Werner Zillig: Das Mädchen - Romanbiographie über Helga Anders
Werner Zillig: Das Mädchen
Romanbiographie über Helga Anders
Und nun also eine Romanbiographie. Das ist so etwas wie eine Biographie, die es sich erlaubt, Vermutungen in einer literarischen Form zu beschreiben. Ein Roman kann „Wahrheiten“ enthalten oder auch nicht.
„Dies ist keine Biographie der Schauspielerin Helga Anders, sondern ein Roman.“
So Werner Zillig in seiner kurzen Klarstellung vor Beginn des ersten Kapitels. Der Leser soll sich gar nicht mit der Frage aufhalten, sich mit einer Biographie zu beschäftigen oder nicht. Doch trotz der Nicht-Biographie enthält „Das Mädchen“ zahlreiche biographische Details und skizzenhafte Beschreibungen vorstellbarer Ereignisse im Leben von Helga Anders. Wer einen Bezug zu Helga Anders hat, der erinnert sich an ihre Rollen als Schauspielerin, und an ihr frühes Lebensende. Gibt es eine Chance, Helga Anders tatsächlich gerecht zu werden, indem versucht wird, eine Biographie über sie zu schreiben? Werner Zillig war sich dessen bewusst, dass das unmöglich gelingen kann. Und somit blieb eben das, was als Romanbiographie nunmehr vorliegt.
Trotz dieser relativen Aspekte gelingt es dem Erzähler, Helga Anders lebendig werden zu lassen. Das ist die eigentliche Kunst dieses Romans. Denn jene Ereignisse, die passieren hätten können oder auch nicht, werfen einen Lichtkegel auf die Schauspielerin Helga Anders. Sie steht auf der Bühne und erzählt aus ihrem Leben. Sie erzählt von dem, was vor ihrer Geburt geschehen ist und von dem, was kurz vor ihrem Tod passiert.
„Der Mensch weiß von seinem Sterben. Es ist soweit. Endlich. Der Körper hat es immer gewusst. Es gibt im Körper ein geheimes Fach. Da liegt der Zeitpunkt des Todes wie in einem Tresor. Der Tresor wird auf dem Weg zum Tod geöffnet. Ein Leben lang daran gedacht. Wie wird es sein? Ich sterbe. Aber noch nicht in diesem Moment. Sondern bald.“
Die letzten Monate im Leben von Helga Anders stehen stark im Fokus. Die Zeit, als sie nicht mehr die erfolgreiche Schauspielerin ist, der die Herzen zufliegen. Alles hat sich geändert. Sie spielt nur mehr eine unbedeutende Nebenrolle auf der Bühne Welt. Und doch ist sie da und bereit, ein weiteres Kapitel ins Drehbuch ihres Lebens zu schreiben.
Helga Anders war schon früh so etwas wie ein „Star“. Sie spielte als Kind mit Heinz Rühmann und als junge Frau mit Inge Meysel. Irgendwie schien alles glatt zu gehen. Aber das war nur die schöne Fassade, hinter der ein Mensch steckte, der mehr und mehr zu zerbrechen drohte. Ob ihr alles zu viel war und sie deswegen zu trinken begann und dazu Tabletten einwarf, oder sich selbst vormachte, es sei ihr Recht, sich auch zu betrinken und Tabletten einzuwerfen, und nicht die Helga Anders zu sein, die sich ihre Zeitgenossen vielleicht vorstellten, das sei dahingestellt. Es sollen auch gar keine Vermutungen angestellt werden, schließlich handelt es sich um keine Biographie.
Was in den Roman eingebunden ist, sind die Fragen des Nicht-Biographen selbst, der es anstrebte, mit Menschen in Verbindung zu treten, die mit Helga Anders persönlich zu tun hatten. Er erlebte hierbei oft, dass nur wenig oder gar nichts zurück kam. Wieso diese Zurückhaltung der Angesprochenen? Glaubte da der Eine oder die Andere, vielleicht ein Geheimnis auszuplaudern? Und so gibt es Aufzeichnungen von Helga Anders, ob erfunden oder real, und es gibt Begegnungen, ob erfunden oder real, die Bruchstücke einer Biographie ergeben, die nur als Roman ein Stück weit glaubhaft wirken mögen. Werner Zillig bringt sich und seine Auseinandersetzung mit Helga Anders ins Spiel, und wird selbst zu einer Figur im Universum, das sich dem Leser darbietet.
„Schon ist sie in der Zeit des Rückblicks auf das Leben angekommen. Und manchmal denkt sie jetzt daran, dass jeder Tag ihres Lebens bisher auf sie zugekommen ist. Früher sind die Tage wie eine Verheißung aufgetaucht. Ein neuer Film, überhaupt ein neues Angebot. Ein neuer Mann, der vielleicht endlich der Prinz für die Prinzessin ist. Helle Tage. München leuchtet. Und wie es geleuchtet hat, damals!“
Helga Anders erzählt in diesem Roman zu weiten Strecken selbst aus ihrem Leben und sie reflektiert auch über ihr Leben. Dies geschieht ohne großes Bühnenspektakel.
Was lässt sich über eine Nicht-Biographie schreiben, deren Autor genau weiß, dass er eben kein Biograph ist? Vielleicht, dass Helga Anders aus dem Buch heraus tritt und dem Leser die Hand reicht. Es bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, was er aus der Geschichte macht. Er kann darüber grübeln oder es einfach laufen lassen. Es gibt Szenen, da habe ich Helga Anders vor mir gesehen. Wie sie gesprochen, wie sie gelächelt, wie sie getänzelt hat. Ja, nun trete ich aus der Rolle des Rezensenten hervor und zeige mich als Mensch, der Helga Anders als Schauspielerin sehr schätzt. Ich sehe sie also vor mir, wie sie ihr Leben zu meistern versucht hat und am Ende doch gescheitert ist.
Und wenn es sogar so ist, dass ich in einer kurzen Passage des Romans zitiert werde, dann wird umso klarer, wie froh ich darüber bin, dass diese Romanbiographie geschrieben worden ist. Um das Jahr 2005 herum habe ich selbst Überlegungen angestellt, eine Biographie über Helga Anders zu schreiben. Einfach, weil ich mir gedacht habe, dass es eine solche Biographie geben sollte, damit Helga Anders nicht in Vergessenheit gerät. Aus verschiedenen Gründen kam ich damals nicht über die ersten Überlegungen hinaus, und freue mich umso mehr, dass Werner Zillig mit dieser Romanbiographie Helga Anders würdigt. Mit einem Roman, der keine Biographie und doch irgendwie eine Biographie ist, möglicherweise.
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Das Mädchen