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Die Geschichte von Blockade Billy (nacherzählt von Stephen King)

Stephen King - Bloackde BillyDie Geschichte von Blockade Billy
Nacherzählt von Stephen King

Selbst die treuesten Fans des Baseballs werden sich kaum an den Namen William Blakely erinnern. Und manche mögen sagen aus gutem Grund. Autor und Überlebenskünstler Stephen King hat als neugieriger Mensch und Baseball-Fanatiker einmal nachgefragt. King traf dazu den ehemaligen Trainer der New Jersey Titans, George Grantham. Der Schriftsteller bekam aus erster Hand die Geschichte von Billy Blakely, dessen Existenz man eigentlich nicht-existent machen wollte.

Stephen Kings Wiedergabe der Geschichte über den Spieler William „Billy“ Blakely ist dabei zu einer Abhandlung über den Trainer George Grantham selbst geworden. Seine Verbundenheit zum Baseball und die Liebe zu einem Sport, die früher viel einfacher war, aber auch intensiver.

1990 veröffentlichte Stephen King im New Yorker bereits ein Essay über die damals vergangene Saison bei Bangor West, dem Little-League-Team seines Sohnes Owen. Doch der Mann fürs Grobe wäre nicht Stephen King, wenn er sich nicht von der Geschichte des Wunderknabens William Blakely genauso vereinnahmen lassen würde. Es ist eine Zeit des Baseballs, in der die Welt noch in Ordnung war, die USA noch ein ordentliches Feindbild hatten und Frauen ihren Platz in der Küche noch kannten. 1957 kommt der junge Billy Blakely als Profi-Spieler aus dem tiefsten Ländlichen zu den New Jersey Titans. Das Landei macht einen merkwürdigen Eindruck, ist aber ein Wunderkind von Fänger und ein noch besserer Stopper, was ihm bei den Fans sehr schnell den Spitznamen BLOCKADE einbringt. Die eigenartige Verletzung eines gegnerischen Spielers bei Billys erstem Einsatz ist jedoch erst der Anfang von wesentlich unheilvolleren Dingen.

Eine Niederschrift vom Schreckensmeister höchstpersönlich ist für einen auf Horror spezialisierten kleinen Spartenverlag wie Cemetery Dance natürlich ein goldenes Ei. Noch dazu, wenn die Geschichte exklusiv angeboten wird. Cemetery Dance hat sich im Horrorbereich besonders mit speziell aufbereiteten Sondereditionen hervorgetan. Ob Blatty, Ketchum, Matheson, Straub oder eben der Meister selbst, um nur die Bekanntesten zu nennen, sie alle werden bei Cemetery Dance in mehr oder weniger kunstvoll gestalteten Neuauflagen feil geboten. Mit BLOCKADE BILLY von Stephen King wurde im April 2010 eine der wenigen Erstveröffentlichungen des Verlages unter das hungernde Volk geworfen.

Da freut sich der Leser, da geifert der Fan, da klimpert die Kasse. Für Cemetery Dance ein lukratives Geschäft, ist King wenn nicht sogar der Beste, so zumindest der bekannteste Schriftsteller, und der mit den zahlungswilligsten Anhängern. Fünfundzwanzig Dollar werden für das exklusive Buch und der damit garantierten ‚First Edition‘ verlangt. Der Umschlag ist wunderbar gestaltet, mit Farbgebung und Schriftzügen, welche die Zeit widerspiegeln, in der die Geschichte spielt. Als besondere Dreingabe gibt es zur ‚First Edition‘ eine authentische Sammelkarte von William Blakely.

William BlakelyNach dem Genuss der Lektüre ist verständlich, wieso man versuchte, den Namen Blakely und all seine mit ihm zusammenhängenden Rekorde aus allen Büchern zu löschen. Nichts sollte mehr an diese Person erinnern, keine Verbindungen zum Profi-Baseball mehr bestehen. Und warum? Diese Erzählung sollte man dem Meister selbst überlassen und nicht einer banalen Nachplauderei.

