»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Zirkus ist ihr Zuhause (Geliebte Mutti – Kinderschicksale 705)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Zirkus ist ihr Zuhause«
Geliebte Mutti – Kinderschicksale 705 von Margarete Friedrich
Gerade fällt strahlendes graues Tageslicht im Helligkeitsgrade von ungefähr 17,3 Lumen durch die Fenster und man erwägt den geplanten Suizid durch Süßigkeiten und deftiges essen. In der TV-Zeitschrift (ja, doch, ich bin verantwortlich dafür, dass Print immer noch verkauft wird) berichten sie schon, dass uns dieses Jahr „Sissi“ wieder mal zur Hauptsendezeit beglücken wird und ich denke, auch der „Kleine Lord“ und „Drei Haselnüsse für Semmelknödel“ werden unverständlicherweise wieder ein großes (vorzugsweise weibliches) Publikum finden. Die Männer schwelgen derweil in ihren ureigensten genetischen Sentimentalitäten und freuen sich auf Eventprogrammierungen von „Stirb langsam“ (1+2)“ und „Tödliche Weihnachten“.
Also arbeite ich meinen inneren Kaiser Franz (nicht den Fußballer) jetzt gleich im Vorfeld ab, solange die Weihnachtsmärkte noch in voller Blüte stehen und man sich die Herbstdepression mit Glögi und Flammlachs wegvöllern kann.
Mein „Piece de Réstistence“ für diese Woche kommt auch dem großen Reigen derer von Schmachtfetz, die praktisch jeder Heftromanverlag irgendwann mal auf der Pfanne hatte, die jetzt aber ein wenig in die Obskurität abgerutscht sind, weil man den Schmonz heute mit ein paar wohltemperierten Aktualitäten modernisiert hat. Wer da an eine „gewisse“ Notärztin zurück denkt, die nehme ich mir auch noch einmal vor…
Eine Reihe wie „Geliebte Mutti“ am Kiosk überhaupt erst einmal laut zu verlangen, ist schon ein Vorhaben höherer Abhärtung, was aber die Serie aus dem Moewig- , bzw. später Pabel-Verlag in ihrem Erfolg über diverse Jährchen nicht gebremst haben dürfte.
Genaue Daten zu dieser Serie sind ein rares Gut, da die meisten Verlage ihre großen Erfolgsstories vergangener Dekaden gern in den Keller der Vergessenheit einlagern, sobald sie erst einmal eingestellt sind. Daher weiß ich nicht, wie lange der Käse lief, aber ungefähr ab wann, nämlich so um das Jahr 1970. Mein Beitrag ist von 1984, da fällt das Rückrechnen leicht. Pabel veröffentlichte noch, wenn ich einer Schnellrecherche glauben kann, bis in die 1300er-Bände hinein, also mindestens noch bis in die eher späten 90er Jahre.
Dazu kommt, dass ich mir betont einen „Kinderschicksale“-Roman ausgesucht habe, der sich um das gar so glückliche Kinderheim „Sophienlust“ dreht, eine Erfolgsgeschichte sondergleichen innerhalb einer Reihe, deren Wurzeln vermutlich noch viel weiter zurück reichen (bis in die 40er oder 30er Jahre möglicherweise) und die auch heute noch immer wieder als eigenständige Serie mit angebliche über 700 Romanen wiederkäut wird und wurde – allerdings dann bei der Konkurrenz vom Kelter Verlag, der langlebige Serienbeiträge durchaus auch mal zu schätzen wusste.
Insofern war klar, was man generell zu erwarten hatte, ein bisschen Mief, eine Kelle Kitsch, ein romantisch glückliches Familienende und viele lachende Gesichter im Kinderheim, wo die psychischen oder physischen Leiden immer gar keine so große Rolle spielen, solange es nur Natur, ausgewogene Mahlzeiten, Sonne und freundliche Menschen mit reichlich Bargeld gibt.
