Kein Leben ohne Liebe - »Unter dem Vulkan«
Kein Leben ohne Liebe
»Unter dem Vulkan«
Noch zu Malcolm Lowrys Lebzeiten wurden erste Versuche unternommen, „Unter dem Vulkan“ in ein Drehbuch umzuarbeiten. Der Brite selbst schrieb schon in den 1950er Jahren eine erste Fassung. Zur illustren Riege der für die Inszenierung vorgesehenen Filmemacher zählten im Laufe der Jahrzehnte Jules Dassin, Joseph Losey, Gabriel García Márquez, Ken Russell, Jerzy Skolimowski und Luis Buñuel. Auch für die drei zentralen Rollen waren etliche prominente Stars vorgesehen, von Richard Burton über Jeanne Moreau bis hin zu Richard Chamberlain. Nach der Neuvergabe der Verfilmungsrechte Anfang der 1980er Jahre kam dann endlich Schwung in die Sache, und John Huston (1906-1987; „Der Schatz der Sierra Madre“), ausgesprochener Mexiko-Kenner und Fan des Romans, den er schon seit Jahrzehnten verfilmen wollte, bekam schließlich den Zuschlag. Auch die Tatsache, dass er die zentrale Rolle mit dem Briten Sir Albert Finney besetzte, erwies sich als wahrer Glücksgriff: Finney erhielt für seine herausragende Interpretation eine Oscar-Nominierung, musste sich aber gegen F. Murray Abraham als Salieri in „Amadeus“ geschlagen geben.
Geoffrey Firmin (Sir Albert Finney) war britischer Botschafter in Mexiko, musste seinen Job aber mittlerweile an den Nagel hängen. Auch im Privaten ist er arg gebeutelt, seine hübsche junge Ehefrau Yvonne (Jacqueline Bisset) hat ihn vor über einem Jahr verlassen. Den „Tag der Toten“ im Jahr 1938 verbringt Firmin in Cuernavaca am Fuße des Vulkans Popocatépetl wie so ziemlich alle Tage – im Vollrausch. Alkohol war schon immer das Problem des Mannes, den alle Mexikaner nach wie vor als „Konsul“ ansprechen. Durch die beruflichen und privaten Rückschläge hat sich Firmins Abhängigkeit nur noch potenziert. Da staunt er nicht schlecht, als am Tag nach den Festlichkeiten plötzlich Yvonne wieder vor ihm steht, die zu ihm zurückgekehrt ist und noch einmal einen Neuanfang wagen will – denn was ist schon ein Leben ohne Liebe! Dass Yvonne Geoffrey vor ihrer Abreise mit seinem jüngeren, attraktiven Halbbruder Hugh (Anthony Andrews) betrogen hatte, überschattet die Rückkehr der Gattin ebenso wie die Tatsache, dass Nazi-Deutschland auch nach Mexiko seine Fühler ausstreckt und sogenannte Sinarquistas die verqueren Ideologien der Faschisten auch in Südamerika propagieren.
Dreh- und Angelpunkt von „Unter dem Vulkan“ ist Albert Finney, der als hoffnungsloser Alkoholiker fraglos eine der besten darstellerischen Leistungen seiner beeindruckenden Karriere abliefert. Er pendelt, wie es im Film einmal treffend heißt, stets „zwischen dem Zittern des Zuwenig und dem Abgrund des Zuviel“. Dank Finneys ungeschönter Interpretation wird der Film zum großen Schauspielerkino, das darüber hinaus auch glaubwürdigen Lokalkolorit verströmt. John Huston hat an Originalschauplätzen und mit tollen mexikanischen Nebendarstellern (Ignacio López Tarso, Katy Jurado und Emilio Fernández) das Beste aus Malcolm Lowrys Roman herausgeholt und dabei anschaulich bewiesen, dass eine Adaption doch glücken kann. Die DVD-Wiederveröffentlichung in der Reihe „Pidax Film-Klassiker“ liegt nun in remasterter Qualität vor, was man in erster Linie am wirklich sehr überzeugenden, detailreichen und scharfen Bild (im Widescreen-Format 1,85:1) sehen kann. Der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0) ist ebenfalls nicht zu beanstanden, einige kürzere spanische Passagen liegen mit deutschen Untertiteln vor (wie auch seinerzeit bereits in der Kinofassung). Als Extra findet sich auf der Scheibe eine nette animierte Bildergalerie, die auch einige Setfotos mit Regisseur John Huston enthält. Darüber hinaus hat man der Veröffentlichung einen verkleinerten Nachdruck des achtseitigen „Neuen Film-Programms“ (Nr. 8186) als Booklet beigefügt, das neben zahlreichen Fotos, Stab- und Besetzungsangaben, einem Kurzinhalt und Produktions-Notizen auch einen nachträglich eingefügten Text von Reiner Boller („Vom Roman zum Film“) sowie aktualisierte Kurzinformationen zu sechs Darstellern des Films beinhaltet.