Nutzt die Legende sich ab? - Poldark Staffel 2
Nutzt die Legende sich ab?
Poldark Staffel 2 (2017)
Notiz zur Rezension während Folge 2:
Die zweite Staffel setzt da an, wo die Staffel 1 endet: Ross steckt in echten Problemen. Er trauert einerseits um seine tote Tochter, auf der anderen Seite steht ihm eine Gerichtsverhandlung bevor, die schlimmstenfalls mit einem Todesurteil enden kann. In der Nacht als das Schiff der Warleggans vor der Küste auf Grund lief und verunglückte, war Ross mit den meisten anderen Dorfbewohnern am Strand. Ihm wird nicht (nur) Schiffsraub vorgeworfen, er soll auch verantwortlich an der Tötung eines der Passagiere an Bord des Schiffs gewesen sein.
George Warleggan, dem Ross ohnehin ein Dorn im Auge ist, will die Gelegenheit nutzen und sich Ross Poldarks entledigen. Dass ihm dies nicht gelingt, macht ihn nur noch wütender und Ross wird erst recht zu einem Feindbild.
Die Handlung der zweiten Staffel ist sehr komplex, denn sie schildert die verschiedenen Handlungsstränge, die in den Büchern Platz finden, ebenfalls in angemessener Breite. Da ist das Zerwürfnis zwischen Verity und ihrem Bruder Francis ob Veritys Ehe mit dem gesellschaftlich indiskutablen Captain Blamey, und die wenig glückliche Ehe von Francis mit Elizabeth, die ja eigentlich Ross will - oder wollte, oder auch nicht will, je nach "Laune" - was Francis natürlich nicht verborgen bleibt. Diese Eheprobleme bleiben nicht ohne Auswirkung auf die Beziehung zwischen Francis und Ross, der seinerseits immer mit Geldsorgen zu kämpfen hat, da die Mine nicht so läuft, wie es nötig wäre. Warleggan, der neureiche "Emporkömmling", der nur darauf wartet, Ross zu brechen, nutzt den Streit zwischen Ross und Francis für seine Zwecke. Standesunterschiede (siehe Verity und Captain Blamey, Ross und Demelza, Ross und Warleggan) stehen auch zwischen Dwight Enys und Caroline Penvenen stehen. Diese beiden stehen sich allerdings wesentlich positiver gegenüber als Warleggan und Ross Poldark, zumindest nachdem es ihnen gelingt, die Probleme aus dem Weg zu räumen. Demelza, die sich über die Liebe zwischen Verity und Blamey ebenso freut wie sie sich um die Liebe zwischen Enys und Caroline sorgt, hat gleichzeitig genug Ärger in ihrer eigenen Ehe. Sie ist ja auch "nur" ein Emporkömmling, die sich die Ehe mit Ross angeblich erschlichen habe, sie kämpft immer wiederkehrend mit der Angst, Ross an Elizabeth zu verlieren.
Diese ganzen - und noch mehr - persönlichen Probleme entfalten sich vor nicht weniger dramatischen und drastischen Geschehnissen auf der großen Bühne. Es gschehen gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche, die soziale Verwerfungen einer armen Landbevölkerung und Minenarbeiter gegenüber den bedeutsamen Familien (entweder mit "altem" oder mit "jungem" Geld, wahlweise auch ohne Geld, aber mit einer alt hergebrachten Bedeutung) deutlich zutage treten lassen. Ross repräsentiert hier eine moderne Einstellung, indem er für bessere Lebensverhältnisse der Dorfbewohner kämpft und für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit einsetzt. Das ist vor der Kulisse der französischen Revolution auf dem Kontinent eine Bedrohung für die regierende Obrigkeit.
Notiz zur Rezension während Folge 4-...:
Die zweite Staffel ist handwerklich gut gemacht, ich finde sie in der Hinsicht sogar besser als die erste. Dies liegt nicht unbedingt daran, dass diese Ausgabe einen englischen Untertitel hat - teilweise echt praktisch, wenn die Charaktere Slang sprechen, auch nicht daran, dass die Handlung in ihrer Komplexität stärker in den Vordergrund tritt. Ich bin nicht ganz sicher, ob die Schauspieler mutiger sind, kann ich mir eigentlich kaum vorstellen, denn sie sind alle keine echten Newcomer, vielleicht mit einer größeren Bekanntheit mit den Charakteren.