Und das gibt es offenbar, denn fast alle, die in diesem Roman etwas zu sagen haben oder vernünftige Dinge tun, tragen obskurerweise ein „von“ im Titel oder sind zumindest selbstständige Inhaber ihrer eigenen Firma.
Aber folgen sie mir jetzt ruhig erst einmal in die dramatische Zirkuswelt…
»Du bist böse. Du hast meine Mama totgemacht. Ich will mit der Tante gehen!« (...kann ich verstehen...)
...der es nicht wirklich gut geht.
Zumindest nicht dem ehedem „weltbekannten“ Zirkus Mendoza, die eher am unteren Ende der Skala herum krebst und von vergangenen Zeiten träumt, als das Fernsehen dem Publikum noch nicht den letzten Stecker gezogen hatte. Die Elefanten werden weniger, die Direktorenfrau hat Übergewicht, die Zeichen sind überall.
Die Fackel halten nur das Quartett „Die vier Fantinis“ hoch, hervorragende Jongleure und die Artistin Rosita hoch.
Doch momentan ist die Stimmung total im Keller, denn Carlo Fantini, der eigentlich ganz pomadig Karl Weber heißt, ist mit seiner Lebensgefährten Lori gar nicht mehr einverstanden. Die kommt ihm wehleidig vor, ist immer kränklich und das gemeinsame Kind Maria, sechs Jahre, ist auch nicht sonderlich talentiert, womit sie nach ihrer Mutter schlägt. Hätte Karl sie mal geheiratet, denn eigentlich waren sie alle auf die dolle Mitgift aus, die Daddy ihr versprochen hatte, aber die gab es natürlich beim Segeneinholen nicht – zumindest nicht für das fahrende Volk. Jetzt hat er sie an der Backe und würde viel lieber mit Rosita schnubbeln, die sieht auch lange nicht so fertig aus wie Lori.
Lori kann leider aber nicht anders, denn sie ist tatsächlich todkrank und macht sich erhebliche Sorgen, dass ihr impulskontrollgeschwächter Lebensgefährte das gemeinsame Kind zu einer Zirkuskarriere prügeln könnte. Leider hat sie lange nichts von ihrer Family gehört, den „von Lenaus“, weswegen sie sich nun mit einem Partner rum schlagen muss, der erst in die in Zeitlupe in die Gänge kommt, als sie von einem Blutsturz schon den roten Lebenssaft erbricht, die gemeinsame Tochter laut panisch schreiend über das Gelände rennt und die übrigen Angestellten den Notfall nicht mehr übersehen können. Dennoch verstirbt die junge Frau, ohne ihren Nachlass noch ordnen zu können.
Umblende in das GLÜCKLICHE KINDERHEIM SOPHIENLUST, mit dem die Familie „von Schoenecker“ lang und schmutzig liiert ist. Da gibt es eine Tante Doktor, eine Leiterin, eine Verwalterin und als Identifikationsangelpunkt die nette Denise von Schoenecker, die auch noch einen patenten, aber sehr berufstätigen Gatten namens Alexander von hat. Genau der kommt heute mal zu Besuch für einen Schlendergang über die Ländereien, die von den zu bekämpfenden Ungerechtigkeiten fieser Erzeuger ablenkt.
Nach allerlei idyllischem Trulala bastelt der Gatte dann auch spontan nachdenklich das „missing link“ zum aktuellen Fall zusammen. Es handelt sich um Staatsanwalt Hermann von Lenau, der gerade ins Ahnenland abgeritten ist und nun seinen Nachlass den beiden Töchtern hinterlassen hat. Die von Schoeneckers haben nun eine Einladung zur Beerdigung erhalten und denken über die armen Töchter nach.
Alsbald lernt man sich am Grabe besser kennen und obwohl man sich vor Jaaaahren zuletzt flüchtig gesehen hat, nehmen die wohlerzogenen von Schoeneckers alsbald freundlich plaudernd nicht nur am Leichenschmaus teil, sondern flüchten mit Fräulein von Lenau auch gleich noch in deren Kemenate im Stadthaus.
