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Schimanskis Fälle: Tatort und der Fall Schimanski - Eine Einführung

Schimasnkis FälleTatort und der Fall Schimanski
Eine Einführung

Gibt´s denn sowas? Ein Kommissar der ständig Worte wie "Scheiße", "Blödmann", "Idiot" und "Arsch" flucht? Die erste Szene des neuen Tatort vom WDR war schon befremdlich. Es war 1981. Eine Zeit, in der weitesgehend Tristesse herrschte. Politisch war Eiszeit zwischen West und Ost. In der BRD war gerade die Zeit des RAF-Terrors zum Großteil überstanden. Man besann sich auf Tugenden wie Fleiß und Qualität. Am Arbeitsplatz hatte man zu spuren oder man flog.


In der Schule wurden einem die Unmoral die Ostens und die Vorzüge des kaptalistischen Westens eingebläut bis zur Vergasung...

Da kam dann ein Hauptkommissar Schimanski, der mit allen was Recht und Ordnung war aufräumte. Er erreichte seine Ziele auf unkonventionelle Art. Und wenn er in der ersten Szene so in seiner dreckig-speckigen Küche steht (so wie wir sie eigentlich nur aus "dem Kommissar" kennen, der in den späten 60ern und frühen 70ern lief) so umkommt uns das typische Gefühl der 80er Jahre. Wer die Wiederholung sieht, der fühlt sich prompt zurück versetzt. Nicht nur aus diesem Grund ist die Schimanski-Ära im Tatort oft Gegenstand medienwissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Schimanski passte in diese Zeit wie sie nicht passte. Der Held war ein typischer Spät-68er. Lange Matte und Schnauzbart, athletische Figur. Das war in den frühen Siebzigern modern. Schimanski ritt noch auf dieser Well und unterschied sich so mit merklich von seinen Mitspielern - den Kollegen - wie Eberhard Feik, der Thanner war und stets mit Schlips oder Fliege und Kragen auflief. Thanner war da in keinster Frage diskutabel. Er war eben Thanner und der Freund Schimanskis. Karl-Heinz von Hassel dagegen, der einige Zeit später im Tatort den Kommissar Brinkmann spielte wurde für seine Fliege verachtet und gerügt.

Als Hansjörg Felmy seinen Rückzug vom Tatort ankündigte trat man mit einer neuen Idee an Götz George heran. Der nahm ganz beunruhigt den Hörer in die Hand und sagte, dass er sowas nur spielen werde, wenn er ein Kommissar sein dürfte, der schmuddelig ist. Einer der in seiner Jacke pennt, wenn es sein muss und um Gottes Willen keinen Trenchcoat trägt. George hoffte daraufhin inständig, das man ihn ablehnen würde. Doch der Produzent am anderen Ende der Leitung sagte "...genauso machen wir es." Denn Georges Vorstellungen waren größtenteils schon vorhanden im ersten Drehbuch. Er wollte jedoch eine Militätjacke als Markenzeichen, was die Produzenten ablehten.

"Leute, dann scheitert es schon am Kostüm" (1),

sagte George und man kam zum Kompromiss mit der bekannten Schimanski-Jacke. Ein Markenzeichen des Kommissars wie der Trenchcoat von Columbo oder Felmy, die Pilotenbrille von Derrick oder das Auto von Matula. Nur eben das genaue Gegenteil. Schmuddelig und dreckig war ide Jacke, x-mal gewaschen und in einer Folge wurde sie sogar zerfetzt.

Der Kreator und erste Drehbuchautor hieß Hajo Gies. Er führte auch schon bei einigen Haferkamps Regie und Hansjörg Felmy hatte keine große Freude mit ihm. Gies wusste um das Experiment Schimanski und war sich eigentlich sicher, dass man höchstens drei Folgen machen würde und dann raus flog. Doch der Erfolg war immens. Die Schimanski-Tatorte brachten es  auf die Zahl 29. Kein anderer Ermittler hatte bis dato soviele Einsätze im Tatort. Hansjörg Felmy kam auf 20.

Das Wort "Scheiße" sagte Schimanski relativ oft. Viele fanden das gelinde gesagt "scheiße". Andere fanden es klasse. So spaltete sich das Tatort-Lager schnell in zwei Hälften. Die einen konnten nichts finden an Schimanski, andere (und zwar die Mehrheit) verschlang jede Folge. Auf der Website "Tatort-Fundus" steht "Er machte das Wort "Scheiße" saloonfähig".

Wer soviele Krimiserien wie ich geschaut hat hat, der weiß dass dies nur bedingt stimmt. Okay. In Serien wie "Der Kommissar" oder "Derrick" kamen solche Wörter so gut wie nie vor. Selbst die übelsten Gangster sprachen schlimme Wörter geradezu nett aus. Aber bei einem Drehbuchautoren wie Herbert Reinecker (Jahrgang 1914) war so etwas eben nicht möglich. Serien wie der "Alte" und "SOKO 5113" aber auch andere TATORT-Fälle waren da aber schon lange vor Schimanski mutig. Vor allem die "Soko"-Ermittler wie Diether Krebs und Werner Kreindl fluchten schonmal ein "Scheiße" durch die Lippen oder bezeichneten den Vorgesetzen Kriminalrat Stanelle als Arsch. Der Unterschied zu Schimanski war lediglich, dass er es seinem Vorgesetzten auch ins Gesicht sagte.


