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Mörder im Krieg - »Foyle's War«

1Mörder im Krieg
»Foyle's War«

In den letzten Jahren haben sich viele britische Krimiserien auch hierzulande ein festes Publikum erobert. Ob nun eher humorvoll angehauchte Mörderjagden wie Inspektor Barnaby, Literaturverfilmungen wie Inspektor Lynley oder finstere Noir-Epen wie "Luther", für jeden Geschmack ist etwas dabei. Nur "Foyle's War" fand offensichtlich keinen Gefallen bei den öffentlich-rechtlichen Redakteuren.


1Vielleicht ist der Grund für diese Nichtbeachtung ganz profan. Zu wenig Sendeplätze und zu hohe Forderungen der Produzenten. Vielleicht ist es aber auch die Befürchtung, dass die Thematik beim deutschen Zuschauer auf wenig Gegenliebe stößt. Kannibalistische Serienkiller sind okay, aber die patriotisch verbrämte Geschichte eines britischen Polizisten im Zweiten Weltkrieg, der sich mit Mördern, Schwarzmarktprofiteuren und deutschen Spionen herumschlagen muss, da gibt es dann doch möglicherweise Befindlichkeiten. Was es nun auch ist, ein Grund mehr, die Serie mal vorzustellen.

Erschaffen, größtenteils geschrieben und produziert von Anthony Horowitz lief "Foyle's War" 2002 an, wurde 2007 eingestellt und 2008 nach Zuschauerprotesten und Quoten, die die Einstellung wirklich nicht rechtfertigten, wieder ins Leben gerufen, allerdings mit einem veränderten Konzept. Horowitz ist ein Autor, der in vielen Sätteln sitzt. Er hat zahlreiche Krimidrehbücher geschrieben, darunter das erste Drehbuch zur Adaption von Inspektor Barnaby, er hat viele Jugendbücher geschrieben, den ersten offiziell autorisierten Sherlock Holmes-Roman und demnächst einen neuen James Bond-Roman.

Gesendet wurden von "Foyle's War" bis jetzt 25 Folgen mit einer jeweiligen Lauflänge von 90 bis 100 Minuten.

1Die erste Folge "The German Woman" spielt im Mai 1940. Detective Chief Superintendent Christopher Foyle ist Veteran des Ersten Weltkriegs und arbeitet für die Polizei in der Hafenstadt Hastings. Zum wiederholten Mal vom Militär abgewiesen fügt er sich unwillig in sein Schicksal und bekommt es mit dem Mord an einer eingewanderten Sudetendeutschen zu tun. Erschwert wird die Untersuchung durch deutsche Bomben und die verständlicherweise starken antideutschen Ressentiments. Aber das ist nichts, von dem sich ein prinzipientreuer Mann wie Foyle abschrecken lassen würde.

Unterstützt wird Foyle von Sam Stewart, der der nun unterbesetzten Polizei vom Transport Corps als Fahrer zugeteilt wird – und die sich als junge Frau in Uniform herausstellt. Und dann ist da noch sein junger Kollege Paul Milner, der im Lazarett liegt, da er in Norwegen seinen Unterschenkel verloren hat und einer ungewissen Zukunft entgegensieht.

Im Mittelpunkt der Serie steht Foyle, der von Michael Kitchen gespielt wird. Kitchen, mittlerweile 65, hat in zahlreichen Filmen und Fernsehserien mitgespielt, meistens in Nebenrollen. International bekannt ist er vielleicht aus dem James Bond-Film "GoldenEye" oder aus "Out of Africa". Seine Karriere begann bereits in den 1970ern, wo man ihn schon in einer kleinen Rolle in "Dracula A.D. 1972" sehen konnte.

Sein Foyle ist ein stiller, ruhiger Mann, der scharf beobachtet und nicht korrumpierbar ist. Leidenschaft scheint ihm fremd zu sein, aber er kann auch kompromisslos handeln. Sein großes Hobby ist Fliegenfischen. Als Witwer hängt er sehr an seinem Sohn Anthony, der in einigen Folgen als Pilot der R.A.F. eine Rolle spielt. Kitchens zurückgenommenes und nuanciertes Spiel macht die Figur interessant und überzeugend; sie trägt die Serie mühelos. Es geht oft um die Frage, wie Ethik und Gesetz dem Ausnahmefall standhalten können, was in vielen Episoden zu Krisen der Moral in einer Demokratie thematisiert wird. Foyle ist unbeugsam mit seinen Prinzipien und kennt keine Abkürzungen, was für viele Konflikte sorgt.

1Samantha "Sam" Stewart wird gespielt von Honeysuckle Weeks. Ihre Rolle ist eigentlich die Undankbarste. Einerseits verkörpert sie die "neue" Frau, die in Uniform ihren Anteil am Krieg leistet, was in der Männergesellschaft nicht wirklich anerkannt wird, andererseits wird sie oft als Stellvertreterfigur und auch als komödiantisches Element eingesetzt. Ob sie nun ausgebombt wird, mit der Rationierung hadert oder sich in die Polizeiarbeit einmischt, die sie nichts angeht. Weeks ist hauptsächlich Fernsehschauspielerin; dem einen oder anderen Hardcore-Gruselfan mag sie vielleicht aus dem gescheiterten Horrorfilm "The Wicker Tree" bekannt sein.


