Poldark und "seine" Minen - Mining in Cornwall
Poldark und »seine« Minen
Mining in Cornwall
Wer nicht fliehen kann oder stirbt, dem wird der Prozeß gemacht. Und es ist niemand anderes als Warleggan, der - inzwischen als Richter in Amt und Würden - die Menschen aburteilt. Sie sind schuldig des Aufruhrs und Diebstahls. Als Ross wenig später mit einem seiner vertrauten Mitarbeiter unterwegs ist, erfährt man die schaurigen Hintergründe für den Überfall auf das Getreideschiff. Es hatte einmal mehr eine Missernte gegeben, die schlechteste Ernte seit 30 Jahren sogar, inzwischen verhungern die Armen, die Arbeiter in den Minen. Einige Tage, eine Woche nicht an die Arbeit zu kommen, weil man krank ist, kann über Leben und Tod der Familie entscheiden, denn es gibt keine Absicherung, wenn man bei einem Herren wie Warleggan arbeitet.
Bei dem "Zwischenfall" hat es 20 Tote gegeben, erschossen oder zu Tode getrampelt.
Warleggan urteilt hart, sicher nicht nur weil es sein eigenes Schiff war, das überfallen worden ist. Es geht um die Sicherung der Macht, die man gefährdet sieht, und speziell Warleggan in diesem Fall will sich profilieren in der gesellschaftlichen Schicht, in der er angekommen sind. Deportation in die überseeischen Kolonien und Gefängnis sind die Strafen.
Ross und sein Begleiter kommen an Wheel Leisure vorbei, einer Mine, die mal den Poldarks gehörte, auf Poldarkland lag, jetzt - wenn schon nicht direkt im Besitz, dann doch im direkten Zugriff - jedoch den Warleggans untersteht.
Um 1750 lebten etwa 25% der Bevölkerung vom Metallabbau und der Verarbeitung, um 1860 waren sogar 30% der erwachsenen Männer und 10% der arbeitenden Frauen unter Tage beschäftigt, ohne die ganzen angrenzenden Arbeitszweige, die indirekt dadurch Arbeit und Brot hatten. Gerade letztere Zahl wird unglaublich groß gewesen sein, da Cornwall abgesehen davon kaum nennenswerte andere Handwerks- oder Industriezweige besitzt. Zeitgenössische Quellen sprechen in der Zeit, in der die dritte Staffelin etwa angesiedelt ist, sprechen von 40.000 Männern, die unter Tage arbeiteten. Diese Zahl umfasst nur Männer direkt im Abbau unter Tage, nicht eingerechnet waren hierbei all die Arbeiter im Außenbereich und angrenzenden Gewerken, sowie Frauen und Kinder, die ja teilweise auch unter Tage arbeiteten. Die prekäre Situation der einfachen Menschen in Corwall, der Minenfamilien, der armen Feldarbeiter und Tagelöhner wird in dieser Zeit noch dadurch verschärft, dass die Zinnvorkommen in den Minen immer weniger werden. Entsprechend sinken die Verdienste, es werden weniger Arbeiter benötigt.
Am 30. Juni 2014 hatte man sich in Cornwall etwas ganz besonderes einfallen lassen. Zumindest für kurze Zeit konnte man ein Gefühl dafür bekommen, welch zentrale Rolle der Bergbau für Cornwall hatte, und daraus folgend, welche Bedeutung diese Enklave im äußersten Südwesten Englands einmal für Großbritannien hatte. Dieser Tag war, dank einer großen, überregionalen Initiative, dazu auserkoren worden, 20 frühere Minen nochmals in Gang zu setzen - zumindest die Generatoren und Motoren der sogenannten "Engine Houses", wie die Gebäude heißen, in denen die Maschinen der Minen untergebracht waren. Sie trieben zunächst "nur" die Pumpen an, mit denen das Wasser aus den Gängen und Schächten herausgepumpt wurden, später kam die Versorgung mit Strom dazu, Antrieb der Loren, mit denen das Material transportiert wurde, dann die pressluftgetriebener Hämmer", die Schlägel und Bergeisen ersetzten, die Werkzeuge des Bergmannes. Das Foto, natürlich nicht aus der Zeit Poldarks, zeigt die Klippen nördlich von Penwith in Cornwall, auf denen sich die Minen festklammern.