Anneliese beichtet den praktisch Unbekannten gern, dass ihr Daddy ein übler Haustyrann war, Anneliese und Hannelore (keuch!) unter der Knute hatte und gar nicht gern gesehen hat, dass Hannelore einen anderen Mann erwählte.
Wie es dann immer so geht im Märchen, wurde die Mitgift bei Bekanntgabe des Hochzeitswunsches gestrichen, Jungmädel enterbt und fortan jeglicher Kontakt unterbunden. Doch nicht nur das, denn mit dem Nachlass kommt heraus, dass auch keine Briefe mehr an die Schwester weitergereicht wurden, selbst die existentiellen Notbriefe.
Nun weiß Anneliese durch die Briefe, dass Hannelore unglücklich im Zirkus war und krank dazu, weswegen sie sich auf die Suche nach ihrer Schwester machen möchte, denn Hannelore wollte nicht, dass die kleine Nichte Maria im Zirkus aufwächst, gerade weil sie kein artistisches Talent und die dazu passende Neigung aufweist.
Also soll das fahrende Volk getauscht werden gegen das glückliche Kinderheim Sophienlust, bis Anneliese die nötigen Vormundschaftspapiere in der Hand hat. Denise von Schoenecker ist bereit.
Also dampft Anneliese flugs nordwärts nach Diepholz, wo der Zirkus jedoch schon weitergezogen ist. In einer Gaststätte sammelt sie jedoch erste Infos und erfährt auch von dem Todesfall. Auf dem Friedhof wird es dann zur traurigen Gewissheit: ihre Schwester ist bereits verstorben.
Trauernd beschließt sie, dem Zirkus nach Münster hinterher zu reisen, weil der Arzt bestätigt, ein verstörtes Kind bei seinem Besuch gesehen zu haben.
In Münster setzt sie sich kurzerhand in eine Vorstellung, ist jedoch von der Ausstrahlung des Kindvaters nicht eben begeistert. Am nächsten Tag besucht sie wieder das Zirkusgelände und lobt dort einen jungen Mann für seine zeichnerische Tätigkeit. Er ist ihr spontan sympathisch und die Nachtigall trapst schon. Zwar zicken die beiden sich ein wenig, doch das Problem, das Kind loszueisen, besteht noch.
Sie trifft in Carlo/Karls Wohnwagen dann nicht nur auf Rosita, sondern auch auf den Vater und die kleine Maria, die psychisch schon ziemlich angeknackst zu sein scheint. Karl ist leider auch anwesend und er ist sofort in Stimmung, weil er Anneliese beim Jugendamt verortet. Gleichzeitig präsentiert er auch eine fiese Mischung aus einschmeichelndem und zuschlagendem Charakter.
Dummerweise geht Anni die Chose nicht sonderlich sachlich an, sondern eher gefühlsbetont mit einer Prise Antipathie, bis sie sich endlich als Hannelores Schwester zu erkennen gibt.
Ihr Trumpf ist Hannelores letzter Brief, in dem sie gebeten wurde, das Kind Maria aus dem Zirkus wegzuholen – und dass Maria, nachdem ihr Anni mit einem Satz angekündigt hat, ihre Tante zu sein, sofort aus der Hand frisst.
Karl Carlo ist natürlich nicht eben erfreut und will seine Tochter (warum auch immer) behalten und ihr notfalls den rechten Weg einprügeln, wenn sie nicht spurt, was aber durch Rosita gestoppt wird.
Dafür kriegt Anneliese beinahe was mit, wird aber von dem Zeichner aufgefangen, der ihr heimlich gefolgt war. Leider provoziert Carlo einen Volksaufstand aus der Manege, als wolle Anni das Kind entführen und den beiden bleibt nur die Flucht, ehe sie fernab der Manege gekreuzigt werden.