So ein Buch, da kommt der Fan nicht daran vorbei, muss natürlich bestellt werden. Der Verlag in Amerika gab seine Bestellmöglichkeit für BLOCKADE BILLY am 5. April frei, bereits am 6. April war per Internet die Bestellung und Zahlung des Verfassers dieser Zeilen getätigt. Von 10.000 Exemplaren will man ja unbedingt eins haben. Das Buch würde am 20. April erscheinen, so Cemetery Dance, und damit auch die Auslieferung beginnen. Die ‚First Edition‘ gibt es ausschließlich über den Verlag selbst, die ‚Second Edition‘ bleibt den Bibliotheken und Leihbüchereien vorbehalten. Andere Verlage oder Großanbieter würden draußen bleiben.

Die zwei Wochen Wartezeit überbrückt der Verlag mehrmals mit vollmundigen Werbe-Mails, man könne ohne weiteres noch andere Bücher aus dem Sortiment nachbestellen. Am Erscheinungstag dann die wunderbare Nachricht, dass die Auslieferung begonnen hat. Der Fan ist schon heiß. Deutschland – Amerika, das heißt mindestens 4 Tage Postweg. Da man sich nicht selbst unter Druck setzen will, rechnet man großzügig mit sieben Tagen Postweg. Am 30. April folgt wieder eine Werbe-Mail, man könne nach wie vor andere Bücher seiner Bestellung hinzufügen. Dabei sollte BLOCKADE BILLY, trotz der großzügigen Postwegberechnung, bereits seit drei Tagen im Hause sein.

Noch am selben Tag verrät der Blick auf die verlagseigene Homepage, wie überglücklich sich Cemetery Dance fühlt, bereits die Hälfte aller inländischen Bestellungen auf den Weg gebracht zu haben. Der Verlag gibt sich stolz, der Fan gibt sich mürrisch. Unter dem unverständlichen Deckmantel der Freude verkündet die Vertriebsleiterin, dass man dann bereits am 17. Mai mit der Versendung der ausländischen Bestellungen beginnen könne. Drei Wochen nach Veröffentlichung? Vier Wochen nach der Belastung der Kreditkarte des geneigten Verfassers dieser Zeilen? Fünf Wochen nach Bestellung?

Doch man wird nicht allein gelassen, weiterhin gehen Mails ein, dass Nachbestellungen möglich seien. Außerdem verkünden Netznachrichten, dass entgegen allen Beteuerungen BLOCKADE BILLY doch über einen großen Verlag und damit über einen Internet-Großhändler zu beziehen sein wird. Was allerdings Nachteile mit sich bringen wird, da der Verlag Simon & Schuster das Buch 10 Dollar billiger, also für 15 Dollar auf den Markt bringen wird. Dafür ist aber eine exklusive Kurzgeschichte enthalten, die Cemetery Dance nicht drucken durfte.

Der Postbote überrascht den Verfasser von Sie wissen schon was am 19. Mai. Der Fan hält es stolz in den Händen. Exklusiv! Die ‚First Edition‘! Vier Wochen nach Veröffentlichung. Sechs Wochen nach der Belastung der Kreditkarte. Sieben Wochen nach Bestellung. Dafür aber eine geschlagene Woche, bevor es Simon & Schuster wesentlich billiger auf den Markt bringt, mit zusätzlicher Kurzgeschichte und ohne Verzögerung beim Versand.

Stephen KingSeit 1980 ist es das erste Stephen-King-Buch, das ein geneigter Fan nicht am Veröffentlichungstag in den Händen halten durfte. Ganz traurige Sache. Dazu kommt eine 115-seitige Geschichte, die schwerlich als Novelle, geschweige denn als Roman durchgeht. Die Schriftgröße ist so extrem großzügig, dass man mit dem Umblättern nicht nachkommt. Aber 115 Seiten müssen ja auf irgendeine Art gefüllt werden. 25 Dollar für ein derart dünnes Buch, nicht zu reden von den vierzehn Dollar Versandkosten fürs Ausland, da muss man sich selbst die Exklusivität noch schönreden. Wenigstens ein Buch, das jemand mit 12 Dioptrien ohne Brille lesen kann. Die Anzahl der Zeichen würden bei einem normalen Taschenbuchdruck keine fünfzig Seiten füllen.

