Norbert Off Topic - Folge 7: Sturm der Gefühle
Sturm der Gefühle (To Walk Invisible)
Die Schwestern Charlotte, Emily und Anne Bronte gehören auch heute noch zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Weltliteratur. Viel haben sie nicht geschrieben, das verhinderte schon das frühe Ableben der Frauen, doch ihre Werke sind gezeichnet von einem intelligenten und sehr emotionalen Umgang mit der Sprache. Bücher wie JANE EYRE oder WUTHERING HEIGHTS sind eingegangen in eine Literatur, die noch in Jahrhunderten existieren wird. Wie aber kam es dazu, dass drei Schwestern, die in sehr bescheidenen Verhältnissen lebten, zu solch einem Ruhm gelangen konnten und doch selber kaum davon profitieren durften?
Autorin und Regisseurin Sally Wainwright wollte das Leben der Schwestern exakt nachzeichnen, doch sie musste zu der Erkenntnis gelangen, dass eine bloße Abhandlung der Ereignisse einen zu dokumentarischen Charakter bedeutete. Ein paar Gesetze der Dramaturgie mussten eingehalten werden. Die Entscheidung, die daraus getroffen wurde, ist bemerkenswert. Der Film erzählt nun seine Geschichte so, als hätten die Schwestern das Drehbuch geschrieben. Der Film bewegt sich über einen längeren Zeitraum, schwelgt manchmal in opulenten optischen Beschreibungen und flechtet gekonnt die Werdegänge und Schicksale aller Protagonisten ein. Ja, manchmal schenkt er ausgerechnet Branwell, dem Bruder, zu viel Aufmerksamkeit, aber er ist ein interessanter Charakter und einer der Beweggründe für die Schwestern, den entscheidenden Schritt zu wagen. So entstand die facettenreiche Geschichte einer Familie und ein Zeitbild der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Familie, bestehend aus dem Vater Patrick, den drei Schwestern und ihrem Bruder, lebt am Rande von Haworth/West Yorkshire. Die finanziellen Einkünfte sind spärlich. Als Pfarrer hat sich der Vater zur Ruhe gesetzt und Branwell scheiterte als Diener eines höheren Hauses, weil er sich auf eine Affäre mit der Hausherrin einließ und von deren Ehemann erwischt wurde. Der Vater ist mittlerweile halb blind und hält die Familie mühsam mit seinem Ersparten über Wasser. Branwell ist alkoholabhängig geworden und belastet damit die Nerven der Familienmitglieder und die Haushaltskasse. Er hat Flausen im Kopf, träumt von einer großen Karriere als Schriftsteller, doch ob der Trunksucht bringt er kaum einen vernünftigen Gedanken zu Papier. Anders als seine Schwestern, die in der Heimlichkeit Geschichten und Gedichte verfassen. An eine Veröffentlichung ist aber nicht zu denken. Frauen werden als Schriftsteller nicht ernst genommen. Dennoch, Charlotte liest heimlich die Gedichte von Emily, welche von einer betörenden Poesie sind. Sie fasst den Gedanken, diese mit ihren eigenen zusammenzustellen und einen Gedichtband zu veröffentlichen. Emily jedoch sträubt sich und gerät ob des unerlaubten Lesens in einen heftigen Streit mit ihrer Schwester. Doch kann sie sich verweigern, wenn die Geldnot die Familie zu erdrücken droht? Das karge Angebot eines Verlages hilft ihnen kaum weiter, zumal das Werk unter einem männlichen Pseudonym veröffentlicht wird. Dennoch, ermutigt durch das Buch beginnen sie Romane zu schreiben.
