Eschbach, Andreas - Ausgebrannt (Taschenbuch)

Eschbach, Andreas - Ausgebrannt (Taschenbuch)Ausgebrannt
von Andreas Eschbach
erschienen: Herbst 2008 (Taschenbuch), 2007 (Originalausgabe)
750 Seiten, 9.95 €
ISBN: 978-3-404-15923-9
Verlagsgruppe Lübbe (Bastei Luebbe Taschenbuch)

Eigentlich habe ich mir vorgenommen, keine Rezensionen über Bücher zu schreiben, die schon mal auf dem Zauberspiegel rezensiert wurden (zur Rezension von Oliver Fröhlich). Es gibt die jeweilige Besprechung ja schon, und wenn ich anderer Meinung bin oder ihrem Verfasser zustimmen will, kann ich das schließlich auch über die Kommentarfunktion machen.

Doch bei diesem Buch kann ich nicht anders, ich muss einfach eine weitere Kritik abliefern. Warum? Nun, meiner Ansicht nach sollen (Buch-)Rezensionen in erster Linie dazu dienen, anderen Lesern mitreißende und fesselnde Bücher vorzustellen, die man selbst gelesen hat. Andreas Eschbachs »Ausgebrannt« genau das, ein Roman, der mich schlichtweg umgehauen hat. Und er ist noch mehr: »Ausgebrannt« ist der wohl erschreckendste, Furcht einflößendste Thriller, den ich in letzter Zeit gelesen habe – und damit auf alle Fälle ein weitere Rezi wert.

„Geld regiert die Welt.“ Das besagt zumindest ein altes Sprichwort. Die Realität sieht jedoch anders aus: Es ist Öl, das Schwarze Gold, das den Herzschlag der Welt bestimmt und das Überleben der Menschheit sichert. Was geschieht also, wenn die Ölvorräte irgendwann einmal aufgebraucht sind? Gibt es eine Möglichkeit für die Menschen, auch ohne Öl zu überleben?

Diese und ähnliche Fragen stellt Andreas Eschbach in seinem Thriller »Ausgebrannt«, einem Roman, der zwar reichlich mysteriös, aber dennoch recht harmlos beginnt. Je weiter die Lektüre allerdings voranschreitet, umso erschreckender wird das Szenario, das der Autor entwirft.

Ich habe nun wirklich schon eine Menge unschönes Zeug gelesen und gesehen, darunter brutale und enorm blutige Werke aus den Bereichen Horror und Dark Fantasy sowie extrem realistisch anmutende Thriller, die Themen aufgriffen, wie sie brisanter eigentlich nicht sein können. Ich gebe es gerne zu: So manches mal ist mir dabei mehr als nur ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. Doch so eklig oder schockierend diese Machwerke auch sein mögen: Ich kann mich an keines erinnern, das derart verstörend ist wie »Ausgebrannt«.

Konsequent und absolut gnadenlos beschreibt Eschbach den Weg einer Welt, deren wichtigster Rohstoff, ja, deren Lebensgrundlage innerhalb kürzester Zeit auf drastische Art und Weise beschnitten wird. Das Ergebnis des Ganzen ist ein Schreckensszenario, wie es horrorlicher nicht sein kann. Übertreibt der Autor? Entsprechen seine düsteren Visionen der Realität? Ich weiß es nicht. Ich hoffe ersteres, denn wenn Eschbach Recht behalten sollte...

Mann oh Mann.

Doch zurück zum Buch. So ungeheuer beunruhigend die Story auch sein mag, ganz auf sich alleine gestellt wäre sie eher ein Grund, den Roman unbehaglich zur Seite zu legen und sich wieder vergnüglicheren Themen zuzuwenden. Dass man es dann doch nicht tut und zeitweise geradezu durch die Kapitel rast, hat also weitere Ursachen.

»Ausgebrannt« erinnert, was die Figurenkonstellation betrifft, ein wenig an ein Episodendrama: Es tauchen verschiedene Charaktere auf, von denen jeder seine eigene Geschichte hat, die wiederum die Geschichten der anderen Protagonisten nicht zu berühren scheint. Erst im Verlauf der Handlung wird ersichtlich, dass die einzelnen Schicksale mehr oder weniger stark miteinander verbunden sind. Die Beziehungen zwischen Figuren sind geschickt konstruiert, die Charaktere an sich gut gezeichnet, ihre Geschichten spannend und abwechslungsreich.