Gemeinsam lädiert treten sie den Rückweg an und der Retter stellt sich als Peter Hagen, Chef einer Werbeagentur vor, im Zirkus auf Motivsuche. Man rettet sich in ein Café unter einen Kuchenberg, wo Peter einsehen muss, dass er sich schon in Anni verguckt hat. Und eine halbe Seite und zwei Stück Kuchen später geht es ihr genauso.
Peter entwickelt dann auch eine sehr vernünftige Idee, nämlich dass sich Anni an Denise von Schoenecker wenden soll, wegen Erfahrungen, Kinderheim, etc zwecks Unterstützung bei der rechtlichen Absicherung der Vormundschaft.
Abends plumpst sie romantikbesoffen im Hotel in die Kiste, als auch des Nächtens schon das Telefon geht. Drunten im Tal...in der Lobby, pardon, steht Seiltänzerin Rosita samt Maria (pennt!) und einem Köfferchen und betreibt aktive Kinderlandverschickung, weil sie davon überzeugt ist, dass Karl der Maria nicht gut tut mit seinen Artistenambitionen.
Glücklich bringt sie das Mädel ins Bett, doch um halb sieben kommt der nächste Anruf, denn der Kater Carlo ist früher wach geworden und will seine Tochter zurück. Parole für Anni: Hau so schnell wie möglich ab!
Anni greift ihre Sachen samt Kind und startet im Auto durch, ohne dass sie Peter noch Bescheid sagen kann. Aber der ist ja ganz patent, der wird das schon schaffen.
Einige Wochen später hat sich Peter dann nach Wildmoos durchgearbeitet, in dessen Nähe Sophienlust zu finden ist. Dort findet er – logo – großartige Aufnahme und hoppelt gleich weiter zum Forsthaus, wo die Kuchen- und Kakao-Idylle mit glücklichen Kindern schon in vollem Gange ist. Bei Pflaumenkuchen fachen Anni und Peter das Feuer der Romantik wieder an und er deutet schon in Richtung Eheschließung. Tatsächlich bekräftigt er das am nächsten Tag komplett mit Adoption von Maria und Umzug nach Nürnberg, weil er dort arbeitet.
Es könnte also alles total toll sein, wäre Karl jetzt nicht im Aggro-Modus, seine Tochter zurück zu klauen. Als der Zirkus in der von Annis Heimatort logiert, schreitet er zur Tat, leiert ihrer treuen, aber nicht sonderlich gewitzten Haushälterin mit einer rührseligen Story den Aufenthaltsort Sophienlust aus dem Wischkittel.
Derweil macht sich Anni gerade auf den Weg zur Arbeit, als ihr Karl entgegen gefahren kommt. Leider glaubt sie ihrer Intuition nicht, ihn gesehen zu haben und fährt weiter. Karl erreicht das Kinderheim und hat nach einer Weile Glück, als Maria und ihre Freundin wegen eines Regenbogens aus dem Haus rennen. Er schnappt sich Maria und braust mit ihr davon.
Während sich Denise von Schoenecker sofort an die Ermittlungsarbeit macht, setzt Karl trotz wohl halbguter Absichten das Mädchen gleich wieder unter Stress und drückt sie ins Trauma zurück. Wieder im Zirkus ist Rosita nicht erbaut, vor allem weil Karl Maria als eine Art dummen August im Clownskostüm seiner eigenen Nummer beifügen will.
Im Kinderheim wird derweil groß aufgefahren: Jugendabend, Rechtsanwalt, Ehemann und ein Detektiv haben in den Prä-Internet-Zeiten bald rausgefunden, wo der Zirkus gastiert und eine Abordnung gönnt sich alsbald in Leonberg die nächste Vorstellung. Maria ist nicht aufzufinden, doch nachdem auch die Durchsuchung des Wohnwagens nichts gebracht hat, kommt Denise auf den richtigen Trichter mit der Clownsmaske. Und sie kann den ungeschickten kleinen Clown auch identifizieren.