Ob die neue Serienadaption der Romane von Winston Graham und das gesteigerte Interesse am Thema Bergbau in Cornwall schon etwas mit der Aktion zu tun hat, die zwei Monate nach dem Drehbeginn stattfand, sei dahingestellt. In jedem Fall wirkte sich die Neuverfilmung, deren Dreharbeiten im April 2014 begannen, enorm fördernd auf den Tourismus in Cornwall aus - Poldark Mine, Unesco Welterbe Cornish & Devon Mining Landscape World Heritage, zusätzlich zu den ganzen Originaldrehorten wie in Botallack die Mine West Wheal Owles (in der Serie als Mine Wheal Leisure) oder der Levant Mine, in der die Szenen der Kupferförderung unterirdisch gedreht wurden.
Allein in der letzteren Mine konnte man in der relativ kurzen Zeit zwischen Erstausstrahlung und September 2016 einen Anstieg an Besuchern von 50% verzeichnen. Einen deutlich messbaren Effekt hat die Serie definitiv: Seit Ausstrahlung der ersten Staffel stiegen die Besucherzahlen in Devon und Cornwall über 155 Prozent an! Kein Wunder, immerhin ist Poldark für das Auge so etwas wie Rosamunde Pilcher - wobei Produktion und Geschichte(n) deutlich besser sind.
Malcolm Bell, Chef von Visit Cornwall, der Tourismusförderung Cornwall sagte, die Anziehungskraft, die Cornwall durch Poldark für Touristen hat(te), sei deutlich größer als die Wirkung durch die Serie Doc Martin:
"Poldark is different. Whereas Doc Martin is set in Cornwall, Poldark is of Cornwall. It's all about Cornwall – the history, the people, the mining – it has Cornwall's DNA running right through it. It is not just a splendid advert for Cornwall, it engages people and makes them interested in Cornwall.”
(Wer Doc Martin nicht kennt, sei auf den Freitag Abend, 20.15 Uhr bei Sat1 Gold verwiesen ... was für eine coole Serie auf so einem - ähh - Rentnersender - aber definitiv keine Serie dezidiert für Rentner (Quelle: johnfowlerholidays.com). Wie Bell betont, ist die Poldargeschichte so tief verwurzelt in Cornwall, wie dies bei Doc Martin, der mit all seiner Exzentrik im Mittelpunkt steht, gar nicht gehen könnte. Auf jeden Fall, so wird die BBC auf dieser Seite zitiert, könnten die Zuschauer in England sicher sein, dass die Serie bis 2020 laufen würde, dank ihrer hervorragenden Einschaltquoten.
Wer wie ich weder aus einer Bergbauregion kommt beziehungsweise dort gelebt hat, noch in seiner Familie Leute hat, die im Bergbau arbeiten, hat gewisse Schwierigkeiten damit, sich das Leben der Menschen vorzustellen, die im Bergbau arbeiten. Weder die Arbeit tief unter der Erde, ohne Licht, allenfalls mit einer tropfenden Kerze vorne auf der breiten Hutkrempe, die ein funzeliges Licht von sich gab, noch das Warten als Angehörige über dem Erdboden, immer verbunden mit der bangen Frage, ob es eventuell heute ein Unglück geben könnte, oder der geliebte Mensch vielleicht heute nicht lebendig aus der Tiefe kommen könnte.
Selbst heute, wo man statt über Leitern oder - wie in Belgien über "Treppen" - zunächst einmal stundenlang an den Ort seiner kraftraubenden Arbeit klettern zu müssen, in käfigartigen Aufzügen einfährt, die an mehreren armdicken Seilen hängen, bleibt es ein ziemlich gefährlicher Arbeitsplatz.
Die vielen Gruben, die über die Jahrhunderte hinweg in Cornwall betrieben wurden, existieren heute alle nicht mehr, bzw. nur noch als Museen. Im Juni 2014, als man die Maschinen kurzzeitig in Betrieb nahm, kündigten die rauchenden Schlote der Minen sehr sichtbar von der Geschichte Cornwalls, die über lange Zeiten vor allem unter Tage gemacht wurde. Und es machte deutlich, wie industriell diese Region einst gewesen ist, die heute vor allem vom Tourismus lebt.
In der Serie Poldark taucht die Geschichte des Bergbaus und die Lebensumstände der Menschen, die dort arbeiten, immer wieder zentral auf - schließlich lebt Poldark von dieser Geschichte, nicht nur bildlich, indem die Minen einen hervorragenden Hintergrund für die Geschicke der Familien der verschiedenen sozialen und bieten, sondern auch ganz handfest, da die Poldarks von den Erträgen der Mine(n) lebten. Auch George Warleggan, Ross Poldarks Lieblingsfeind Nr. 1, lebt vom Bergbau, jedoch anders als Ross kümmert er sich wenig um die Menschen, die für diesen lediglich Verhandlungsmasse sind.
