Warum haben Sie nicht Evans gefragt? - Agatha Christie im Fernsehkleid
Warum haben Sie nicht Evans gefragt?
Agatha Christie im Fernsehkleid
Sie beginnen gemeinsam, Nachforschungen über den Toten anzustellen, die bald Ungereimtheiten ergeben und nur einen Schluss zu lassen: Es war Mord! Bobby und Frances stürzen sich in ein gefährliches Abenteuer, bei dem sie ihr Leben aufs Spiel setzen … (1)
Die Lady of Crime, Agatha Christie, mochte es nicht, wenn ihre Stoffe für das Fernsehen adaptiert wurden. Ungute Erfahrungen qäulten Sie bei dem Gedanken, daß ein Roman von ihr im TV realisiert wurde. Dafür waren in der Vergangenheit Regiefehler verantwortlich. So sah man u.a. Leichen im Blickwinkel der Kamera wieder aufstehen und weggehen. Ausserdem beschwerte sich die englische First Lady des Krimis über das mikrige und proportional schlechte Bild eines Fernsehschirms. Darum wurden für das Fernsehen die meisten Ihrer Romane erst nach dem Tod Christies adaptiert. Die Erben achteten aber darauf, daß bei der Rechtvergabe nichts schief ging. So kam es, dass zumindest die ersten Verfilmungen nach ihrem Tod werkgetreu umgesetzt worden. Dazu zählen zwei Zweiteiler, die ich zu den besten Werken der Britin zähle. Neben "Mord im Orient-Express". Das ZDF strahlte die britischen Produktionen im Jahre 1981 aus. Von Wiederholungen sah man danach bedauerlicherweise ab, weswegen diese Werke bei einigen Zuschauern schnell in Vergessenheit gerieten. Doch mir hatten sich diese Zweiteiler eingebrannt. Nicht zuletzt wegen der genialen Titel. "Warum haben Sie nicht Evans gefragt" ist die Umsetzung des Romans "Why Didn't They Ask Evans?", der in Deutschland unter dem nichtssagenden Titel "Ein Schritt ins Leere" erschien.
Die deutschen Verlage erkannten die geniale Einfachheit des Originaltitels einfach nicht (2)
Die Handlung spielt im Jahre 1934 und wurde behutsam umgesetzt. Der 300 Seiten-Roman umfasst im Film eine Laufzeit von mehr als 3 Stunden. Das ist nach den heutigen Maßstäben eine normale Spielfilmlänge. Damals wurde dieser Aspekt zunächst kritisch aufgenommen. Tatsächlich zeigt sich, dass man die Handlung in drei Stunden besser erzählen kann, als in 90 Minuten. Aber als geübter Zuschauer erkennt man Längen dort, wo eigentlich keine sein müssten. So entkommt der Täter zweimal, bevor Frances ihm ein Geständnis ablocken kann. Dieses doppelte Ende verkompliziert die sowieso nicht ganz so einfache Handlung am Ende nochmal ein bißchen. Aber wie bei Agatha Christie üblich paaren sich Krimispannung im Whodunit-Stil mit der Frage nach dem Motiv und dem Mordablauf. Dazu gibt es Humor, etwas Action am Schluss, vornehme, britische Verhaltensweisen und ein Minimum an Sex.
„Spannende Mischung aus Komödie und Thriller!“ (3)
Die Auflösung ist nicht untypisch für Christie, dessen Romane am meisten überzeugten, wenn kein Serienheld wie Hercule Poirot die Ermittlungen übernahm. Es geht um eine Erbschaft und windige Verbrecher, die sich dieser habhaft machen möchten. Die Liebe ist dabei eines der großen Motivationen für die Taten. Meistens stolpern Mr. Poirot oder Miss Marple in ihrem alltäglichen Leben, beinahe täglich über Leichen. Hier sind es keine Detektive, sondern gelangweilte Reiche, die sich des Falles annehmen. Die Story wirkt glaubwürdiger, da Ihnen die Begegnung mit einem Verbrechen kein zweites Mal passiert.
Die Darsteller überzeugen allesamt. Den Hauptpart bilden Francesca Annis als Hobbydetektivin. Nicht selten waren Chrisities Ermittler weiblich. Im Unterscheid zu Miss Marple ist Frances Derwant allerdings eine junge Detektivin. James Warwick speilt den jugendlichen männlichen Hauptpart, der gegen die ernergische Heldin allerdings etwas verblasst. Großer Name im Ensemble ist Oscar-Preisträger John Gielgud, der schon im Christie-Klassiker "Mord im Orientexpress" mitwirkte.
Die Doppel-DVD von Pidax bietet ausser dem Film ansich noch ein umfangreiches Booklet von Hans Schaffner mit Texten von Markus Jüngling. Dort auch die Geschichte wie die Queen of Crime auf die Idee zu diesem Krimi kam. So habe ein Freund nach dem Lesen eines Buches ausgerufen "Nicht schlecht, aber warum um alles in der Welt haben sie nicht Evans gefragt?". Allein auf diese Frage baute Christie die Krimihandlung auf.
Warum haben Sie nicht Evans gefragt?
(1)= Klappentext
(2)= Markus Jüngling
(3)= Hamburger Abendblatt 1981
Kommentare
Ich habe die Geschichte in der Marple-Box von 2008. Und da ist sie schwer umgeschrieben worden. Das sind 90 Minüter, sehr schön gemacht, was den Schauwert angeht. Aber Christie-Puristen werden sich die Haare sträuben. Die Geschichten sind teilweise stark verändert. Das fängt mit der Epoche an, Marple spielt in den 50ern. Aber "Evans" war trotzdem ganz gelungen.
Aber eine Lanze möchte ich dann doch für die Titelgebung brechen Wenn man sich mal das Layout der damaligen Christies ansieht, bei Scherz und bei Goldmann, dann gab es keine so langen Titel. Geniale Einfachheit hieß 1955 eingedeutscht und knapp . Klar kam dabei auch solcher Blödsinn wie "Der rote Kimono" für "Mord im Orient-Express" raus, vermutlich der größte Brüller unter den Christie-Titeln