Das Buch als solches gliedert sich in zwei Teile. Besonders der erste Teil weiß zu überzeugen und noch viel mehr zu erschrecken. Ohne große Action oder pompöses Getue entwirft Eschbach hier das bereits erwähnte albtraumhafte Szenario, das »Ausgebrannt« ebenso fesselnd wie verstörend macht. Im zweiten Teil nimmt die Handlung dann eine radikale Wendung. Ohne inhaltlich zu viel verraten zu wollen: Ab diesem Zeitpunkt meint man, ein komplett anderes Buch vor sich zu haben.

Es ist ein gewagter, genau genommen aber folgerichtiger Schritt, den Eschbach hier geht. Schade nur, dass dieser zweite Teil (meiner Ansicht nach!) nicht ganz mit seinem Vorgänger mithalten kann und das Buch ein wenig von seiner bedrückende Atmosphäre verliert. Die Story bleibt weiterhin düster und das beschriebene Setting wirkt zweifelsohne noch immer beklemmend. Doch mit dem herausragenden ersten Teil kann das letzte Drittel des Romans nicht konkurrieren.

Jedoch gilt auch für diesen zweiten Teil: Der hier entworfene Plot ist beunruhigender als die meisten Handlungsbögen in anderen Werken, seien es Thriller, Horrorromane oder Beiträge aus einem anderen Genre.

»Ausgebrannt« ist eine Mischung aus Wissenschafts-, Wirtschafts- und SF-Thriller, wie sie mitreißender und schockierender nicht sein könnte. Wer einen Roman lesen will, der aufwühlt und einen auch nach der Lektüre so schnell nicht wieder loslässt, der liegt mit Eschbachs Buch goldrichtig. Ganz ohne Horrorelemente ein albtraumhaftes Meisterwerk, das seinesgleichen sucht.

Nichts für schwache Nerven!!! Für alle anderen gilt: unbedingt lesen!

Kommentare  

#1 Bettina.v.A. 2008-10-10 02:29
Hallo Jochen,
ich bin ein großer Fan deiner Rezis, sie sind sehr ansprechend, umfassend, machen neugierig ... und ich merke an deinen Rezis in der Regel ob mich ein Buch interessieren könnte oder nicht. Danke!

Ich kenne Eschbachs Roman über den Erben (Eine Billion Dollar), der mich schon sehr unruhig gemacht hat :sigh:

Was du schreibst klingt nach einem noch verwirrenderen Buch :cry: ... das man wirklich lesen sollte ... und ich muss mir mal überlegen ob ich das "vertrage" :-x

Gruß,
Bettina
#2 Mainstream 2008-10-11 11:37
Guten Morgen,

ehrlich gesagt bin ich etwas überrascht über diese erstaunlich positive Besprechung. Schon Oliver Fröhlichs wohlmeinende Gedanken haben mich aufmerken lassen.

Ich bin ein großer Verehrer Eschbachs, was seinen extrem ausführlich recherchierten Material zu verdanken ist. Nur sehr, sehr wenige Autoren befassen sich so intensiv mit ihrem Motiv, bevor sie die Geschichte in Angriff nehmen.
(Mein Freund Stephen King schreibt erst und lässt sich hinterher von entsprechenden Experten die Fakten zurecht rücken)

Es macht unheimlich Spaß einen Roman zu lesen, wo man regelrecht spürt, das hier alles Hand und Fuß hat. Schätzings 'Schwarm' war eine lange, zähe Masse, aber einfach wissenschaftlich spannend.

Eschbachs 'Eine Billion Dollar' zum Beispiel, hatte für einen Thriller einen sehr unbefriedigenden Schluss. Die Auflösung war wirklich nicht das, was man von der Ausgangssituation her erwartet. Doch es war logisch. Mit allen Fäden die im Buch zusammen liefen, war das Ende absolut der Logik und dem vorangegangenen Realismus unterworfen. Der erste Anflug von Enttäuschung wich einer absoluten Zufriedenheit.

Aber 'Ausgebrannt'? Keiner der beiden Rezensionen erwähnt Andreas Eschbachs Schwächen mit Dialogen und Charakterzeichnungen. Die mich persönlich weniger stören, weil die Thematik immer im Vordergrund steht und den Leser auf das angenehmste vereinnahmt.
Bei 'Ausgebrannt' stützt sich der hier als schwächer bezeichnete zweite Teil hauptsächlich auf Charakter basierende Entwicklungen.