Branwell indes droht die Alkoholsucht zum Verhängnis zu werden. Er schnorrt überall Geld zusammen, bis eines Tages ein Geldeintreiber vor der Tür steht und ihn einsperren will, wenn er nicht zahlt.. Die Familie begleicht, obwohl kaum noch Mittel vorhanden sind. Bald darauf erkrankt er junge Mann. Die Schwestern stellen unterdessen ihre Romane fertig und schicken sie ein. Auch diese Veröffentlichungen erfolgen unter einem männlichen Pseudonym. Besonders JANE EYRE und WUTHERING HEIGHTS geraten zur Sensation. Als fälschlich die Rechte nach Amerika verkauft werden sollen müssen die Schwestern sich zu erkennen geben.
Womit die Legende eigentlich erst beginnt und doch endet. Branwell stirbt kurz darauf, bevor er erfahren kann, dass die Frauen jenen Ruhm ernten, den er sich erhofft hatte. Doch auch Emily und Anne bleibt nicht mehr viel Zeit den Erfolg zu feiern. Krankheiten, die heute nur eine kurze Behandlung erfordern, ließen ihnen keine Hoffnung. Lediglich Charlotte war es gegeben noch weitere Werke zu vollenden.
Wie immer, wenn die BBC Stoffe aus vergangenen Jahrhunderten in Angriff nimmt, ist auch dieser Film von erlesener Optik geprägt. Der Drehort, die Ausstattung, die Kostüme, das Aussehen der Darsteller/innen – das alles entspricht jenem Zeitbild, das der Film wiedergeben soll und will. Die Charakterzeichnungen der Figuren wirken dabei ebenso authentisch wie die Sprache, derer sich die Menschen hier bedienen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum es immer wieder BBC-Produktionen sind, die mir vergangene Jahrhunderte so glaubhaft vermitteln können. Die Antwort darauf dürfte sogar recht einfach sein. Die Briten sind ein sehr traditionsbewusstes Volk. Viele Landschaften sowie auch Gebäude und deren Innenausstattung werden erhalten und sehen noch so aus wie vor zwei- oder dreihundert Jahren. Man braucht keine aufwändigen Sets herzurichten und so wirkt das Ambiente einfach authentischer als wenn es nachgebildet würde. Spielen die Filme in ländlichen und/oder ärmlichen Gegenden, so wird selten etwas beschönigt. Die Umgebung ist halt schmutzig, die Leute sind einfach und bieder gekleidet. Hochglanz sucht man dabei vergebens.
Dieser Film musste trotzdem etwas anders hergestellt werden. Production Designer Grant Montgomery sah eine große Herausforderung darin, das originale Haus der Familie Bronte für die Dreharbeiten zu nutzen. Es ist heute ein Museum und so konnte es nicht von allen Seiten gefilmt werden. Auch innen durfte im Wesentlichen nichts verändert werden, sodass er Tage damit zubrachte, die gesamte Architektur und Ausstattung zu fotografieren und zu studieren. Er musste es im Studio nachbauen lassen, doch durch seine akribische Arbeit konnte alles so authentisch wie möglich rekonstruiert werden.
Abseits davon, für mich war/ist dieser Film Pflicht. Ganz persönlich halte ich WUTHERING HEIGHTS (Sturmhöhe) von Emily Bronte für das Buch aller Bücher. Ein Roman, den ich bereits zwölf Mal in der deutschen und drei Mal in der originalen Fassung gelesen habe und der mich wahrscheinlich noch beim hundertsten Mal fesseln und mitreißen wird und dessen Facetten ich wohl niemals vollständig erfassen werde.
In gewisser Hinsicht gilt das auch für diesen Film. Fraglos ist ihm eine gute deutsche Synchronisation widerfahren, doch dabei wurde nur bedingt eine entscheidende Tatsache berücksichtigt. Vor mehr als 150 Jahren war die Sprache eine andere. Für uns gegenwärtige Menschen wirkt diese oft gestelzt und kompliziert. Das Schreiben des Dialogbuches dürfte keine leichte Arbeit gewesen sein. Wahrscheinlich werden sich selbst manche Engländer Untertitel zugeschaltet haben um alles zu verstehen. Verschiedene Rezensionen, die auf den Umstand der Sprache, einhergehend mit Dialekt und Aussprache hinweisen, legen diese Vermutung nahe.
