Der rasende Reporter - »Das süße Leben« – Special Edition
Der rasende Reporter
»Das süße Leben« – Special Edition
Wenn man also heutzutage von Papparazzi spricht, dann geschieht dies in Anlehnung an den Charakter aus „Das süße Leben“. Erfunden hat Fellini diese Form des Sensationsjournalismus freilich nicht, aber sie war in den späten 1950er Jahren in Rom überaus beliebt, weil sich die Ewige Stadt in jenen Tagen zum Hotspot der Stars und der High Society entwickelte. Hollywood kam an den Tiber, um unter den dort herrschenden Bedingungen wesentlich günstiger große Leinwandepen wie „Ben Hur“ entstehen zu lassen – auf diesen Umstand gibt es in Fellinis Film auch einen direkten kleinen Verweis. Die kommenden beiden Jahrzehnte waren die Goldenen Jahre des italienischen Kinos, in jener Zeit entstanden hunderte der unterschiedlichsten Genrefilme, die im europäischen Ausland und teilweise auch in den USA ähnlich erfolgreich waren wie die Produktionen der großen US-Studios. Auf all das gibt „Das süße Leben“ schon einen Vorgeschmack, denn die Hauptfigur in Fellinis Film ist ein Journalist, der aus dem Jetset-Leben berichtet und die Stars und Starlets zumeist beim Vornamen kennt.
Marcello (Marcello Mastroianni) brennt für seinen Beruf, den er voller Leidenschaft ausübt. Es gibt für ihn keine Bürozeiten, selbst spät in der Nacht, wenn sich andere auf der Via Veneto vergnügen, sitzt er an den Tischen der Bars und Restaurants und beobachtet die anderen. Vielleicht ist ja das, was hier unter dem Einfluss des Alkohols passiert, gut für seine nächste Geschichte in einer Illustrierten. Sein Hausfotograf ist der windige Paparazzo (Walter Santesso), der stets zur Stelle ist und sich mit seinen Schnappschüssen selten Freunde macht. Gerade ist der gefeierte US-Busenstar Sylvia Rank (Anita Ekberg) zu Besuch in Rom. Ihr Mann Robert (Lex Barker) ist über den damit verbundenen Rummel nicht gerade erfreut, und spricht eher dem Alkohol zu als seine Liebste willkommen zu heißen. Auch Marcello bekommt Ärger mit seiner Freundin Emma (Yvonne Fourneaux), die annimmt, dass Marcello noch andere als nur berufliche Interessen an Sylvia hegt. Aber das ist nur eine der Episoden in diesem üppigen Kaleidoskop der Stadt Rom, in dem darüber hinaus zwei Kinder eine Marienbegegnung haben, in dem in einer fürstlichen Villa eine Séance stattfindet, in dem eine Millionärsgattin (Nadia Gray) mit großem Freundeskreis ihre Scheidung feiert oder plötzlich ein schreckliches Verbrechen geschieht, das niemand vermutet hätte. Zwischendurch taucht auch noch Marcellos Vater (Annibale Ninchi) in Rom auf. Er begibt sich schließlich mit seinem Sohn und Papparazzo auf eine Nachtclubtour, auf der er den Reizen der Tänzerin Fanny (Magali Noël) erliegt…
Mit fast drei Stunden Laufzeit ist „Das süße Leben“ schon sehr lang geraten, aufgrund des episodischen Charakters hätte man auch gut etwas kürzen können. Doch das detailreiche Zeitporträt, das Federico Fellini hiermit gelungen ist, steckt voller Abwechslung und cleveren Ideen. Insbesondere die Vater-Sohn-Story hat Tiefgang und berührt auch heute noch, das dekadente Spiel in der High Society hat man auch danach noch etliche Male in anderen Filmen gesehen. Durch sein ästhetisches Geschick sind Fellini hier allerdings bleibende Bildtableaus geglückt, die längst Teil der europäischen Filmgeschichte sind. Die BluRay-Wiederveröffentlichung bei StudioCanal enthält den Film in der 2010 in 4K restaurierten Fassung, die ein exzellentes Schwarz-Weiß-Bild (im Vollbildformat 2,35:1) bietet, an dem es nichts auszusetzen gibt. Auch der Ton (Deutsch und Italienisch in PCM 2.0 Mono, optional mit deutschen Untertiteln und deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte) kann seinem Alter entsprechend überzeugen. Als Extra enthält die Special Edition eine zweite BluRay, auf der sich die neue Dokumentation „The Truth About La Dolce Vita“ (82 Minuten) von Giuseppe Pedersoli (Bud Spencers Sohn!) aus dem Jahr 2020 findet.