Doch Maria hält es nicht mehr aus und flieht am Ende der Nummer zu einem Arbeiter außerhalb des Zeltes. Als ihr Vater ihr wütend folgt, bekommt sie es mit der Angst zu tun und weicht bis zu einem Löwenkäfig zurück – leider zu nah. Die Pranke des Löwen erwischt sie ernsthaft und sie kann nur durch Karls Einsatz – der ebenfalls schwer verletzt wird – gerettet werden.
Damit ist die Chose durch: Karls kaputter Arm macht seine Jonglierkarriere zunichte und alsbald verzichtet er einfach so auf seine Tochter. Maria kann wieder nach Sophienlust, bis sie endlich von Anni adoptiert werden kann, die wiederum mit Peterle happyenden möchte.
»Ich würde Sie gern auf den Mund küssen, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Seien Sie jetzt nicht enttäuscht, morgen kommen bestimmt ihre Lippen dran!«
Schlichterdings entzückend ist es, was Margarete Friedrichs da zusammengebraut hat, stets mit dem Kindeswohl im Augenwinkel und mit sanftem Schenkeldruck auf der unvermeidlichen Love Story.
Generell ist wohl überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn eine Reihe „endlich mal an die Kinder denkt“ und dafür eintritt, dass auch die Benachteiligten ein schönes Zuhause bekommen oder zumindest die Chance darauf. Auch der Aufenthalt im Zirkus ist für ein traumatisiertes Kind sicherlich ein Risiko, genauso wie man in so eine „Parallelgesellschaft“ vermutlich reinwachsen muss. Auch dass die großen Zeiten des Zirkus so langsam vorbei sind und die meisten dieser Betriebe mehr und mehr vor sich hin darben, war offenbar schon vor 30 Jahren ein zugkräftiges Thema, das heute nichts an Spannkraft verloren hat.
Wie man das tut, hat allerdings erheblichen Einfluss auf die Wirkung.
Zunächst mal trennt die Autorin klar zwischen dem sicheren Hort eines Kinderheims (???) und der unsicheren, ja gefährlichen Halbwelt des fahrenden Volks, auch wenn sie bemüht ist, zwischendurch einige der Figuren des Zirkus als recht sympathisch rüberkommen zu lassen. Allgemein macht dieser Strang jedoch einen herunter gekommenen Eindruck von veraltetem billigen Glitzer und nur wenig Klasse. Schlimmer noch: die Zirkusleute sind bei der neuesten Love Story ihres Kollegen voll auf deren Mitgift fokussiert und schleifen dann später die Holde nur halb gewollt mit, als es mit der Kohle Essig ist. Teilzeitprotagonist Karl aka Carlo ist zwar kein übler Schlagetot, aber offensichtlich eine sehr schwankende und psychisch labile Persönlichkeit, deren Karriereabsichten und -vorstellung im diametralen Gegensatz zur gesamtwirtschaftlichen Lage seines Berufszweigs stehen.
Dass er das Kind schlägt und angeblich nicht recht bemerkt, dass seine Lebensgefährtin an einem Magengeschwür und Herzmuskelschwäche dahin siecht, spricht aber gegen ihn. Und selbst die besorgte Rosita, die das Kind mehrfach rettet, will unbedingt bei Karlchen bleiben, was auch nicht gerade gut begründet scheint.
Dagegen steht das Kinderheim wie ein Hort der Glorie aus einem Heimatfilm der 50er Jahre. Tüchtige, aufrechte Leute arbeiten hier, die Geldversorgung ist durch eine reiche Erbschaft abgesichert, der eigentlich Erbe allerdings muss noch volljährig werden (es ist der Sohn von Denise und Alexander). Alle sind an dem Wohl und Wehe der Kinder hoch interessiert und engagiert, genießen die Schönheit von Anwesen, Bau, Unterhaltungsmöglichkeit, Küche und schönem Wetter und strahlen puren Positivismus aus.
