheinungsfrequenz wurde auf monatlich umgestellt und neben dem üblichen Vertrieb ein international arbeitender Subskriptionsversand aufgebaut.
Während sämtliche Vigilantenserien im Laufe der Zeit eingestellt wurden, überlebte Mack Bolan sie alle, wie auch seinen Schöpfer. Don Pendleton starb 1995. Aber die Serie erscheint auch 40 Jahre nach ihrer Entstehung, gut ein halbes Dutzend Autoren sorgt für Nachschub. The Executioner erreicht nächstes Jahr die Ausgabe 400. Im Laufe der Zeit gab es viele Veränderungen in der Covergestaltung und dem Umfang; nach 250 Seiten ist man nun wieder bei einem Umfang von 190 Seiten. Die gemalten inhaltsbezogenen Titelbilder in der klassischen Pulptradition sind austauschbaren Photoshopmonstrositäten gewichen. Dazu kommt im zweimonatlichen Turnus die Begleitserie Stony Man, die die Charaktere der eingestellten Serien Phoenix Force und Able Team vereinigt und einen Umfang von 350 Seiten hat (117 Bände). Und die Serie Don Pendleton´s Mack Bolan, auch SuperBolan genannt (147 Bände) ebenfalls 350 Seiten stark und 6 mal im Jahr.
Mittlerweile ist der Held als Vietnamveteran natürlich völlig anachronistisch, was aber in den Romanen geflissentlich ignoriert wird. Bolan ist wie James Bond alterslos geworden. Die "Philosophie" seines Schöpfers und die zyklische Handlung ist zugunsten pausenloser Action und völlig in sich abgeschlossener, beliebiger Einzelromane zurückgefahren. Mack Bolan und seine Kollegen schützen im Auftrag des Präsidenten Amerika ununterbrochen vor dem nächsten Terrorangriff, knallen reihenweise islamische Terroristen und zur Abwechslung auch mal mexikanische Drogenbarone, amerikanische (oder auch deutsche) Neonazis, russische Mafioso oder abtrünnige Söldner politisch korrekt ab. Und wehe dem Autor, der die Sprache der Waffenfetischisten unter den Lesern nicht richtig beherrscht. Wer glaubt, dass Perry Rhodan-Fans pingelig sein können, wenn der Schutzschirm die falsche Farbe hat, sollte sich mal die bösen Leser-Kommentare in den einschlägigen Foren durchlesen, wenn die falsche Munitionssorte für die falsche Knarre genannt wird.
In Deutschland gab der Executioner ebenfalls ein Gastspiel, aber hierzulande geriet der Erfolg schnell ins Stocken. Innerhalb der Reihe Heyne-Crime bekam die Serie schon 1972 eine eigenständige Aufmachung unter dem Titel Der Mafia-Killer. Aus Mack Bolan wurde Mark Bolan, weil es für deutsche Ohren eingängiger war, die Covergestaltung war einheitlich und zum Zweck der Serienidentität stand größtenteils das Wort Tod im Titel. Todesgrüsse aus der Hölle, Todesfalle in der Folterkammer, Todespanik in Philadelphia, usw. Aber die Serie verschwand nach 15 Bänden vom Markt.
Angeblich ein weiteres Opfer des Jugendschutzes, was vorstellbar ist, sah die Bundesprüfstelle bei Themen wie Selbstjustiz gern rot. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen wie beispielsweise im Neue Revue Thriller oder den gelben Ullstein-Krimis zumeist in der Übersetzung schwer gesäubert - fand der größte Teil dieses Genres danach keinen Weg nach Deutschland.
Der Einfluss, den Don Pendleton auf die amerikanische Popkultur hatte, darf jedoch nicht unterschätzt werden. Er war der Erste, der den Vietnamveteranen in den Mittelpunkt einer Geschichte stellte, und im Gegensatz zu der späteren stets gebrochenen Figur des psychisch angeknacksten Dschungelkämpfers war sein Protagonist als amerikanischer Held gedacht. Er inspirierte eine wahre Flut von Büchern, Filmen und Comics. Von Rambo bis Frank Castle, dem Punisher aus den Marvel Comics, letztlich lassen sie sich alle auf Mack Bolan zurückführen.
- 1 Zivilklage Ainger vs Michigan Corp.
- 2 Zitat nach "The Executioner War against the Mafia"
- 3 Eigenauskunft des Autors
- 4 Die Bände 29-32 und 38 wurden teilweise oder ganz von Michael Newton verfasst, der noch heute Romane zur Serie beisteuert.
