Der belgische Münchner - »Der falsche Paß für Tibo«
Der belgische Münchner
»Der falsche Paß für Tibo«
Gelegentlich arbeitete Rosendorfer auch als Drehbuchautor und hat in dieser Funktion beispielsweise die Vorlagen für ein gutes Dutzend Episoden der humoristischen bayerischen Polizeiserie „Polizeiinspektion 1“ mit Walter Sedlmayr geschrieben, auch Drehbücher für die Serien „Der Alte“ und „Tatort“ stammen aus Rosendorfers Feder. Im Jahr 1979 drehte man in München nach seinem Buch den Fernsehfilm „Der falsche Paß für Tibo“, der dem ehemaligen Kinderstar Hansi Kraus („Lausbubengeschichten“, „Die Lümmel von der ersten Bank“) eine schöne, ernst zu nehmende Hauptrolle als erwachsener Schauspieler bescherte. In dem von Stephan Rinser („Weißblaue Geschichten“) inszenierten Film sind in Nebenrollen etliche der bekanntesten und beliebtesten bayerischen Charakterköpfe zu sehen, von Willy Harlander und Wilfried Klaus bis hin zu Josef Moosholzer, Volker Prechtel, Maria Singer, Peter Steiner und Siegfried Zimmerschied.
Tibo (Marco Kübel) heißt eigentlich Thibaut Fismard und ist der Sohn eines Belgiers und einer Münchnerin (Johanna Baumann). Doch kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs verschwindet Tibos Vater wieder nach Belgien und lässt Marie als alleinerziehende Mutter in der bayerischen Landeshauptstadt zurück. Der Junge hat es ohne die deutsche Staatsbürgerschaft in den Wirtschaftswunderjahren nicht einfach, akzeptiert zu werden. Lehrstellen und Führerschein sind für ihn in unerreichbarer Ferne, und es dauert nicht lange, bis er mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Das macht es für Tibo umso schwerer, in München Fuß zu fassen. Von Amts wegen wird der junge Mann (nun gespielt von Hansi Kraus) abgeschoben, weil er als Vorbestrafter ohne deutschen Pass in München unerwünscht ist. Der „belgischen Sprache“ nicht mächtig, kommt Tibo über kurz oder lang aber immer wieder bei seiner Mutter in München unter, wo er schließlich mit seiner großen Liebe Monika (Michaela May) eine Familie gründet, aus naheliegenden Gründen ohne rechtskräftige Eheschließung. Von seinem alten Knastkumpel Heli (Franz-Xaver Kroetz) erhält Tibo Tipps, wie man schnell und unkompliziert zu Geld kommen kann.
„Der falsche Paß für Tibo“ ist ein ungewöhnlicher deutscher Fernsehfilm, dessen Thematik in abgewandelter Form auch heute noch ein heißes Eisen ist. Es geht um Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern, aber auch um die Fallstricke und Probleme, die Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung zwangsläufig irgendwann in die Kriminalität treiben. Dass diese Themen vor dem Hintergrund eines typischen Münchners entfaltet werden, der nur auf dem Papier kein Deutscher ist und ansonsten gar nicht als „Ausländer“ erkennbar wäre, sind die satirische Fußnoten in Herbert Rosendorfers sympathischer Geschichte. Die komischen Elemente sind hier zwar sehr zurückgenommen und auch ein wenig schal geworden, aber die Stärken des Films liegen ohnehin in den ernsten Momenten, die den Zuschauer auch heute noch zum Nachdenken anregen. Die DVD-Erstveröffentlichung des ZDF-Fernsehfilms aus dem Jahr 1980 bietet ein gutes, wenngleich auch immer mal wieder recht grobkörniges Bild (im Vollbildformat 1,33:1) und einen stets gut verständlichen Originalton (Deutsch in Dolby Digital 2.0). Auf die Beigabe von Bonusmaterial hat man hier verzichtet.