Die Kinder gehen in die Schule und abend sind sie wohl meistens glücklich – und die zwei, die noch zu klein dafür sind, können es kaum erwarten. Die tragen dann auch noch so unerträgliche 60er-Kosenamen wie „Filzchen“ (von Felicitas) und bringen in Zwischenspielen gemeinsam mit dem Hund Stoffel ein wenig unschuldigen Gebrüder-Grimm-Schwurbel in die Handlung.
Offenbar ist „Sophienlust“ so ein Traum, dass man sogar seine Kinder für eine gewisse Zeit dort abgeben kann (für eine Geschäftsreise etwa). Ob die dann irgendwann noch mal zurück wollen?
Edle Ziele, edle Leute, lautere Gedanken – all die guten Menschen sind hier flotte „Vons“, die nur einmal namentlich aufgezählte Tochter aus Alexanders erster Ehe (shocking!!!) hat sogar zusätzlich noch einen geheiratet. Die Adelsnamen wachsen da offenbar auf Bäumen.
Etwas „normaler“ kommt da immerhin der „Bürgerliche“ Peter Hagen herüber, der sich einerseits als patent erweist, andererseits immer dann nicht parat steht, wenn es ans Eingemachte geht. So gerät er nur zur „plot device“ für die enorm zeitsparende und kostengünstige Romanze, die die Autorin Frau Friedrich hier praktisch binnen weniger Minuten des Treffens, kurz Anfauchens und Zuhilfeeilens zwischendurch noch schnell rein montiert, damit nicht am Ende das gerettete Mädchen noch bei einer alleinerziehenden Mutter aufwachsen muss, die natürlich sofort in ihrem Heimatort alle Zelte abbricht, weil ihr Galan einen festen Betrieb in einer anderen Stadt sicher hat.
Das ist alles so dermaßen Heile-Welt, dass sich jeder rückwärtsgewandte Konservative einen dicken Ast freuen müsste, damals wie heute. Gegen „alles wird gut“ ist ja nichts einzuwenden, aber die Gewichtung ist schon sehr einprägsam, selbst wenn es nicht ganz platt „schwarz-weiß“ gezeichnet ist.
Stilistisch ist das übrigens total okay, routiniert und, der Zielgruppe entsprechend, ein wenig umständlich arrangiert, um das Geschehen besser zusammen zu fassen und nachhaltig mehrfach zu ordnen. Da kommt es dann zu unwichtigen Einschüben (etwa die Zurechtweisung der leicht zu beeinflussenden Putzhilfe, die man um neun Zehntel hätte verkürzen können) oder diesen Kindergenesungsschmonzeinschüben, wenn die braven Kinderlein ein paar Witzchen schmieden, ob der Peter und die Anni jetzt ein Paar sind und ob man das laut sagen darf.
Da rufen dann mehr als offensichtlich die späten 50er die mittleren 80er an und verlangen ihre familienfreundlichen Gagschreiber zurück.
Den bestentwickelten Charakter trägt aber Bösewicht Carlo davon, dem die meiste Komplexität (eben weil er ein zerrissener Charakter ist) gegönnt wird, weil das Widersinnige seiner Handlungen irgendwie eingeordnet werden musste.
Dagegen stehen nette, aber beliebige positive Figuren, die natürlich die geballte Macht einer Kinderheim-Powerstation hinter sich wissen, was unserer Verteidigungsministerin gut gefallen hätte.
Effektiv tut das aber niemandem weh und das wird den Erfolg dieser Serie und aller Epigonen wohl ausgemacht haben. Dann kann ich mich nun den weiteren Antipoden widmen, den knallharten Notärztinnen oder den gefeierten Fetzen der Romantik, kurz gemalert...sie wissen schon...