Cornwall war für die antike Metallurgie eine wichtige Fundstätte für Zinn, so wichtig, dass bereits die Griechen Forschungsreisen dorthin unternahmen, oder die Phönizier und Karthager mit Cornwall Handel trieben. Aristoteles bezieht sich darauf als "keltisches Zinn", Plinius berichtet, der Zinnstein würde in Seifen aus dem Sande ausgewaschen, oder Strabo schreibt bereits von unterirdischem Bergbau auf Zinn.
Bei dem Zinnstein handlt es sich um Gesteine, die mit Zinn angereichert sind, und die - ähnlich wie es auch bereits in Ägypten gemacht wurde - zu feinem Staub gemahlen wurden, um diesen dann zu waschen und so anzureichern. Auch römische Nachweise der Zinnverarbeitung fanden sich in England.
Die geologischen Besonderheiten, die sich mit den Lagerstätten des Zinns und des Kupfers in Cornwall ergeben, führten zu jenen Minen, die teilweise nur wenige Meter vom Abgrund entfernt auf den imposanten Klippen Cornwalls klebten. Immer größere Tiefen und immer längere Bohrgänge machten es notwendig, Probleme zu lösen, die wichtige Impulse für die Forschung und Technologie brachten. Wasser musste aus den Minen herausgehalten werden, Luft musste hinein, das abgebaute Gestein hinaustransportiert werden. Was zunächst durch Schöpfräder geschah, wurde zu mittels Kehrrädern oder umlaufende Ketten für größere Entfernungen vom Schacht weiterentwickelt. Von Schöpfrädern wandelte man die Technik weiter durch eine sogenannte Heinzenkunst, mit ballähnlichen Konstruktionen, die an einer endlosen Kette schöpften, solange genug Wasser vorhanden war, und solange Menschen oder Tiere die Kette antrieben.
1655 erschienen in England die ersten Entwürfe für Dampfmaschinen, 1698 wurde mit "Miners Friend" - schon der Name mit einem deutlichen Hinweis auf den Zweck - von Thomas Savery eine Pumpe patentiert, die mittels Dampfenergie das Wasser aus den Minen entfernte. Es dauerte bis 1712, bis mit der Dampfmaschine von Thomas Newcomen und John Cawley, konstruiert mit Kolben und Zylindern, das Problem nachhaltig gelöst werden konnte. Sicher nicht ohne Grund gelang dieser Durchbruch in England. Gerade in Cornwall verbreiteten sich diese Maschinen rasch, und man blieb auf der Höhe der Erfindungen, indem man noch im Jahr der ersten Präsentation der Watt'schen Dampfmaschinen in den Consolidated Mines die "veralteten" Maschinen durch die im Wirkungsgrades wesentlich effektiveren Watt'schen Modelle ersetzte.
Die wachsende Industrialisierung und die daraus erwachsende größere Ausbeute an Kupfer in den Minen konnte jedoch nicht verhindern, dass im ausgehenden 18. Jahrhundert die Ära des lohnenden Abbaus von Kupfer in Cornwall langsam zu Ende ging. Zu Beginn bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts waren Cornwall und Devon industrielle Zentren, der Handel war lukrativ, und das Auskommen der Menschen halbwegs gesichert - abgesehen von den vorhandenen sozialen Ungerechtigkeiten. Cornwalls Zinn und Kupfer gehörten zu den ergiebigsten, die Bergarbeiter galten als die weltweit Besten ihrer Zeit. Aus allen Ländern Europas kamen Männer nach Cornwall, um die fähigen Bergleute abzuwerben. Dies änderte sich gen Ende des 18. Jahrhunderts, als die Mengen des abgebauten Zinns zurückgingen, die Nachfrage nach Zinn nicht mehr so groß war, und - siehe die zu Beginn geschilderte Szene - das Vorkommen an Kupfer nicht groß genug war um alle Arbeiter zu benötigen. Hinzu kamen mit den kleiner werdenden weißen Flecken auf der Landkarte ergiebige Funde in anderen Regionen der Welt, zusammen mit besseren Methoden des Auffindens und des Abbaus von Metallen.
