Zwei alte Nervensägen - »Sonny Boys« (1995)
Zwei alte Nervensägen
»Sonny Boys« (1995)
Wie gut, dass man die Hochphase des Theaters immer wieder festgehalten hat, indem ausgewählte Stücke im Fernsehen übertragen wurden.
So zum Beispiel auch 1995 die sicherlich x-te Wiederaufnahme des Neil-Simon-Klassikers „Sonny Boys“, der sich seit seiner Uraufführung 1972 zu einem Dauerbrenner auf den internationalen Theaterbühnen entwickelt hatte. Legendär ist die 1975 entstandene Filmversion mit Walter Matthau und George Burns – letzterer bekam für seine Interpretation des Al Lewis damals sogar einen Oscar. Aber auch in Deutschland entwickelte sich die bitterböse Komödie um ein verkrachtes Komikerduo schnell zu einem Evergreen. 1982 mimten Carl-Heinz Schroth und Johannes Heesters die beiden Streithähne, und sogar die Kabarettisten Werner Schneyder und Dieter Hildebrandt ließen es sich 2001 nicht nehmen, die Rollen auf ihre ganz eigene Weise zu interpretieren. Bereits 1995 inszenierte Jürgen Wölffer, der Vater des derzeitigen Intendanten Martin, im Berliner Theater am Kurfürstendamm Simons Stück mit den beiden ausgesprochenen Boulevardtheaterlieblingen Harald Juhnke (1929-2005) und Wolfgang Spier (1920-2011). Keine Frage, dass auch diese Version vom Schauspieltalent der beiden Erzkomödianten gehörig geadelt wird.
Fast ein halbes Jahrhundert lang waren Willie Clark (Harald Juhnke) und Al Lewis (Wolfgang Spier) ein eingespieltes Komikerduo – erfolgreich und legendär. Doch vor elf Jahren ging die Partnerschaft in die Brüche, zwischen den beiden greisen Männern herrscht seitdem Funkstille. Nun versucht Willies Neffe Ben Silverman (Roland Strehlke), der gleichzeitig auch dessen Agent ist, seinem Onkel wieder ein lukratives Angebot zu verschaffen. Ein Fernsehauftritt ist geplant, bei dem die erfolgreichsten Komiker des Jahrhunderts ihre besten Sketche spielen sollen. Natürlich will man Willie nicht alleine buchen, sondern nur zusammen mit seinem langjährigen Partner Al. Doch der alte Mann schaltet auf stur. Gepiesackt hätte ihn sein Sketchpartner, immer wieder seinen Zeigefinger in seine Rippen gerammt und ihm bei Monologen immerzu direkt ins Gesicht gespuckt. Ben lässt aber nicht locker und kann schließlich beide Dickschädel überzeugen, doch über ihren Schatten zu springen und es noch einmal miteinander zu versuchen. Doch schon die erste Probe im Appartement Willies in Manhattan gerät zu einem Fiasko, weil die alten Gewohnheiten der beiden Exzentriker im Nullkommanichts wieder zu Tage treten.
Von den vielen Neil-Simon-Komödien, die nach wie vor zu den Klassikern des Theaters zählen, ist „Sonny Boys“ sicherlich nach wie vor eine der witzigsten. Hier sitzen die Pointen und prasseln geradezu auf die Zuschauer ein, hier wird eine in ihren Grundzügen zeitlose Geschichte erzählt, weil es um menschliche Schwächen und Makel geht. Trotzdem ist die Besetzung natürlich die wichtigste Komponente. Und die kann sich auch in dieser Variante wirklich sehen lassen. Sowohl Juhnke als auch Spier haben die nötige Routine und Erfahrung, um jeden Gag passgenau zu bringen, stets die richtige Mimik aufzusetzen und auch die Pausen exakt zu bringen. Nicht nur Fans der beiden Vollblutkomödianten werden hier auf ihre Kosten kommen. Der Fernsehmitschnitt einer Theateraufführung ist im Bild (Vollbildformat 4:3) soweit in Ordnung, MAZ-Artefakte treten nur selten auf. Auch der Ton (Deutsch in Dolby Digital 2.0) ist nicht zu beanstanden und stets gut verständlich. Auf die Beigabe von Bonusmaterial hat man bei der DVD-Erstveröffentlichung allerdings verzichtet.