Privatdetektive und private Ermittler: Ein Interview mit dem Autor ERWIN KOHL
ERWIN KOHL
Durch's Lesen, ganz klar. Ich habe bereits in der Kindheit Romane von Christie, Chandler oder Hitchcock verschlungen, später mehr und mehr deutsche Autoren bevorzugt. Mich reizte es immer wieder, Dinge anders zu beschreiben, Handlungen anders anzulegen als die Kollegen.
Das Schönste am schreiben ist für mich aber der "fiktive Schöpfungsakt", die Möglichkeit also, Figuren mit all ihren Facetten entwickeln und möglichst lebensnah zu kreieren.
Man denke nur an die modernen Kommunikationsmethoden und - ganz wichtig - der Fortschritt in den Bereichen Technik und Forensik, den sich die Polizei heute zunutze macht. Generell, meine ich jedenfalls, sollten Autoren sich weniger an Vorbildern orientieren als vielmehr ihren eigenen Stil suchen.
Im Jahre 2003 erschien mein Debütroman mit dem Titel: "Der doppelte Mord" im Betzel-Verlag, den es seit einigen Jahren nicht mehr gibt.
Damals wurden die ersten Windenergieanlagen am Niederrhein gebaut. Einer ihrer Betreiber wird an einem Pendlerparkplatz tot aufgefunden, Selbstmord. So zumindest scheint es Aber natürlich trügt der Schein, war das Opfer doch schon vorher tot. Einen postumen Selbstmord gibt es nicht, also nimmt Heinrich Grimm die Ermittlungen zu seinem ersten Fall auf.
Ja, er war bis zu seinem letzten Fall ("Die Motte") ein guter Polizist, einer der auf fast romantische Art an das Gute im Menschen glaubt, obwohl er immer wieder eines Besseren belehrt wird. Er schätzt den offenen, direkten Umgang, ermittelt sehr penibel mit dem besonderen Blick für Details, den man nicht erlernen kann. Genau das macht seinen kriminalistischen Spürsinn aus.
Konrad Walther alias "Camel" mischt bei allen Fällen in irgendeiner Form mit, sehr zum Unwillen Heinrichs. Die skurrile Figur sorgt nicht nur für humoristische Einlagen sondern bietet die Möglichkeit, jenseits der polizeilichen Grenzen Fakten einzusammeln, Fälle ins Rollen zu bringen oder ihnen entscheidende Wendungen zu geben. Er kann gleichsam als reine Nebenfigur, als auch als Taktgeber der Geschichte genutzt werden.
Auf jeden Fall. Ein Roman lebt von Konflikten und so habe ich die Figuren Gertrud Grimm / Camel auf der einen und Heinrich Grimm / Annette Gerland von Beginn an positioniert.
Erste zarte Bande knüpft er gleich zu Beginn, also im Roman "Der doppelte Mord", mittlerweile leben sie zusammen.
Der Plot lag mir am Herzen und ich habe den Roman mit sehr viel Vergnügen geschrieben. Vor allem die Recherchen waren hochinteressant. Was anmutet wie ein Science-Fiction Roman, ist bis zum zweiten Drittel Realität, erst danach habe ich die Möglichkeiten "weitergedacht" oder einfach konsequent durchgespielt.
Die Handlungen dieser Reihe auf einen eingeschränkten ländlichen Bereich einzugrenzen, wäre unglaubwürdig. Diese Fälle würden niemals von Heinrich Grimm und der Weseler Kripo ermittelt.
Die Verbindung mit dem Betzel-Verlag war beendet und ich hatte die Ideen zu "Zugzwang" und "Grabtanz", dem zweiten Band der Reihe. Ich bin der Meinung, man sollte seine Ideen verwirklichen, das schreiben, was man selber gerne lesen würde ohne Rücksicht auf bestehende Reihen oder Figurenensemble.
Er ist fünfzehn Jahre jünger, heißblütiger, in Düsseldorf aufgewachsen, Heinrich ist eher analysierdend, besonnener und auf dem Land in Sonsbeck-Hamb groß geworden. Joshua ist Boxer und Motorradfahrer, Heinrich wäscht samstags seinen Opel auf der Garagenauffahrt.
Beruflich sind die Unterschiede nicht sehr groß. Sie sind beide Hauptkommissare und ermitteln bei Mordfällen. Privat trennen die beiden Welten.
Joshua lebt mit Frau und zwei Kindern glücklich in Krefeld, Heinrich hat vor einigen Jahren seine Frau verloren, lebt mit seiner Freundin im Haus seiner Mutter.
ein Teil der Leserschaft. Man könnte sagen: Wir haben die "Grimms" vermisst. Aber der wahre Grund ist wieder die Idee zur Geschichte, in diesem Fall zum Roman "Die Motte". Dass die Handlung in meinem Geburtsort angesiedelt ist und ich bei der Recherche in der eigenen Kindheitserinnerung kramen konnte, kam als weitere Motivation hinzu, dieses Projekt zu verwirklichen.