Die Dialoge, die man Schimanski auf den Leib schrieb, waren nicht so besonders, nicht so augeklügelt und nicht so geschliffen wie bei anderen Kommissaren. Auf ein Ausspruch "Wie du Idiot" konnte eben nichts intelligenteres folgen als ein "ach Mensch, hör doch auf". In einer Folge sagte er einmal sogar, dass die ganze Welt ein riesiger Arsch war mit einer rechten Arschbacke, die den Russen gehöre und einer linken Arschbacke, die den USA gehöre. Europa sei das Arschloch. Das war Ende 80er Jahre.

Und war Schimanski denn nun mehr Krimi als Komödie oder umgekehrt? Das war sicher in weiten Teilen Komödie und Parodie. Die Kriminalfälle waren oft zu gewöhnlich um interessant und spannend zu sein. Die Figur Schimanski war interessanter.Die Fälle spielten alle im Ruhrpott und hatten zum Teil mit Bergbau und Tagelöhnern zutun, mit Binnenschiffern und mit leichten Mädchen in Hafengegenden. Und Schimanski war einer von Ihnen, wohnte mittendrin.

Wollen wir nun einen Blick zurück werfen auf 29 Tatortfälle.

Als Krimis waren die meisten Schimanski-Tatorte eher schlecht. Der Unterhaltungswert der Figur jedoch kam an und brachte der Serie die hohen Einschaltqouten und einen neuen Ruhm. "Tatort" - bisher nur geschaut von der spießbürgerlichen Seite der Gesellschaft, von Mutti, Vati und den Großeltern wurde nun auch für das junge Publikum attraktiv. Obwohl bereits in den 70er Jahren ein gewisser Zollfahnder Kressin (Sieghard Rupp) für Schlagzeilen im Tatort sorgte, war Schimanski anscheinend so neu, als hätte es Kressin nie gegeben.
Der "Tatort" war immer für Experimente gut. Klar ist heute, dass kein Tatort-Kommissar je so erfolgreich wie Schimanski. Keiner polarisierte auch so. Ein seltsamer Erfolg. und rückblickend betrachtet, sind die Schimanski-Tatorte auf alle Fälle noch als Zeitstudie sehr anschaulich. Als Krimis versagen sie noch immer.

Alle Schimanski-Tatort-Filme:

  • Duisburg-Ruhrort
  • Grenzgänger
  • Der unsichtbare Gegner
  • Das Mädchen auf der Treppe
  • Kuscheltiere
  • Miriam
  • Kielwasser
  • Zweierlei Blut
  • Rechnung ohne Wirt
  • Doppelspiel
  • Das Haus im Wald
  • Der Tausch
  • Schwarzes Wochenende
  • Freunde
  • Spielverderber
  • Zahn um Zahn
  • Gebrochene Blüten
  • Einzelhaft
  • Moltke
  • Der Pott
  • Blutspur
  • Katjas Schweigen
  • Medizinmänner
  • Zabou
  • Schimanskis Waffe
  • Unter Brüdern
  • Bis zum Hals im Dreck
  • Kinderlieb
  • Der Fall Schimanski

(1)= Götz George

Kommentare  

#1 Torshavn 2016-07-25 07:33
Die Figur des 'Schimanski' hat mich zum Tatort gebracht (und bis heute schaue ich jeden Sonntag).
Ich mochte und mag seine unkonventionelle Art. Für mich ist er ein echter Sympathieträger. Was aber ganz sicher auch an Götz George liegt. Ein Schauspieler, den ich schon immer gern geschaut habe, in allen seinen Filmen.

Viele Schimanski- Fälle habe ich als spannend und engagiert in guter Erinnerung.
Bewunderswert finde ich, wie Götz George diese Figur bis zu seinem Tod immer wieder verkörpert hat. Und für mich hat Schimanski auch mit 70 Jahren nie an glaubwürdigkeit verloren. Sie war immer 'echt'. Dank Götz George.

Sieghard Rupp war, für mich, als Kressin nicht so ein Sympathieträger (vielleicht weil er i den Karl May Filmen den Bösewicht gespielt hatte).

Und Til Schweiger als Tschiller ist für mich auch kein Vergleich zu Schimanski. Auch wenn Schweiger das gerne beschwört.
#2 Andreas Decker 2016-07-25 10:09
zitiere Torshavn:
Und Til Schweiger als Tschiller ist für mich auch kein Vergleich zu Schimanski. Auch wenn Schweiger das gerne beschwört.


Was viele Kreative oder ihre Vermarkter nicht gern hören, ist dass man solche Dinge eben nicht am Reißbrett planen kann. Eine Produktion wie Schimanski ergibt sich im Laufe der Zeit. Oder nicht. Darum ist auch so viel Zeitgenössisches so schrecklich beliebig.

Aber es stimmt schon, dass Schimanski als Krimi nie besonders gut war.

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