King schreibt kurz und knackig. Die Geschichte zeichnet sich dabei weniger durch Originalität aus, als durch das Flair im Sportmilieu. Der Autor verzichtet weitgehend auf knifflige oder handlungsentscheidende Baseball-Szenarien, sodass selbst der weniger bewanderte Europäer den Fluss beim Lesen nicht verliert. Tragend hingegen sind Kings typische Dialoge, die in schwerem Akzent verfasst und unflätigen Worten niemals abträglich sind. Ab und an drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob diverse Sprüche wirklich der damaligen Zeit angemessen sind. Doch Kings Stärke waren Dialoge noch nie. Dass er allerdings unmerklich die Gewichtung vom undurchsichtigen Blockade Billy Blakely auf den erzählenden damaligen Trainer George Grantham verlegt, ist wieder raffiniertes Geschichtenerzählen. Das Unheimliche der Person Billy vermischt sich dabei mit dem Gefühl und der Leidenschaft für den Sport selbst und macht sie verständlich, ohne sie überzustrapazieren. Eine schöne Geschichte, die wieder einmal Kings Talent bestätigt, dass das Grauen dort am besten wütet, wo es die uramerikanische Seele am schwersten verletzen kann.

In einer Kurzgeschichten-Sammlung hätte sich BLOCKADE BILLY wirklich als unterhaltsame und nette Beigabe gemacht. Ende des Jahres 2010 soll ja die nächste King Anthologie mit unveröffentlichten Novellen erscheinen. Alleinstehend ist BILLY aber einfach zu dünn, in physischer Form wie auch in seinen unterhaltenden Absichten. Jedenfalls rechtfertigt diese gerade einmal als nett zu bezeichnende Geschichte lange kein Buchformat. Darüber hinaus hat Cemetery Dance mit seiner Verkaufs-, Werbe- und Versandstrategie wirklich den Heimvorteil genutzt, den geneigten Fan um seine Punkte zu bringen und sich dennoch selbst ins Aus zu schlagen.
 
 
Stephen King - Blockade Billy
 
Bildquelle: Cemetery Dance

Kommentare  

#1 Andrew P. Wolz 2010-07-14 05:03
Ich sehe die Sache mit der Verständlichkeit sogar kritischer. Dadurch, dass ständig Begriffe aus dem Bereich des Baseballs verwendet werden, ist die Story für europäische Leser ein permanentes Stolperfeld.
King suggeriert, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, da in der Novelle die Vorkommnisse ihm persönlich erzählt werden, er also selber darin als Gesprächspartner auftaucht. Da ich überhaupt nicht einordnen kann, ob bestimmte Ereignisse in der Story vielleicht wahr sind, funktioniert dieser Kunstgriff bei mir leider nicht.
#2 Mainstream 2010-07-14 21:39
-
Nun, da weder Spielzüge, noch Taktiken des Spiels eine erzähltechnisch relevante
Rolle einnehmen, kann ich das mit dem Stolperfeld nicht wirklich nachvollziehen.

Bei einer Geschichte dieser Kürze, wäre es vermessen anzunehmen, das selbst
einer wie King die große Nummer aus dem Hut zaubern würde. Ob dabei nun ein
bisschen Wahrheit mit rein spielt sollte weniger die Rolle spielen, als das Gefühl
beim Lesen, das es wirklich wahr sein könnte.
#3 Andrew P. Wolz 2010-07-15 00:41
Apropos Kürze, ich hab mal nachgezählt:

Zieht man die Illustrationen und leeren Seiten ab, kommt man auf 91 Seiten. Diese sind bei großem Schrifttyp jeweils mit rund 200 Wörtern gefüllt. SUNSET, die letzte King-Anthologie, brachte es auf ca. 325 Wörter pro Seite. Dort hätte Billy es also nur auf 56 Seiten gebracht. Wahrlich keine Novelle. Warum also hat King zugestimmt, diese Geschichte als eigenständiges Buch zu veröffentlichen? Und da er gerne epischer schreibt, warum hat er dann Billy nicht ein wenig ausgeweitet? Weil er selber weiß, dass die Geschichte nicht mehr hergibt?
#4 Mainstream 2010-07-15 23:43
-
Hat King zugestimmt, dieses Geschichte als Buch zu veröffentlichen?
Oder hat er BLOCKADE BILLY nur zur Verfügung gestellt, um in seiner
bekannt fürsorglichen Art einen Kleinverlag zu unterstützen? Alles
reine Spekulation.