Die Rolle des Paul Milner, der mit einer Beinprothese zurück in den Polizeidienst kehrt, wird von Anthony Howell verkörpert. Ebenfalls ein typischer Fernsehschauspieler dürfte er dem deutschen Publikum unbekannt sein. Zurzeit kann man ihn als "Lord Laurent" in der neuen wenn auch kurzlebigen Dracula-Serie bei Vox sehen. Seine Rolle verändert sich am Stärksten in der Serie. Zuerst ist er der Kriegsversehrte, den seine Verstümmelung letztlich seine Ehe kostet. Aber in den späteren Folgen hat das Thema den Autor weniger interessiert, und am Ende hinkt der Mann mit der Prothese nicht einmal mehr.

Wichtigster Hauptdarsteller ist natürlich England im Krieg. Da hat man weder Kosten noch Mühen gescheut, das realistisch darzustellen, und als Period Piece ist das großartig. Die Kostüme, die Frisuren und die Kulissen sind alle so authentisch wie möglich. Ob nun echte Spitfire vom Rollfeld abheben und aufs Meer hinausfliegen oder Landhäuser requiriert und in Lazarette verwandelt werden, es sieht echt aus. Aber in der Serie geht es nicht nur um die Kulissen, in den meisten Folgen ist der Krieg an der Heimatfront der Auslöser der Krimihandlung. In der Folge "They fought in the Fields" geht es um internierte Deutsche und die Arbeit der "Land Girls", aufs Land geschickte junge Frauen, die die Arbeit der eingezogenen Männer erledigen sollen. In "War of Nerves" geht es um korrupte Bombenentschärfer, die dem organisierten Verbrechen in die Quere kommen, weil sie Geld stehlen. Und in "A Lesson in Murder" geht es um den Tod eines Wehrdienstverweigerers. Es werden auch Themen wie die Strafverfolgung von Homosexualität und Selbstmordversuchen aufgegriffen, beides zu der Zeit schwere Straftaten. Und britische Nationalsozialisten und deren Umtriebe fehlen genausowenig wie die behördliche Schikane von Kommunisten.

1Natürlich ist das oft mit einer gehörigen und manchmal schwer verdaulichen Portion Pathos inszeniert. Die zweite Folge spielt im Mai 1940 vor dem Hintergrund Dünkirchen, und wenn die Fischer aus Hastings mit ihren Booten ausrücken, um ihre "Jungs" vom Kontinent zu retten, und mit den zerschundenen Überleben und Toten zurückkehren, bleibt kein Auge trocken.

Aber man muss dem Autor Horowitz auch zugutehalten, dass er das Element Krimi nicht aus den Augen verliert und keine Scheuklappen vor der Realität hat. Trotz des Krieges und der damit einhergehenden drastischen Veränderungen im Alltagsleben haben die meisten der dargestellten Verbrechen und "Murder Mysteries", die Foyle aufklären muss, ihre Ursache in ganz banalen Gründen. Hinter der patriotischen Fassade und dem "Wir sind im Krieg" werden die üblichen banalen und meistens erbärmlichen Verbrechen verübt, ob es nun Profitgier oder der Hass auf die untreue Ehefrau ist. Und die Aufklärung spielt nach klassischem Muster. Foyle verhört die Verdächtigen, beobachtet, sammelt Informationen und entlarvt am Ende den Mörder mit der üblichen Präsentation der "Clues" wie seinerzeit Poirot.

Nachdem die ersten 16 Folgen die Jahre 1940 bis März 1943 sozusagen abgearbeitet hatten, kam überraschend das Aus für die Serie. Die letzten drei in Auftrag gegebenen Folgen hatten den Rest des Krieges zum Inhalt, die damals letzte Folge 2008 spielt im Mai 1945 inmitten der Siegesfeiern. Im Nachhinein ist das sehr bedauerlich, hätte es doch noch so viel Stoff gegeben.

1Der neue Produktionschef des Senders ITV gab der Serie eine neue Chance. Statt nun die fehlenden Jahre zum Thema zu machen, beschlossen Horowitz und die Produktionsfirma, die Nachkriegszeit zum Thema zu machen und Foyles Geschichte nahtlos weiterzuerzählen. In "The Russian House" geht es um fahnenflüchtige russische Soldaten, die von der britischen Regierung erbarmungslos nach Stalins Russland und in den Tod zurückverfrachtet werden. Foyle verlässt den Polizeidienst 1946 und wird mehr oder weniger freiwillig vom Geheimdienst verpflichtet, wo er es in der bisher letzten Staffel 2013 nun mit russischen Spionen, Doppelagenten und untergetauchten Nazis zu tun hat. Auch wenn der Beginn des Kalten Krieges sicher viel Stoff für neue Fälle bietet und die Folgen noch immer spannend und sehenswert sind, haben sie dennoch etwas an Zugkraft verloren. "Foyle's War" war auf seine Weise einzigartig, während das Fahrwasser von Le Carré, dem hier kräftig nachgeeifert wird, doch recht abgegrast ist.

Die Serie gibt es in 7 DVD-Boxen, für 2015 sind drei neue Folgen angekündigt, die es bald nach der Ausstrahlung wie üblich auf DVD zu kaufen geben sollte. Leider sind die ersten Sammlungen nicht untertitelt, was manchmal ein Manko ist.

Sehenswert ist das allemal, auch wenn das Thema für unsere Geschmäcker vielleicht tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftig sein mag. Auch wenn das kein Grund ist, sie dem deutschen Publikum vorzuenthalten.

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