Der Handel mit Wolle litt unter dem Aufkommen des mechanischen Webstuhls und dem Aufstieg der Industrie im Norden und der Mitte Englands.
In der Folge kam es zu einer großen Auswanderungswelle von Minenarbeitern aus Cornwall nach Mexiko, Australien oder Brasilien.
Die Zeit, in der Poldark spielt, markiert eine Phase großer gesellschaftlicher und sozialer Umbrüche. Die Industrialisierung greift um sich und verändert die Strukturen des Lebens der Menschen überall vollständig. Ross ist dabei nicht der große Sozialist, dessen Ansinnen es ist, eine gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen, er versucht als "Erster unter vielen" für die ihm Schutzbefohlenen da zu sein. Als George Warleggan die Mine Wheel Leisure schließt, eine "Rachenantwort" auf die Getreidespenden von Demelza und Caroline Penvenen für die Armen der Gegend, stellt Ross die Männer in seiner Mine an. In dem Wissen, dass er mit dem Geld, das er den Männern als Gehalt zahlen muss, seinen eigenen Gewinn schmälert, es also direkt an seinen Geldbeutel geht.
Während Ross und Demelza Poldark also darum kämpfen, dass die Mine offen bleiben kann und die einfache Bevölkerung ihr Brot verdienen können, zeigen sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme, die über die Region hereinbrechen.
Dieser Artikel hat ja nicht allein die Serie als Schwerpunkt, sondern soll den geschichtlichen Hintergrund etwas aufzeigen, dazu gehört auch die Frage, in welchem Maß es der Serie (und den Romanen?) gelingt, diese Thema zu behandeln. Für viele Rezensionen, Artikel, Medienplattformen erschöpft sich die Beurteilung der Serie in dem Abfeiern der wunderschönen Landschaftsaufnahmen, des authentischen Settings und der Ausstattung, und in erster Linie in dem "ach so romantischen" Aidan Turner, der immer mit seiner kunstvoll zerknautschten Lockenpracht durch die Szenen läuft, sich auch mal nackig (nur obenrum) machen durfte (LINK: https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/off-topic-2/gesehenes/31718-nutzt-die-legende-sich-ab-poldark-stafffel-2).
Der romantische Aspekt der Geschichte ist natürlich schon im Original gegeben, natürlich gibt es diese kleinen Liebesflüstereien von Demelza und Ross, im Roman jedoch hat es nicht diese Extremwirkung. Da man das "Sahnestückchen" Ross in der Person von Aidan Turner nicht ständig so inszeniert vor Augen hat, haben diese Szenen eine andere Wirkung. Auch natürlich kann Aidan Turner, ebenso wie Eleanor Tomlinson, nichts dafür, dass er dem gängigen Schönheitsbild entspricht, und die sehnsuchtsvollen kleinen Eskapismusurlaube von Frauen ein wichtiger Grund für die großartigen Zahlen der Serie sind. Und natürlich ist die Geschichte, trotz ihrer Entstehungszeit in der sozial gerechtigkeitsbewegten Nachkriegszeit der 50-er Jahre, kein Roman über die sozialen Probleme der Bergarbeiter oder eine Kritik aus der Thatcher-Ära. Winston Graham war an der Geschichte Cornwalls interessiert, wo er selbst lange lebte. Es ist eine Phase der beginnenden Industrialisierung einer kleinen, klar abgegrenzten Region, die einen hervorragenden literarischen Boden bildet, auf dem man die Schicksale von Menschen erzählen konnte.
Jon Mills, ein Experte für Corwall und Cornisch, sagte, das Bild von Cornwall in Poldark sei "hochgradig romantisierend", allerdings sei dies eben die Natur vieler breiter angelegter Fernsehserien.
"Viele Leute in Cornwall mögen die Serie sehr, ebenso wie allgemein viele Engländer. Einige finden diese Romantisierung zweifellos übertrieben süßlich und übersentimental, und der künstliche cornische Akzent bringt viele Leute aus Cornwall zum winseln."
Jon Mills, Linguist an der Universität Kent, sagt jedoch auch, dass die Serie auf soziale Probleme hinweisen würde, deren Auswirkungen bis heute zu spüren seien.
"Während die Serie im ausgehenden 18. Jahrhundert angesiedelt ist, dient sie als eine Metapher für die Ausbeutung der Armen durch die Reichen heute. Die ist für das heutige Cornwall genauso relevant wie in der Vergangenheit."
Poldark - Staffel 3