Das menschliche Chamäleon - »Zelig«
Das menschliche Chamäleon
»Zelig«
Für viele ist Woody Allen (geboren 1935 in New York) schlichtweg der Stadtneurotiker aus Manhattan, was auf zwei seiner sicherlich bekanntesten Filme („Der Stadtneurotiker“, Manhattan“) zurückzuführen ist. Sein Stil, dialoglastig Beziehungsprobleme zu behandeln und diese immer wieder mit komischen Wortspielen ironisch zu brechen, ist legendär und findet sich in der Tat in vielen seiner Filme wieder. Aber formell hat er immer wieder versucht, neues Terrain zu ergründen, hat ein Musical („Alle sagen: I love you“) gedreht, ein Heist Movie („Schmalspurganoven“), eine Science-Fiction-Groteske („Der Schläfer“), einen film noir („Schatten und Nebel“) oder seine Version eines Shakespeare-Stückes („Eine Sommernachts-Sexkomödie“). In den meisten dieser Filme fand er Gelegenheit, seiner liebsten Epoche und der damit verbundenen Musik zu huldigen – den 1920er bis 1940er Jahren. Regelrecht in diese Ära hineintransferiert hat er sich mit seinem 1983 entstandenen Film „Zelig“, einer Fake-Dokumentation über ein menschliches Chamäleon, das angeblich in dieser Zeit lebte.
Leonard Zelig (Woody Allen) ist ein wandelndes Kuriosum. Der kleine Mann jüdischer Abstammung ist geradezu versessen darauf, in seiner Umgebung unterzugehen. Hält er sich zwischen dunkelhäutigen Jazzmusikern auf, wird seine Haut ebenfalls immer dunkler, in Anwesenheit dickleibiger Menschen beginnt sein Leibesumfang anzuschwellen. Unterhält er sich mit Ärzten, könnte man ihn selbst für einen Mediziner halten. Die Ärztin Dr. Eudora Fletcher (Mia Farrow) versucht, dieser bedingungslosen Anpassungsfähigkeit auf psychologische Weise auf den Grund zu kommen. Für sie ist das alles ein unterbewusstes Verhalten, weil Zelig dadurch versucht, von allen geliebt zu werden, indem er es jedem in der entsprechenden Situation recht macht. Über Hypnose will Fletcher versuchen, tiefer in die Ängste und Sorgen ihres Patienten vorzustoßen und eine Möglichkeit zu finden, ihn aus dieser Zwangsneurose wieder zu befreien. Mittlerweile sind auch die Medien auf Zelig aufmerksam geworden. Seine Eskapaden bestimmen täglich die Zeitungsschlagzeilen, es werden Merchandise-Artikel um ihn herum entworfen und die Populärkultur nimmt sich seiner an.
Es ist schon faszinierend, wie Woody Allen hier etwas eigentlich Unmögliches gelungen ist. Er hat einen Dokumentarfilm zu einer fiktiven Biografie gedreht, die packend, ergreifend, komisch, perfekt geschnitten, kombiniert und recherchiert ist. Prominente Persönlichkeiten wie Susan Sontag, Saul Bellow oder Dr. Bruno Bettelheim konnte er gewinnen, zu der Figur Zelig pseudo-intellektuelle Kommentare abzugeben. Die Figur selbst ist mit einer schlichtweg als grandios zu bezeichnenden Tricktechnik (wir befanden uns hier noch im vor-digitalen Zeitalter!) in historische Archivaufnahmen integriert, so dass der Authentizitätsfaktor kaum zu überbieten ist. Ein einmaliger Geniestreich, unbedingt sehenswert und auch Menschen zu empfehlen, die ansonsten mit Allens intellektuellen Höhenflügen wenig anzufangen wissen. Die DVD-Wiederveröffentlichung im Pidax-Label bietet ein gutes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1), soweit man das beurteilen kann, weil die Schwarz-Weiß-Aufnahmen ja bewusst auf alt getrimmt wurden, und einen stets gut verständlichen Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0 Stereo, optional mit deutschen Untertiteln). Hierbei ist es etwas schade, dass man die Untertitel nur komplett an- oder ausschalten kann, denn es wurden nur Teile des Films im Original belassen (und im Kino und Fernsehen an den entsprechenden Stellen untertitelt), während andere aus dem Off nachsynchronisiert sind (aber auch hierzu dann auf der DVD obligatorisch Untertitel eingeblendet werden, wenn man diese Option gewählt hat). Als einziges Extra ist der sehr puristisch gehaltene amerikanische Kinotrailer mit aufgespielt.