Die Komik des Tragischen - »Wie man sein Leben lebt«
Die Komik des Tragischen
»Wie man sein Leben lebt«
Als Quentin Crisp erkannte, dass er homosexuell ist, war das zum einen eine Erleichterung für den jungen Mann, andererseits aber auch ein großes Problem, denn das England der 1920er Jahre war in dieser Hinsicht alles andere als tolerant oder weltoffen. Nicht umsonst haftet den Briten der Ruf der Prüderie an – stets getreu dem Motto: „No Sex Please, We’re British“. All diesen Hürden zum Trotz entschied sich Crisp dazu, seine Sexualität weder zu leugnen, noch im Verborgenen auszuleben. Stattdessen kleidete er sich auffällig, häufig in einer Mischung aus Frauen- und Männerkleidern, trug Lippenstift und lackierte sich die Fingernägel, damit auch die Menschen auf der Straße erkannten, dass es mehr auf dieser Welt gibt, als sie sich mit ihren kleinbürgerlichen Gehirnen träumen lassen. Crisp veröffentlichte im Jahr 1968 seine Autobiografie „The Naked Civil Servant“, doch erst dessen Verfilmung (die in Deutschland den Titel „Wie man sein Leben lebt“ erhielt) machte den Unerschrockenen zu einer lebenden Legende, die schon bald auch über die Grenzen Englands hinaus bekannt war. Als einer der Vorreiter der Schwulenbewegung, noch Jahrzehnte vor den Stonewall-Aufständen in der Christopher Street in New York, hat sich Crisp unsterblich gemacht.
Jack Golds Adaption der Autobiografie entstand 1975 für das britische Fernsehen Thames Television und enthält eine kleine Einführung von Quentin Crisp selbst, der sich zu seinem Leben und dieser Verfilmung äußerst. Für die Rolle des Paradiesvogels konnte man Ausnahmedarsteller John Hurt gewinnen, der als Crisp später unter anderem einen BAFTA als bester Schauspieler gewinnen konnte. 1980 war es Hurt, der die US-Fernsehshow „An Evening with Quentin Crisp“ moderierte und diesen damit den Amerikanern nahebrachte, und im Jahr 2009 schlüpfte er abermals in die Rolle Crisps, um in „An Englishman in New York“ die US-Jahre des Schriftstellers und Lebenskünstlers nachzuerzählen. „Wie man sein Leben lebt“ spielt in Großteilen in den 1930er und 40er Jahren, als Crisp in London wohnte und in einem exzentrischen Polen (Stanley Lebor), einer gehbehinderten Kunststudentin (Liz Gebhardt) und einer exaltierten Ballettlehrerin (Patricia Hodge) seine besten Freunde hat. Durch Crisps selbstbewusstes Auftreten in der Öffentlichkeit kommt es immer wieder zu Konflikten, zunächst mit seinen konservativen Eltern, später aber auch durch homophobe Schläger oder die Polizei, die die „sexuelle Perversion“ des Mannes als straffällig einstuft und ihn vor Gericht stellt. Doch mit flamboyanter Grandezza und dem Mut des Außenseiters meistert Quentin Crisp schließlich auch diese Herausforderung.
Jack Gold hat Quentin Crisps Autobiografie zügig inszeniert und aus den inneren Monologen des Autors eine eingängige Spielhandlung gezimmert. Diese strotzt geradezu von den Onelinern und sarkastischen Kommentierungen Crisps, dessen Witz und Unverblümtheit man durch fast jeden Satz durchschimmern sieht. John Hurt ist die Idealbesetzung für den selbstbewussten Außenseiter, der mit Würde sein Leben lebt und sich nicht unterkriegen lässt. Die historische Epoche wurde ebenfalls überzeugend wieder zum Leben erweckt und liefert den authentischen Hintergrund für die Ereignisse, die auf gelungene Weise zwischen Komik und Tragik zu pendeln verstehen. Die DVD-Erstveröffentlichung des Films erfolgt im Vollbildformat (4:3) und mit wahlweise deutschem oder englischem Ton (in Dolby Digital 2.0 Mono). Als Extra hat man einen Audiokommentar mit aufgespielt, der gemeinsam von Sir John Hurt, Regisseur Jack Gold und der ausführenden Produzentin Verity Lambert eingesprochen wurde.