Als bekennender King-Fanatiker muss ich zugeben, das BLOCKADE BILLY
nicht viel hergibt, aber wer HEAD DOWN gelesen hat, und davon gehe ich
bei dir aus, weiß, das zu dem Spiel selbst genug geschrieben wurde.

Man sollte das Ganze im Zusammenhang sehen und nicht an seinen
schriftstellerischen Höhepunkten messen.
#5 Andrew P. Wolz 2010-07-16 03:34
Nun, der Verlag beweist durchaus einiges Marketing-Geschick. Während der Wartezeit auf Billy hat er etliche andere Bücher per Newsletter angepriesen, darunter King-Bücher und andere Autoren. Darüber hinaus soll wohl auch für den BILLY ein Schuber produziert werden, den man sich extra für das noch einmal denselben Betrag dazubestellen kann. Die Grenze zwischen offensiver Verkaufspolitik und einem Zuviel an Mails liegt im Auge des Betrachters. Wobei ich zugebe, dass King wohl eher damit einen kleinen Verlag fördern wollte, was in der heutigen Zeit löblich ist. (Für den Insider sage ich nur: F.O.X.)
#6 Mainstream 2010-07-17 20:40
-
Marketing-Geschick?
Hier geht es nicht um die Werbemails, sondern um die Frechheit, die Kreditkarte
umgehend zu belasten, sich aber dann nach dem Veröffentlichsdatum vier Wochen
mit dem Versand Zeit zu lassen. Ich glaube kaum, das man sich selbst als kleiner
Verlag wie Cemetery Dance, in Zeiten wie den unseren, soetwas erlauben kann.

Vielleicht hätte ich mch wenger echauffiert, wenn von Seiten des Versandes gesagt
worden wäre, das sich die Lieferung verzögern kann, oder wird. Aber irgendwann auf
der Homepage eine strahlende Verpackerin zu zeigen und stolz verkünden, das in einer
Woche vielleicht mit den Auslandsversand begonnen werden kann, als ob man damit
eine revolutionäre Leistung vollbringen würde, ist einfach dreist. Man hat ja nicht einmal
nach Eingang der Bestellung verschickt, sondern nach Postleitzahl.

Das ist nicht zeitgemäß. Ganz schlicht. King hat den Verlag vielleicht fördern wollen, mag
sein, aber was meine Person angeht, war das eine nur sehr, sehr kurzfristige Hilfe, denn
Cemetery Dance hat mich als Kuinde nicht binden können.
#7 Andrew P. Wolz 2010-07-19 01:53
Dann also ist die Veröffentlichung eine verunglückte Sache. Eine durchschnittliche Geschichte wird dadurch hervorgehoben und in ein Rampenlicht gestellt, die sie nicht verdient. Der Fan gibt Geld dafür aus, das er im Nachhinein bereut. Und wenn King nicht vorher von der Entscheidung der Einzelveröffentlichung gewusst hat, so wäre er doch besser beraten gewesen, sich zu erkundigen. Dann hätte er die Story womöglich noch etwas "ausgearbeitet", um die Fans nicht zu enttäuschen.

Dem durchschnittlichen deutschen Leser wird dies wohl egal sein, selbst wenn er aufhorcht, wenn ein deutscher Verlage (in der Regel Heyne) mal wieder ein King-Buch ankündigt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Baseball-Story BILLY in Deutschland als eigenes Buch erscheint, dürfte eher gering sein. Und dann ist es für den deutschen Fan der Vollständigkeit halber am Ende doch wieder interessant, den BILLY zu besitzen.

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