- 5 Brad Mengel: Serial Vigilantes of Paperback Fiction: An Encyclopedia from Able Team to Z-comm, McFarland 2009
- 6 Beide Serien wurden 1991 eingestellt
Kommentare
Beide Serien sind sehr actionbetont, lassen sich aber gut und flüssig lesen. Leider wurden die Serien hierzulande bisher noch nicht "entdeckt". MAX MAX mit Mel Gibson ist im Vergleich dazu nur ein schlechte Kopie. DEATHLANDS hat da ein weitaus besseres Personenpotenzial.
www.mackbolan.com. Dort sind auch andere Serien gelistet ... alles in englischer Sprache natürlich.
Da sträubt sich mir alles, wenn jemand drei Filme von 1979, 1981 und 1985 im Vergleich zu einer 1986 begonnenen Reihe "eine schlechte Kopie" nennt. So wie damals, als ein paar Halbwüchsige das "Model" von Kraftwerk für eine seeehr schwache Coverversion des Songs von Rammstein hielten.
Viele James Axler-Bücher gibt´s bei amazon - alle mit entsprechenden Inhaltsangaben, bei wikipedia gibt´s auch eine DEATHLANDS- und eine OUTLANDERS-Seite mit Hintergrundinfos und Titelliste und dann noch www.jamesaxler.com
Daran ist nichts Schlimmes. Und wenn da oben stünde: "Leider wurden die Serien hierzulande noch nicht entdeckt, obwohl MAD MAX mit Mel Gibson damit verglichen ziemlich blass wirkt" - daran gäbe es auch nichts auszusetzen. Aber das mehr oder weniger deutliche Vorbild der Postapokalypsen "im Vergleich eine schlechte Kopie" zu nennen - von jemandem, der mit gezieltem Einsatz von Sprache seinen Lebensunterhalt verdient, hätte ich dann doch ein wenig mehr erwartet.
leider wurde die serie -the executioner-nicht komplett auf deutsch ,habe sie aber in engliesch 1 bis 29:command strike von 1977.auf flhomärkte leicht zu finden.ich mag solche action geschichten
@Andreas
Hast Du eine Liste der, wie Du schreibst, 15 Heyne-Titel?
Gab es zwei Prozesse? Erstmal einen, den Pendleton gegen Pinnacle gewann und sich damit die Rechte an seiner Serie sicherte, und dann einen des Käufers des Verlags gegen den alten Eigentümer, als der Käufer verstellte, dass der von ihm gekaufte Verlag gar nicht die Eigentümer-Rechte an der Erfolgsserie (die wohl das Kaufargument war) hatte?
Anfang der 80er soll Pendleton dann ka seine Rechte an Harlequin veräussert haben.
(Den Rechtsstreit mit Pinnacle soll es nach Roman 15 gegeben haben, vielleicht war die Techteunsicherheit Einstellungsgrund bei Heyne?)
Ich habe nie eine Liste gemacht. Sieh mal hier nach www.volker-niermann.de/krimis/ oder bei Trivialitas, da sind die Heyne-Krimis gerade als Laufband anzuklicken. Da sind die Bücher leicht zu finden. Die erste Nummer war Heyne 1469.
Das mit dem Rechtsstreit ist kompliziert, da kamen wohl der Verkauf und Pendletons Versuch, die Serie zur New American Library zu bringen, zusammen. Das kann man in diesem Gerichtsdokument nachlesen. Das trug sich 1973 zu, 74 hatten sich Pendleton und Pinnacle geeinigt, größtenteils zu Gunsten des Autors. Darum konnte er ja auch zu Harlequin gehen, als Pinnacle den Bach runter ging. Obwohl er nie wieder einen Band schrieb.
Da die letzte Übersetzung mit Bd. 15 erst 75 erschien, da gab es schon 6 neue Bände, ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass das der Grund für die Einstellung war.
Letztlich kann man da nur spekulieren. Vielleicht war es eine Indizierung, vielleicht auch schlechte Verkaufszahlen oder zu hohe Lizenzforderungen. Zu der Zeit gab es bei den Heyne Krimis auffallend viele Neuausgaben, immer ein Zeichen, das gespart wurde. Die Lektoren von damals sind alle verstorben, der Rest ist Hörensagen.
Die Serie selbst gibt tatsächlich immer noch. Die Einstellung von vor zwei Jahren wurde kommentarlos zurückgenommen. Angeblich soll es mal wieder einen Hollywood-Film geben, vielleicht darum. Aber es sind nur noch vier Bücher im Jahr und 2017 soll endgültig Schluss sein. Man wird sehen.
Schau doch mal hier nach:
www.zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches/gedrucktes-mainmenu-147/21324-eine-legende-wird-vierzig-jahre-alt-die-daemonenkiller-chronik-3
Ich hatte damals ein wenig über die Bücher berichtet, da sie ja ein wenig als Titelnamengeber gewirkt hat und dabei natürlich auch die 15. Ausgaben bei Heyne aufgelistet...
Danke an Euch beide!