Norbert Off Topic - Folge 13: Ruth & Alex
Ruth & Alex
Mal etwas Leichtgewichtigeres. Viele Rezensenten behaupten, dass man dem Film nur dann richtig folgen kann, wenn man ein gesetztes Alter erreicht hat. Ich will dieser These gar nicht widersprechen. Vor 15 oder 20 Jahren wäre ich vor so einem Ding sehr wahrscheinlich nach allerspätestens einer halben Stunde selig entschlummert. Er ist zwar so etwas wie eine Komödie, aber er ist auch ein Film über das Leben und das, was es aus den Menschen machen kann.
Morgan Freeman ist für mich einer der ganz großen Sympathieträger des Hollywoodkinos und so fiel es mir nicht schwer die Disc in den Player zu legen. Diane Keaton ist mir immer durch ein unaufgeregtes Schauspiel aufgefallen. Zumindest ob der Hauptdarsteller konnte also nichts schief gehen. Gemütlich in den Fernsehsessel zurücklehnen und das Treiben verfolgen.
Oh ja, die Zeiten haben sich geändert. Der Spaß an Buddy-Komödien und High-School- oder Strandklamotten neigt sich dem Ende. Es muss nicht mehr laut und hektisch zugehen und jeder Gag mit dem Vorschlaghammer serviert werden. Mancher würde diesen Film als zu gemäßigt, zu harmonisch und damit als zu kitschig betrachten. Ich kann diese Argumente noch nicht einmal entkräften, aber mir steht heute gerne der Sinn nach Filmen, in denen ich mich treiben lassen kann, ohne durch Adrenalinattacken im Sessel zu verkrampfen.
Und so sehe ich Ruth und Alex Carver, ein Paar jenseits der 60er-Marke, seit 40 Jahren glücklich verheiratet. Ihre Wohnung in Manhattan liegt im vierten Stock und der tägliche Gang die Treppenstufen hinauf und hinunter fällt vor allem Alex immer schwerer. Da das Gebäude schon sehr lange steht ist die Wohnung inzwischen ein Vermögen wert. Eines Tages beschließen die Beiden diese zu verkaufen, um in ein Haus zu ziehen das einen Fahrstuhl besitzt. So beauftragen sie die befreundete Immobilienhändlerin Cynthia Nixon damit, das Objekt möglichst teuer zu verkaufen.Cynthia ist eine etwas aufgeregte Dame mittleren Alters, die ständig den Leuten über den Mund fährt um ihnen von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Dummerweise wird die Brücke nach Manhattan für mehrere Tage gesperrt, weil dort ein Tanklastzug liegen geblieben ist. Der Fahrer ist ein Muslime und er begibt sich auf die Flucht. Also vermutet man einen terroristischen Hintergrund. Solch ein Vorgang könnte den Wert der Wohnungslage natürlich mindern, zumal der vermeintliche Terrorist nicht gleich geschnappt wird. Zu allem Übel wird auch noch Dorothy krank, das kleine Hündchen, welches Alex seiner Frau vor vielen Jahren schenkte. Das Tier muss in eine Klinik und operiert werden, was eine Menge Kosten verursacht. Schlimmer noch wirkt sich aber das Fehlen von Dorothy aus, welche die Wohnung mit Leben erfüllt und mit der Alex täglich seine Runden zu gehen pflegt.
Glücklich ist das Paar nicht darüber, die Wohnung, in der sie seit der Eheschließung leben, an wildfremde Leute abzugeben. Cynthia bringt ständig irgendwelche Typen zur Wohnungsbesichtigung an, die alle nicht gerade die Sympathie wecken. Ruth gibt sich Mühe, den richtigen Folgebesitzer auszuwählen, aber Alex ist wenig begeistert. Er würde sich lieber weiter über die Treppen quälen. Doch es muss wohl so sein. Sie begeben sich derweil auf eigene Wohnungssuche und finden schließlich eine, die ihnen geeignet erscheint. Währenddessen ist der Araber immer noch auf der Flucht. Immerhin haben sie den Lastwagen entfernt und dann die Brücke wieder frei gegeben. Dorothy liegt derweil unglücklich in ihrem Käfig, hat die Operation zwar überstanden, kann aber die Beine nicht bewegen.