Für mich wird in diesem wirklich schwächeren zweiten Teil ganz deutlich, das Eschbach die Geschichte über den Kopf gewachsen ist. Bis zum Zusammenbruch der Erdöl abhängigen Welt, kann der Autor die reelen Abläufe plastisch, detailliert und vor allem verstörend nachvollziehbar erklären.

Aber wie sieht eine Welt tatsächlich aus, in der man nicht einmal mehr die einfachsten Dinge ohne Erdöl herstellen kann? Hier, und ich drücke mich absichtlich sehr hart aus, versagt Eschbachs Kunst ein realistisches Szenario zu entwerfen. Wahrscheinlich deswegen, weil es weder Denkmodelle dafür gibt, noch die Vorstellung greifbar werden kann.

Niemand möchte wirklich die Auswüchse eines 'Mad Max beyond Thunderdome' in einem Eschbach Roman lesen. Aber McCarthys 'The Road' ist auch schon geschrieben.

Eschbach hat sich einfach in ein Thema verschrieben, dem kein Autor mit Dogma zu fundierten Hintergründen Herr werden kann. Somit wäre einer meiner liebsten Autoren aus dem Schussfeld, in welches ich fröhlich hinein böller. Doch es macht, in meiner von Ego zerfressenen Bescheidenheit gesprochen, 'Ausgebrannt' zu keinem wirklich geglückten Roman.
:eek:
#3 Gabriel Adams 2008-10-11 13:39
@ Kelpi

Vielen Dank für das Kompliment! Und ich kann wirklich nur empfeheln, starke Nerven mitzubringen, wenn du das Buch lesen willst. Mag sein, dass es nicht jedem so geht wie mir, aber ich kann offen und ehrlich sagen: Nichts, was ich in letzter Zeit gelesen oder gesehen habe, hat mich so sehr beunruhigt wie dieser Roman von Herrn Eschbach.

@ Mainstream
Tja, Geschmäcker sind halt verschieden. Mich haben weder die Dialoge noch die Charakterzeichnungen gestört. Was mich von Anfang an gefesselt hat, war die verstörende Atmosphäre, die Eschbach entwirft, und in diese haben die Figuren, wie sie beschrieben wurden, meines Erachtens nach wunderbar hineingepasst.
Aber vielen Dank für deine ausführliche Gegenmeinung. Wenn eine Rezi so positiv ausfällt wie diese, dann ist es immer gut, auch andere Stimmen in der Nähe zu haben, die bestimmte Aspekte ganz anders sehen.
#4 Bettina.v.A. 2008-10-11 13:40
Hallo Mainstream,
danke für den langen Kommentar.
Die "Not" Ausgebrannt zu lesen wird immer größer.

Ich stimme dir durchaus zu, dass die Billion Dollar durchaus auch Schwächen hatte, mich hat die Handlung allerdings sehr aufgewühlt.

Natürlich dachte ich an Twains Geschichte um die 1Mio-Pfund-Note, die einige Ähnlichkeiten hatte.

Die Realität, die aus denen diese Geschichten bestehen, sind so irre, verwirrend und eigentlich nicht vorstellbar, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie man sie zu einem "logischen" Ende führt ... in diesem Irrsinn ist keinerlei Logik.

Zu deinen Anmerkungen zum Schreibstil kann ich wenig sagen, dazu ist das Lesen des Buches schon zu lange her.

Gruß,
Bettina
#5 Mainstream 2008-10-11 17:56
Tja,
ich hatte keineswegs daran gedacht diese Rezension mit einer 'Gegenmeinung' herab zu würdigen, oder dagegen anzugehen. Hier sind nur sehr persönliche, subjektive Meinung vertreten, die alle gleichwertige Gültigkeiten besitzen. Letztlich entscheidet der von irgendeiner Rezension beeinflusste Leser.

Ob die Geschmäcker so verschieden sind, könnte man sogar anzweifeln. Ich glaube, das nur die Empfindungen in andere Richtungen gehen. Denn 'Ausgebrannt' hat mir durchaus gefallen. Und von Eschbach habe ich schon weit schlechteres gelesen. Ich "empfinde" nur, das der wirklich allerletzte Kick fehlt und der Schreiber hier gegen seine sonst so konsequenten Umsetzungen zurück steht.

Ich würde diese Buch keinesfalls jemanden empfehlen, der nur einmal im Jahr Strand-Lektüre braucht. Einer offenen, oder sogar als 'Vielleserin' zu bezeichnenden Person wie Bettina kann ich nur sagen: "Ran an das Buch!" Gerade weil Dich schon 'Billion Dollar' aufgewühlt hat.

