Isau, Ralf: Der Mann, der nichts vergessen konnte
Der Brief eines Historikers sowie das Zusammentreffen mit der jungen Geschichtswissenschaftlerin JJ könnten Tim die Möglichkeit geben, sein Ziel endlich zu erreichen. Schon bald befindet sich der Savant inmitten einer Schatzsuche, die schon seit vielen Jahrzehnten im Gange ist und die ihn das Leben kosten könnte...
Geschichten von Personen mit außergewöhnlichen
Fähigkeiten, die großen Verschwörungen auf die Spur kommen und im
Kampf für die Wahrheit Leib und Leben riskieren sie sind das
Markenzeichen des deutschen Schriftstellers Ralf Isau, dem er auch in
seinem neusten Roman treu bleibt. Im Zentrum steht diesmal Tim Lebin,
ein junger Mann, der die Gabe besitzt, sich alles, was er sieht,
fehlerfrei und auf Dauer zu merken. Schon bald sieht sich der junge
Savant mit einem Geheimnis konfrontiert, das die Welt für immer
verändern könnte.
Was die Geschichte an sich betrifft, so hat man es hier mit dem sprichwörtlichen zweischneidigen Schwert zu tun. Einerseits entwirft Isau einen spannenden Plot, den er routiniert und äußerst wortgewandt in Szene setzt. Wie schon in Die Dunklen werden dem Leser eine Reihe von Rätseln geboten, deren Entschlüsselung einen guten Teil der Romanhandlung ausmacht. Während man bei Die Dunklen als Laie in Sachen Musik stellenweise große Probleme hatte, den Schlüssen, die die Heldin des Buchs zieht, zu folgen, hält sich dieses Problem in Der Mann, der nichts vergessen konnte, dankenswerter Weise in Grenzen, was die Lektüre deutlich erleichtert und angenehmer macht.
Andererseits wirkt der Plot des Buchs lange Zeit übertrieben dramatisch. Die Auswirkungen, die die Entdeckung von Tim und JJ haben könnten, werden übermäßig aufgebauscht und erscheinen doch recht abwegig (zumindest in dem Ausmaß, wie es von Isau angesprochen wird). Erst gegen Ende des Romans kehrt die Story wieder zu realistischeren Gedanken zurück und relativiert die vorangegangenen Spekulationen und Ereignisse. Wer dies allerdings nicht weiß, könnte sich in der ein oder anderen Szene zu ungläubigem Kopfschütteln geneigt sehen ob der doch recht reißerischen Theorien über die mutmaßlichen Auswirkungen der Entdeckung.
Mit Tim Lebin rückt Isau einen exzentrischen Charakter in den Fokus der Handlung, der es dem Leser nicht ganz einfach macht, sich mit im anzufreunden. Tim ist eingebildet, abweisend und leidet unter so mancher Phobie. Alles in allem wirkt er wie eine gemäßigte, jüngere Ausgabe des Privatschnüfflers Monk, der wöchentlich in der gleichnamigen Serie auf RTL sowohl Verbrechern als auch seiner Assistentin das Leben schwer macht. Man braucht so seine Zeit, um mit Tim warm zu werden und ihn und seine Marotten hinzunehmen.
Das Finale des Romans ist im Großen und Ganzen spannend und überzeugend, wirkt aber, was die Entwicklung der verschiedenen Protagonisten angeht, teilweise arg konstruiert. Ohne zu viel verraten zu wollen: Am Ende von Der Mann, der nichts vergessen konnte dürften sich die Geister der Leser scheiden.
Schade ist das Fehlen des Nachworts zum Abschluss des Romans. In seinen anderen Büchern für erwachsene Leser nutzte Isau dieses, um die Hintergründe der Ideen, die der Story zugrunde liegen, zu erläutern. Warum das Nachwort diesmal fehlt, ist mir unerklärlich; schade ist es allemal.
Der Mann, der nichts vergessen konnte, ist ein Buch für alle, die auf Verschwörungsthriller stehen und die dieses Genre nicht automatisch mit der Katholischen Kirche in Verbindung bringen. Isau legt einen spannenden Roman vor, der zwar nicht an sein Meisterwerk Der Silberne Sinn heranreicht, dem geneigten Leser von Büchern voll mysteriöser Rätsel und schattenhafter Gegner aber einige angenehme Lesestunden zu bieten hat. Wer Charaktere wie Adrian Monk mag oder gerne Romane im Stile von Das Kopernikus-Syndrom von Henri Loevenbruck sowie Diabolus von Dan Brown liest, der wird auch an Isaus neustem Buch Gefallen finden.