Scheinbar normale Leute - »The Boys Next Door«
Scheinbar normale Leute
»The Boys Next Door«
Die Punkerin Spheeris, die später aufgrund ihres Erfolgs mit dem Film „Wayne’s World“ als Komödienregisseurin festgelegt werden sollte (und in dieser Funktion weitere Hits wie „Die Beverly Hillbillies sind los“ oder „Die kleinen Superstrolche“ verantwortete), hatte zu Beginn ihrer Karriere ihre Beziehungen zur alternativen Musikszene genutzt, um zunächst den Dokumentarfilm „The Decline of Western Civilization“ zu inszenieren. Mit „Suburbia“ blieb sie der Punk-Thematik treu, verlagerte diese hier allerdings in die Fiktion. Ihr damaliger Produzent Roger Corman hatte darauf bestanden, dass die Handlung spätestens alle zehn Minuten mit Gewalt- oder Sexszenen angereichert sein sollte. Dieser Umstand empfahl sie schließlich für die Zusammenarbeit mit Sandy Howard, denn das im vorliegende Drehbuch von Glen Morgan und James Wong („Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“) verlangte nach einer toughen Inszenierung, die nicht vor breit ausgespielten Gewaltszenen zurückschrecken durfte. Denn im Mittelpunkt von „The Boys Next Door“ (der in Deutschland auf VHS als „Blind Rage“ bzw. „Blinder Haß“ ausgewertet wurde) stehen zwei „scheinbar normale Leute“, wie es in der Vorspannsequenz heißt, die von jetzt auf gleich zu Serienkillern ohne schlüssige Motive werden.
Roy Alston (Maxwell Caulfield) und Bo Richards (Charlie Sheen) sind seit langem beste Freunde und haben nun endlich ihre Schullaufbahn hinter sich gebracht. Unter ihren Mitschülern sind die gut aussehenden und durchtrainierten Jungs alles andere als beliebt, was in erster Linie an ihrer arroganten Art und ihrem mangelhaften IQ liegen dürfte. Sie haben von ihrem bisherigen Leben die Schnauze voll und fürchten sich davor, bereits in wenigen Tagen ihren Job in einer Fabrik anzutreten, der ihren weiteren, eintönigen Lebensweg über Jahrzehnte hinweg vorherbestimmen dürfte. Spontan entschließen sie sich, mit dem Auto nach Los Angeles aufzubrechen, um dort einmal andere Seiten des Lebens kennenzulernen. In Roy schwelt etwas, wie er seinem Freund kurz andeutet, und diese innere Unruhe entlädt sich zum ersten Mal an einer Tankstelle, an der er den iranischen Tankwart Shakir (Kurt Christian) auf brutalste Weise zusammenschlägt. Es soll nicht das letzte Mal bleiben, und Roys Aggressionen nehmen in den kommenden Stunden stetig zu, bis er auch vor kaltblütigem Mord nicht mehr zurückschreckt. Bo bleibt zumeist als passiver Beobachter außen vor, verurteilt Roys Verhalten aber nur halbherzig. Mittlerweile haben Lieutenant Hanley (Hank Garrett) und Detective Marc Woods (Christopher McDonald) die Fahndung aufgenommen und stoßen schon bald auf erste Anzeichen, dass die brutalen Gewaltverbrechen in ihrem Distrikt auf ein und dieselben Täter zurückzuführen sind.
Penelope Spheeris war mit „The Boys Next Door“ ihrer Zeit ein gutes Stück voraus. Erst durch die nihilistischen und gewaltreichen Arbeiten Quentin Tarantinos als Drehbuchautor oder Regisseur („Natural Born Killers“, „True Romance“, „Pulp Fiction“) hielt ein vergleichbarer Stil rund zehn Jahre später unter großem Medienecho Einzug in den Hollywood-Film. Die Schilderung der Ereignisse aus Sicht der langsam in den Wahnsinn abdriftenden Killer ist auch heute noch sehr interessant und überwiegend spannend inszeniert. Die Besetzung der zentralen Rollen mit aufstrebenden Nachwuchsschauspielern macht den Film darüber hinaus auch heute noch attraktiv. Thematisch zeitlos aktuell und in seiner Umsetzung (auch dank einiger ungewöhnlicher Kameraperspektiven) anregend und diskussionswert. Die Mediabook-Veröffentlichung bei cmv-Laservision enthält eine BluRay und eine DVD des Films mit gutem Bild in pastelligen Farben (im Widescreen-Format 1,85:1), bei dem das Filmkorn mitunter aber noch deutlich erkennbar ist. Der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0, optional mit deutschen Untertiteln) ist soweit okay.
Die zahlreichen Extras umfassen ein sechzehnseitiges Booklet mit etlichen Filmstills und einem fundierten Hintergrundtext von Christoph N. Kellerbach.
Dazu einen Audiokommentar der Regisseurin Penelope Spheeris mit Hauptdarsteller Maxwell Caulfield, den englischen Kinotrailer, zwei erweiterte Szenen (2 Minuten), einen alternativen Titelvorspann (1 Minute) sowie die 2019 produzierten, rückblickenden Specials „Both Sides of the Law“ (20 Minuten) mit Caulfield und Christopher McDonald, „Caveman Day“ (21 Minuten) mit Caulfield und Spheeris, die Filmanalyse „Blind Rage“ (25 Minuten), „Tales from the End Zone“ (12 Minuten) mit Nebendarsteller Kenneth Cortland, „Give Us Your Money“ (6 Minuten) mit den Streetband-Performern Tequila Mockingbird und Texacala Jones sowie den Drehort-Bericht „The Psychotronic Tourist“ (14 Minuten).