Aber der "Mord vom Lande" passte natürlich nicht zum LKA-Team um Joshua Trempe. Da habe ich dann kurzerhand und mit viel Freude auf mein bestehendes Team zurück gegriffen.
Der offizielle Grund in der Handlung war ein Trauma (Heinrich hatte im Roman "Im Nebel des Krebses" einen Menschen erschossen), von dem er sich nicht mehr lösen konnte.
Der Grund für mich als Autor war, dass seine Mutter die Handlung mehr und mehr dominierte und ich mich dazu entschlossen habe, sie endgültig zur Hauptfigur zu "befördern".
"Mutter Grimm" ist Krimifan durch und durch, nicht nur literarisch. Und sie ist die Mutter eines, mittlerweile pensionierten, Hauptkommissars. Ihrer Ansicht nach unterscheidet sich die Realität kaum von einem guten Kriminalroman, wenn man mit dem richtigen Spürsinn vorgeht.
Was die Polizei in ihren Augen oft genug vermissen lässt. Da sieht sie es geradezu als ihre Bürgerpflicht an, helfend einzugreifen. Um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, ist der Seniorin jedes Mittel recht, vor allem dann, wenn "Verdacht im Verzug" ist.
Man könnte sie als eine Miss Marple-Adaption sehen. Zur Figur gehört es daher auch, nicht nur ihrem Sohn, sondern auch der Polizei am Ende überlegen zu sein.
Sie nervt Heinrich unglaublich, er würde am liebsten zu Hause ausziehen. Aber er weiß auch, dass sie nicht alleine leben könnte, sie den sozialen Umgang braucht wie die Luft zum Atmen.
Umgekehrt sieht Gertrud Grimm ihn wieder als ihren kleinen Sohn, versucht seit dem Tod seiner Frau wieder in die angestammte Rolle der Erzieherin zu schlüpfen. Ein Vorhaben, dass nicht nur zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch für reichlich Zündstoff sorgt.
Er hat ihr jahrelang vorgeworfen, illegale Nachforschungen anzustellen. Mit der Detektei legalisiert sie vieles. Im Grunde aber willigt er ein, weil er davon überzeugt ist, seine Mutter damit künftig vor gefährlichen Situationen zu bewahren. Denn nach seiner Erfahrung beschäftigt sich der gewöhnliche Detektiv auf dem Lande überwiegend mit Kaufhausdiebstählen, Untreue und ähnlichen Bagatellen. Aber keinesfalls mit Mord. Dachte Heinrich ...
Inspiriert hatte mich der Raub des Flicksarges samt Inhalt. Ich habe mich gefragt, welches Motiv dafür herhalten könnte und kurz darauf stand der Plot zum Hornveilchen:
Leise Stimmen und seltsame Geräusche dringen durch die Dunkelheit. Eine menschliche Rippe, spiegelverkehrte Grabbepflanzung - für Charlotte Gesdonk gibt es keinen Zweifel. Aber warum?
Das leere Grab eines angesehenen Professors der kirchlichen Hochschule, ein fingierter Raubzug über den Friedhof und ein mysteriöser Beobachter, der unverhofft auftaucht und plötzlich für immer verschwindet. Welches Geheimnis birgt der Tote vom Annafriedhof? Und wo befindet er sich?
Gertrud Grimm bleibt nicht viel Zeit. Ihr Sohn glaubt an seinen Schulfreund. Er hat kein Motiv. Niemand hat ein Motiv. Oder doch?
Es ist im August sowohl als Ebook für den Kindle als auch in der gedruckten Version beim Droste-Verlag erschienen und steht seitdem in den Regalen der Buchhändler.
Als Autor kann ich mich der Entwicklung selbstverständlich nicht verschließen. Als Privatmann kommen elektronische Bücher für mich nicht infrage, ich verbringe bereits beruflich sehr viel Zeit vor dem Bildschirm.
Insgesamt stehe ich der Entwicklung sehr skeptisch gegenüber. Ebooks bedrohen nicht nur die Buchhandelslandschaft, sondern bergen auch die Gefahr der illegalen Vervielfältigung sowie des Preisdumpings, was sich dann zwangsläufig über kurz oder lang auf die Qualität auswirken würde.
Nein, noch nie. Bei den Kurzkrimis handelt es sich um abgeschlossene Geschichten mit jeweils eigenem Figurensatz.
Für dieses Jahr ist ein weiterer Krimi aus der Grimm-Reihe bereits fertig geschrieben. Was als Nächstes kommt, überlege ich gerade. Vielleicht mal ein eigenständiger Thriller oder eine völlig neue Reihe.
Kommentare
Tolles Interview!