Schließlich einigen sie sich darauf die neue Wohnung zu kaufen. Als Ruth und Alex dort auftauchen um den Vertrag zu unterschreiben, wird im Fernehen gezeigt wie der Terrorist verhaftet wird, dem keine kriminelle Handlung bisher 2nachgewiesen werden kann. Die Vorbesitzer der Wohnung lassen Kommentare los, die von Folter bis Ermordung gehen. Alex verweigert darauf seine Unterschrift. Er will lieber noch so lange es geht die Treppe erklimmen, als dass er in eine verseuchte Wohnung zieht.
Der Schluss ist wie der Anfang, Alex dreht mit Dorothy, die wieder voll genesen ist, seine Runde, auf der er die "New York Times" kauft. Sie wissen nun was sie haben und dass Vertrautes Sicherheit und ein glückliches Leben bedeutet. Cynthia hat mit ihnen gebrochen, denn sie fühlt sich betrogen, aber sie war ohnehin nur eine Nervensäge.
Das Komische an diesem Film ist, dass er nicht wirklich auf den Punkt kommt und trotzdem eine runde Geschichte erzählt. Es fiel mir sehr leicht die beiden Menschen zu verstehen. Fern der Hektik und des Stresses ist es ihre Erkenntnis, dass ihr Leben sich in harmonischen Bahnen bewegt. Ein paar Tage Aufregung zwischen all den Leuten, den Terminen und den Schlechtigkeiten dieser Welt haben dafür gereicht. Eine Veränderung bedeutet einen Neuanfang, der in ihrem Leben nicht mehr nötig ist.
Ein kleines bisschen Nachdenklichkeit gibt es auch in diesem Film. Der 11. September 2001 hat Spuren hinterlassen. Ganz bewusst nimmt Alex darauf Bezug, als der Araber verhaftet wird. Er wird von den Leuten verurteilt, obwohl niemand weiß, ob der Mann wirklich etwas Böses getan hat. Er ist geflüchtet, weil er eben diese Vorverurteilung fürchtete. Ruth und Alex kennen diese Situation. Vor vierzig Jahren, als sie beschlossen zu heiraten, waren die Vorbehalte gegen Schwarze ähnlich und sie mussten sich sogar gegen die eigenen Familien zu Wehr setzen. Daran erinnert sich Alex, als er seine Unterschrift verweigert.
Und dann ist da noch Dorothy. Die Hündin hat im Alter den Zenit ihres Lebens längst überschritten. Aber ist sie deshalb etwas, das man seinem Schicksal überlassen sollte? Sie hat immer bei Ruth und Alex gelebt und ist somit ein Teil der Familie. Im Krankheitsfall kann sie nicht für sich sorgen und so haben die Menschen die moralische wie emotionale Pflicht dieses zu übernehmen. Dabei darf auch das Geld keine Rolle spielen.
Die komischen Momente des Films kann man nicht richtig herausfiltern. Es sind Augenblicke, ein paar Dialoge und/oder Gesichtsausdrücke, sowie der Gesamteindruck. Brüller gibt es keine, auch wenn ich bei der Fahrstuhlszene in einem der Häuser auf der Besichtigungstour schon mal lauter lachen musste.
RUTH & ALEX ist eine stille Komödie, getragen von zwei Darstellern, die mir immer das Gefühl geben zuhause zu sein. Sie sind glaubwürdig, natürlich und heben nie den Zeigefinger. Wozu auch? Sie müssen niemanden missionieren. Ihre Welt ist vollkommen, so wie sie ist. Selten habe ich einen Film gesehen nach ich mich so richtig wohl gefühlt habe. Das zu erreichen ist wahrhaftig nicht vielen gegeben. Und da ist es mir gleichgültig, ob die Leute das Kitsch nennen oder nicht.
Ruth & Alex
Cover und Screenshots der deutschen DVD (New KSM)