Die Bronte-Schwestern sind Legenden, doch es gibt keinen Grund, sie in einem unnatürlichen Licht oder gar mit einem Heiligenschein zu zeigen. Sie lebten nicht in königlichen Häusern, trugen keine speziell maßgeschneiderten Kleider und waren nicht auf Rosen gebettet. So ist STURM DER GEFÜHLE ein ehrlicher Film, auch wenn sein Entstehungsprozess, den kleinen Extras auf der Disc nach, aufwändiger war als er es zeigen kann und darf.
Erwähnen sollte man wohl noch, dass es bereits lange vor diesem Film eine bedeutende französische Verfilmung des Lebens jener Schwestern gab. Er entstand bereits 1979 unter der Regie von André Techiné mit dem Titel LES SOEURS BRONTE (Die Schwestern Bronte). Die Hauptrollen spielten Marie-France Pisier (Charlotte), Isabelle Adjani (Emily) und Isabelle Huppert (Anne). Den Film habe ich noch nicht gesehen, wird aber gewiss bald nachgeholt.
Sturm der Gefühle
Cover und Screenshots der deutschen DVD (Universum Film/Universal)
Kommentare
Und mal ehrlich, Norbert, manch einer von uns träumt doch auch davon, Schriftsteller zu sein. (Mir ging das tatsächlich bereits mit 11 Jahren so...aber,aber, aber)
Das ist wohl wahr. Ich habe mir zumindest das Schreiben über die Jahre bewahrt. Auf einem Extra-Stick lagern inzwischen diverse längere und kürzere Romane sowie Kurzgeschichten, die ich nur für mich geschrieben habe oder mal an Freunde verteile. Jeder, der Artikel verfasst, sollte kontinuierlich schreiben. Das macht sich stilistisch bemerkbar. Wenn ich meine heutigen Dinger mit jenen aus der Frühzeit des Zauberspiegels vergleiche – oder gar mit meinem Hüter-Roman (würg), dann wird es deutlich. Irgendwann kommt aber der Punkt, da es mir reicht, hier im ZS gelesen zu werden. Ein Kommentar wie deiner würdigt meine Arbeit. Mit meinen knapp 60 Jahren bin ich über den Punkt hinaus da ich reich und berühmt werden will.
Warum glaubst du das? Du hast doch auch in der Vergangenheit schon Artikel geschrieben. Ich denke nicht, dass irgendjemand auf der Seite des ZS sooo schlecht ist, dass er nicht erscheinen könnte. Wir sind hier kein Kreis von hoch Gebildeten, da kann man schon über diverse Fehler hinweg sehen. Mach' es einfach. Du besitzt ein solch umfangreiches Wissen. Und wenn du z.B. die kleinen Filme der Siebziger magst, dann erzähle uns etwas darüber. Und das mit der Gesundheit zählt nicht, es sei denn deine Finger wären abgefallen. Ich bin seit einiger Zeit schwer krank. Aber genau das war ein entscheidender Faktor für meine Rückkehr zum ZS. Ich sitze viel zuhause und habe mich deshalb auf das konzentriert, was mir wirklich Spaß macht. Und wenn ich wirklich gut wäre, dann würde ich mir wohl mit Brown und Follett ein Büro teilen.
Hey, Horst, kannst du dem jungen Mann mal Mut zusprechen?
Und Heizer: Keine Bange, ich werde dich und auch die anderen weiter mit Artikeln belästigen.
Das möchte ich doch stark hoffen
Davon war ich auch ausgegangen.
Und ich fühle mich ganz sicher nicht belästigt.
Von niemandem hier.....das wäre aber auch schräg.
Nicht mal von Harantor.
Na ja.....eine Ausnahme gibts vielleicht......nennen wir ihn beim Namen, um Spekulationen vorzubeugen:
Ich meine den Gossengag-Schreiber Bright Angel.