Morde im Vergnügungsviertel - »Das Phantom von Soho«
Morde im Vergnügungsviertel
»Das Phantom von Soho«
Dabei machte Gottlieb keinen Unterschied, von welchem Kriminalschriftsteller die Vorlage stammte. Losgetreten hatte den Trend ja bekanntlich die Verfilmung von Edgar Wallaces „Der Frosch mit der Maske“, und so fanden sich in den Kriminalromanen von dessen Sohn Bryan Edgar Wallace oder denen des sudetendeutschen Schriftstellers Louis Weinert-Wilton („Das Geheimnis der schwarzen Witwe“) schnell Epigonen, die man dem sensationslüsternen Publikum gewinnbringend verkaufen konnte. Franz Josef Gottlieb drehte dabei echte Wallace-Filme für Horst Wendlandts Rialto-Film („Die Gruft mit dem Rätselschloss“) und welche für Artur Brauners Konkurrenzstudio CCC Film („Der Fluch der gelben Schlange“, „Der schwarze Abt“), verantwortete für Brauner aber auch zwei Bryan-Edgar-Wallace-Adaptionen, die beide im Jahr 1964 in die Kinos kamen: „Das siebente Opfer“ und „Das Phantom von Soho“. An Gottliebs Beispiel zeigt sich recht deutlich die Austauschbarkeit der Geschichten, zumal sich auch auf den Besetzungslisten immer wieder die gleichen Darsteller finden. Im „Phantom“ sind dies u.a. die Edgar-Wallace-Veteranen Elisabeth Flickenschildt („Das Gasthaus an der Themse“) und Dieter Borsche („Die toten Augen von London“), der hier ausnahmsweise mal als Ermittler zu sehen ist.
Im Londoner Vergnügungsviertel Soho macht mal wieder ein Serienmörder von sich reden, der schnell den Spitznamen „Das Phantom von Soho“ erhält. Seine Opfer sind zumeist Männer, die mit einem Messerstich ins Herz ins Jenseits befördert werden. Chief Inspector Hugh Patton (Dieter Borsche) geht mit seinem Assistenten Sergeant Hallam (Peter Vogel) auf Ermittlungstour durch die Nachtclubs des Viertels, von denen insbesondere die „Sansibar“ unter Leitung der an den Rollstuhl gefesselten Joanna Filiati (Elisabeth Flickenschildt) seine Aufmerksamkeit erregt. Der dort arbeitende Messerwerfer Jussuf (Kurt Jaggberg) wird ebenso ein Opfer des „Phantoms“ wie der renommierte Lord Harold Malhouse (Hans Nielsen), der in einem Stundenhotel sein Leben aushaucht, als er mit der Hausfotografin der „Sansibar“, Corinne Smith (Helga Sommerfeld), intim werden will. Sir Philip (Hans Söhnker), der Leiter von Scotland Yard, steht gleichermaßen vor einem Rätsel. Immer dicht an seinen Fersen klebt die Kriminalschriftstellerin Clarinda Smith (Barbara Rütting), die sich dadurch neue Ideen für ihren nächsten Roman verspricht.
Obwohl „Das Phantom von Soho“ für seine Entstehungszeit erstaunlich erotisch und sexbetont ausgefallen ist (die Kinofreigabe war ursprünglich ab 18 Jahren, mittlerweile ist der Film von der FSK ab 12 Jahren freigegeben), entstehen bisweilen Längen. Originell ist die Schilderung der Morde aus der Sicht des Täters, die Kameramann Richard Angst einmal mehr trefflich eingefangen hat. In Peter Vogel wurde hier ein veritabler Eddi-Arent-Verschnitt gefunden, zumal dessen Figur deutlich ironischer und damit auch wesentlich witziger angelegt ist. Trotz großer Starbesetzung merkt man dem Wallace-Klon manchmal nur zu deutlich an, dass die schwächere Vorlage nur vom Sohn des Krimiautors stammt – wobei der angeblich zugrundeliegende Roman „Murder by Proxy“ wohl gar nicht existiert und Produzent Brauner hier lediglich von seiner Freiheit Gebrauch machte, den Namen Wallace für eine Verfilmung völlig frei zu verwenden. Ein Semi-Klassiker des deutschen Krimibooms, den man auch heute noch ohne Reue anschauen kann. Die DVD-Wiederveröffentlichung erfolgt nun erstmals als Single-DVD und in remasterter Qualität, was man dem gestochen scharfen und kontrastreichen Bild (im Widescreen-Format 2,35:1) durchaus ansieht. Auch der Ton (Deutsch in Dolby Digital 2.0) geht soweit in Ordnung. Als Extras hat man der DVD den verkleinerten Nachdruck der „Illustrierten Film-Bühne“ (Nr. S 6718) als achtseitiges Booklet mit zahlreichen Fotos, Stab- und Besetzungsliste, Inhaltsangabe und einer kurzen Chronologie des deutschen Kriminalfilms beigefügt. Auf der Scheibe selbst finden sich darüber hinaus eine kleine animierte Bildergalerie, zwei deutsche und ein englischer Trailer zum Film sowie ein Interview mit dem Regisseur Franz Josef Gottlieb aus den frühen 2000er Jahren (24 Minuten).