Die rechte Hand des Gangsters - »Parole Chicago«
Die rechte Hand des Gangsters
»Parole Chicago«
Vorlage für die dreizehnteilige Vorabendserie des Regionalprogramms des Südwestfunks Baden-Baden waren die Kurzgeschichten des amerikanischen Schriftstellers Henry Slesar (1927-2002; „Die Bestie aus dem Weltenraum“), die erstmals 1976 als Sammelband unter dem Titel „Ruby Martinson – Geschichten vom größten erfolglosen Verbrecher der Welt“ erschienen waren. Slesar war seinerzeit bekannt für selbstparodistische Kriminalliteratur, der er auch in „Ruby Martinson“ wieder aufs Vortrefflichste frönte. Die Geschichten wurden für die Fernsehserie aus New York ins Berlin des Jahres 1929 verlagert, in dem die beiden Möchtegerngangster-Hauptfiguren eifrige Kinogänger sind und dabei nicht nur ein Faible für Gangsterfilme, sondern auch für deren reale Vorbilder wie Al Capone entwickelt haben. Die Protagonisten besetzte Regisseur Reinhard Schwabenitzky („Büro, Büro“, „Didi, der Doppelgänger“) 1979 mit zwei aufstrebenden Jungschauspielern. Gottfried Vollmer („Büro, Büro“, „Kein Pardon“, „Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“) castete er vom Fleck weg als Schauspielschüler und verschaffte ihm damit den ersten Auftritt vor einer Kamera überhaupt. Mit Christoph Waltz („Inglorious Basterds“, „Django Unchained“) hatte Schwabenitzky bereits zuvor an zwei Fernsehfilmen („Der Einstand“, „Feuer!“) zusammengearbeitet, doch erst mit „Parole Chicago“ wurde der 1956 in Wien geborene Schauspieler dann zu einem neuen deutschen Fernsehstar, der mittlerweile auch in der internationalen Filmbranche zu den Top-Stars des Business zählt.
Die beiden Cousins Ede (Christoph Waltz) und Harry (Gottfried Vollmer) wecken nach außen hin den Anschein, liebenswerte junge Männer zu sein. Harry arbeitet im Büro eines Steuerberaters, Ede hat gerade eine Anstellung als Laufbursche für den Besitzer eines Modegeschäfts (Joachim Wichmann) bekommen. Doch insgeheim hält sich Harry für einen der härtesten und cleversten Gangster der Stadt. Immer wieder kommt er auf die ausgeklügeltsten Ideen, um illegal ans große Geld zu kommen. Für seine ausgefuchsten Pläne benötigt er stets seinen recht naiven, um nicht zu sagen doofen Cousin Ede, der sich widerwillig breitschlagen lässt, Harry in dessen Unternehmungen zu unterstützen. Das tangiert auch wiederholt Edes Liebesleben, denn seine aktuelle „Flamme“ (in fast jeder Folge nimmt ein neues hübsches Mädchen diese Rolle ein) will zumeist nicht einsehen, dass der intimen Zweisamkeit durch die Pläne Harrys immer wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht wird. Harrys Dauerfreundin Dorothee (Susanne Herlet) scheint da wesentlich geduldiger zu sein, vielleicht auch, weil sie mit ihrer Großmutter (Lisa Helwig) zusammenwohnt und in ihrer Freizeit Entspannung beim Klavierspiel findet. Trotz der cleversten Überlegungen scheitern die kriminellen Aktivitäten der Cousins immer schon auf halber Strecke, so dass diese am Ende stets erfolglos – und zumeist auch unschuldig – bleiben.
„Parole Chicago“ funktioniert auch heute noch vorzüglich als liebenswert gestaltetes Zeitgemälde aus dem Berlin der Goldenen Zwanziger Jahre, die mit großem Aufwand auf den Straßen der Metropole mit unzähligen Oldtimern und Statisten in zeitgenössischer Kostümierung nachgestellt wurden. Dazwischen gibt es immer wieder Szenen in der Stammkneipe der Cousins (aufgenommen im Fernsehstudio des SWF in Baden-Baden), in der die beiden ihre Pläne konspirativ aushecken und ohne Unterlass Himbeerbrause und Amerikaner (Ede stets in der Schoko-Variante) konsumieren. Diese charmanten Details gehen wohl ausnahmslos auf das Konto der deutschen Drehbuchautoren Heiner Schmidt („Loriot“), Urs Eplinius („MS Franziska“) und Harald Vock (unter seinem Pseudonym Sven Freiheit; „Sonderdezernat K1“, „Die Männer vom K3“), die die jeweils rund 25minütigen Episoden mit zahlreichen Ideen und gelungenen Gags angereichert haben. Am besten funktioniert diese neckische Gangsterserie aber vermutlich aufgrund der wunderbar getimten Inszenierung Reinhard Schwabenitzkys, die aus sämtlichen Schauspielern und insbesondere auch aus den beiden noch recht unerfahrenen Hauptdarstellern exzellente Leistungen herausholt, die einem auch heute noch ein Dauergrinsen ins Gesicht zaubern.
Die DVD-Wiederveröffentlichung der Serie im Label „Fernsehjuwelen“ erfolgt erneut auf zwei DVDs, die hier in einem Amaray im Schuber mit beigefügtem 28seitigem Booklet vorliegen. Dieses enthält zahlreiche Fotos sowie biografische Notizen zu den meisten Beteiligten von Oliver Bayan. Die Bildqualität der Episoden ist eher durchschnittlich, da sie zumeist recht grobkörnig und im Vollbildformat (1,33:1) auch leicht verzerrt wirken. Der deutsche Originalton (Dolby Digital 2.0 Mono) ist stets gut zu verstehen. Als weiteres Extra hat man ein Interview mit Gottfried Vollmer (35 Minuten) mit aufgespielt, das für die DVD-Erstveröffentlichung der Serie in der „Straßenfeger-Edition“ von Studio Hamburg im Jahr 2011 gedreht worden war.