Da aller guten Dinge Drei sind, und Bettina sowieso mit jeder Menge Rezensionen glänzt, würde ich gerne in Kürze ihre Besprechung hier lesen. :P
#6 Bettina.v.A. 2008-10-11 19:41
Hallo Mainstream,

Frage für mich ist ja in solchen Situationen, ob man solche Bücher "verträgt". Diese Bücher, auch der 1 Bio Dollar, fordern mich immer heraus Stellung zu nehmen, eine eigene Position zu beziehen, und im Grunde auch sich zu verhalten.

In mir rufen solche Bücher immer das Gefühl von Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und Ausgeliefert sein hervor, denn ich bekomme das Gefühl, doch nur ein Hamster im Rädchen zu sein und nichts von Bedeutung tun zu können.

Ehrlich gesagt gibt es deshalb viele Momente, in denen ich solche Bücher eher vermeide.
#7 Gabriel Adams 2008-10-11 20:21
@ Mainstream

Deine Meinung betrachte ich keineswegs als Herabwürdigung dieser Rezi, sondern als wertvolle Ergänzung. Ich finde es klasse, wenn jemand zu einer Rezi seinen Senf abgibt. Nur so kann die Meinugsvielfalt gesichert und ein potenzieller Leser umfassend informiert werden.
Also, wenn du bei einer weiteren meiner Rezis anderer Meinung bist: Immer raus damit, besonders dann, wenn die (wie auch immer stark ausfallende) Gegenmeinung (oder auch Zustimmung) so ausführlich dargelegt wird wie deine jetzige.
#8 Mainstream 2008-10-11 21:30
:-)
Ich habe eine gute Freundin, die genau weiß, das Sie sich das Geld für einen Film sparen kann, wenn ich ihn gut bespreche. Und umgekehrt funktioniert es zwischen uns ebenso. Sie ist mir immer sehr dankbar für mein Sezieren.
So geht es auch, und jedem ist geholfen.

Aber was machen wir mit Bettina? Wenn schon 'Billionen Dollar' Nerven aufreibend war, dann DARF man 'Ausgebrannt' gar nicht empfehlen.

Persönlich finde ich solche Szenarien weniger aufregend. Sie sind eher äußerst interessante Gedankenspiele. Sollten diese herausfordernd sein, dann ist doch eigentlich viel erreicht. Stellung nehmen und Position beziehen, gehört nicht unbedingt zu den schlechtesten Eigenschaften.
Ich rede jetzt wirklich nicht davon, dass man sich schleunigst im Regenwald an einen Baum kettet. Aber eine kleine Sensibilisierung lässt jeden mal ein klein wenig öfter an den richtigen Stellen 'Nein' sagen.

Die 'Hamster im Rädchen', tja, das würde jetzt aber ein enormes Fass aufmachen, von dessen Inhalt wir alle schon viel zu viel gehört und gelesen haben.
Ein ander Mal vielleicht.

Je mehr Du, Bettina, deine Bedenken kund tust, desto mehr interessiert mich jetzt eigentlich Deine Meinung zu dem Buch.
Was ist das denn jetzt für eine Situation?
#9 Bettina.v.A. 2008-10-12 02:06
Hallo Mainstream,
liegt wahrscheinlich dran, dass ich Sozialromantikerin bin *lach* :oops:
Wir wollen ja immer irgendwie die Welt retten und so ... weißt schon, der empathiebewegte Käufer handgekettelter Flickerlteppiche aus biologisch gepflückter Baumwolle etc.

Klar werde ich das Buch lesen, mal schauen wann :-) ich habe schon die nächsten Romantasy-Bände da liegen :-* bin mal gespannt wie die sind.

Meine Bedenken ... die haben damit zu tun, dass es ja in solchen Fällen immer eine Frage des "Abgrenzens" gegen die Flut an Informationen über Krisen und Katastrophen ist. Man muss sich ein gewisses Mindestmaß an "geistiger Gesundheit" bewahten ... ich zitiere immer wieder gern Terry Pratchett aus "Let there be Dragons": "(...) um geistig gesund zu bleiben, ist es oft erforderlich, dem Chaos zu entfliehen, nach einem ruhigen, behaglichen Ort zu suchen und einen kleinen Teil der Welt heiter und geordnet zu halten, wenn auch nur für den Zeitraum der Lektüre eines Buchs."

In dem Sinn :-),
Bettina

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