Leben retten - »Styx«
Wolfgang Fischers („Was du nicht siehst“) neuer Film ist geradezu am Puls der Zeit entstanden und nimmt sich der Flüchtlingsthematik auf überaus persönliche und deswegen umso eindringlichere Weise an. Bei Fischer geht es nicht um Statistiken und namenlose Massen, bei ihm wird das Problem auf engstem und privatestem Raum angesiedelt und damit auf die menschlichste Ebene heruntergebrochen. Rike (grandios: Susanne Wolff) ist eine deutsche Notärztin. In ihrer Freizeit ist sie leidenschaftliche Seglerin. Mit ihrem Einmaster bricht sie von Gibraltar in Richtung Ascension auf, wo sie den von Charles Darwin auf einer Insel künstlich angelegten Urwald besichtigen will. Nach einem nächtlichen Unwetter entdeckt sie am nächsten Morgen irgendwo auf hoher See vor der Küste Afrikas einen bewegungslosen Fischkutter, der offensichtlich mit Flüchtlingen überladen ist, die um Hilfe rufen. Rike ist hin- und hergerissen zwischen ihrem natürlichen Bedürfnis, den in Seenot Geratenen das Leben zu retten, und ihr eigenes Leben dabei nicht in Gefahr zu bringen. Denn ihr Segelboot wäre viel zu klein, um alle Schiffbrüchigen aufzunehmen.
Im ersten Teil seines Films schildert Wolfgang Fischer sehr anschaulich zunächst den Lebensalltag seiner Protagonisten, um danach zu zeigen, wie gut sich die Frau auch auf ihrem Segelboot alleine zurechtfindet. In fast schon dokumentarischen Bildern zeigt uns „Styx“ die Handgriffe an Bord, bis es schließlich zu der alles verändernden Begegnung auf hoher See kommt. Einen der Schiffbrüchigen, einen etwa vierzehnjährigen Jungen namens Kingsley (Gedion Oduor Wekesa), kann Rike unter schweren körperlichen Anstrengungen auf ihr Boot ziehen, da dieser vollkommen bewegungslos, weil entkräftet und dehydriert im Wasser treibt. Gerade auch bei diesen Szenen wird offensichtlich, was Fischer seiner Hauptdarstellerin in diesem Film abverlangt hat und wie dienlich das dem Authentizitätsgehalt von „Styx“ ist. Wenn die Skipperin über Funk einen Seenotruf absetzt und verzweifelt versucht, den ansonsten zum Tode verurteilten Flüchtlingen Hilfe zukommen zu lassen, werden auch einige Absurditäten offensichtlich, die in diese komplexe Thematik mit hineinspielen.
Was kann ein Einzelner bei diesem drängenden Problem schon leisten, wenn selbst diejenigen, die die Kapazitäten dazu hätten, untätig bleiben? Ein Film, der verstört und erschüttert zurücklässt, aber dem es dennoch gelingt, einen kleinen Funken Hoffnung zu säen.
„Styx“ ist in diesem Jahr einer der großen Favoriten beim Deutschen Filmpreis, denn er geht mit sechs Nominierungen (den zweitmeisten nach „Gundermann“) ins Rennen: für den besten Film, die beste Regie, die beste Hauptdarstellerin, die beste Kamera, den besten Schnitt und die beste Tongestaltung. Die DVD-Erstveröffentlichung präsentiert den Film in einem guten Bild (Widescreen-Format 1,85:1) und mit einem sehr guten, realistisch abgemischten Ton (Deutsch und Englisch zusammen als Originalton, wahlweise in Dolby Digital 5.1 oder 2.0, optional mit deutschen und englischen Untertiteln sowie deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte). Als Bonus gibt es eine Audiodeskriptionsfassung für Sehgeschädigte sowie den Trailer zum Film und im DVD-Rom-Teil der Scheibe das 22seitige Presseheft zum Film als PDF-Datei.
Kommentare
den sollte man sich auf jeden Fall anschauen.