Eleanor Tomlinson als Demelza ist bei weitem nicht mehr so farblos, wie sie in der ersten Staffel auf mich wirkte. Die Schauspielerin ist wunderschön mit ihrem Porzellan-Teint und den roten Haaren, und sie hat ein paar wirklich sehr schöne Szenen. Unter anderem jene, in der Demelza Ross mit einem gezielten Schwinger zu Boden schickt. Überhaupt hat sie, mit den Problemen, die sich in der Ehe mit Ross entwickeln, unweigerlich mehr Szenen, in denen sie aus sich herausgehen kann, Wut zeigen darf, jenes explosive Element ihres Charakters ausleben kann. Winston Graham war mit der Darstellung von Angharad Rees zu Beginn ja bekanntlich gar nicht einverstanden, bei Eleanor Tomlinson dürfte er dieses Problem mit Sicherheit nicht gehabt haben.
Dennoch bleibt bei mir eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Charakter von Demelza. Sie ist entweder zu lieb (bemüht um die Rettung der Lieben von Dwight und Verity, hilft den Unterprivilegierten, sorgt sich um die Arbeiterfamilien), oder zu still, oder sie ist wütend. Ihre Charakterzeichnung bleibt für mich hinter der von Ross Poldark zurück, teilweise sogar hinter der von Elizabeth Poldark/Warleggan. Dies kann daran liegen, dass in der zweiten Staffel der Roman Warleggan von Winston Graham im Zentrum steht. Der Titel deutet ja bereits an, dass der Konflikt zwischen Ross und seinem Dauergegner George Warleggan im Mittelpunkt der Erzählung steht. Elizabeth, die nach dem Tod von Franzis als potenzielle Partnerin für Ross plötzlich wieder interessant wird, nimmt natürlich auch mehr Raum ein.
Demelza ist zweifellos keine echte Dame ihrer Zeit, wie auch Ross kein typischer Vertreter seines Standes ist. Sie kämpft immer mehr oder weniger mit den sozialen Unterschieden ihrer Herkunft, aber sie kann sich zunehmend in der Gesellschaft bewegen. Von einer Polldark als einem Mitglied der vier sozial bedeutenden Familien der Gegend wird dies auch erwartet. Dabei ist natürlich gerade auch dieser "Aufstieg" von einer "Scullery Maid" zur Dame des Hauses für jegliche Teile der Gesellschaft ein gefundenes Fressen. Ihr Vater, der nach einer veritablen Karriere als Säufer ein bibeltreuer Verfechter eines sehr strikten moralisierenden Glaubens geworden ist, wirft Ross vor, seine Tochter in sein Bett gelockt zu haben, Demelza ist sittenlos - trotz Ehe und "bravem" Familienleben. Die bürgerliche Gesellschaft, die "zwischen" dem Geld-/Familienadel und den einfachen Bauern und Arbeitern steht, taucht kaum auf, ist auch den Romanen nicht wirklich sichtbar.
Was mich fast schon verärgert ist die Inszenierung von Ross Poldark als körperlich attraktiver Protagonist, der sich nicht nur (Staffel 1) obenrum freimachen durfte. Man spendierte ihm sogar eine "Mister Darcy aka Colin Firth kommt mit nassem weißem Oberhemd auf einem muskulösen Männerkörper"-Szene. Ich glaube nicht, dass dies bei Graham auch der Fall war, und für eine humorvolle Reminiszenz an Jane Austin in einer Serie wie Poldark echt nicht passt. Ich weiß, dass es eine Serie "nach ..." ist und keine 100% Verfilmung, aber Aidan Turner wird für meinen Geschmack einfach viel zu sehr in Szene gesetzt.
Da lobe ich mir Phil Davis und Beatie Edney, die als das Paar Jud und Prudie Paynter so richtig schön hässlich und "prollig" sein dürfen. Sie müssen nicht schön sein, sie dürfen ihre Rolle ausfüllen. Das macht, so unansehnlich die beiden auch sein mögen, die Rollen so interessant.
Auch George Warleggan, der so herrlich gemein sein darf, hat Ross gegenüber einen entscheidenden Vorteil: Er muss kein Held sein. Es ist mit Ross Poldark/Aidan Turner ein bisschen wie bei Harry Potter und/oder Heftromanhelden, Serienlieblingen, Filmhelden: Sie müssen als Identifikationsfigur herhalten, als Projektionsfläche für Sehnsüchte, teilweise auch erotische Träumereien. Da darf man nicht zu böse oder kontrovers sein. Gerade DAS ist den Machern von Poldark auf den Fuß gefallen. Ich nutze dies als Cliffhanger für meinen zweiten Artikel über die Staffel und beende den Artikel hier.
Poldark - Staffel 2