Eine Studie in Promille - »Der Rausch«
Eine Studie in Promille
»Der Rausch«
„Die Jagd“ war ein schonungsloser und verstörender Film, in dem ein Kindergartenbetreuer (Mads Mikkelsen) von einem kleinen Mädchen aus Trotz beschuldigt wird, sich vor ihr entblößt zu haben. Obwohl diese Behauptungen frei erfunden sind, glaubt natürlich niemand den Beteuerungen des Erziehers, zumal sich niemand vorstellen kann, dass ein kleines Kind so etwas einfach erfindet. Es beginnt eine wahre Hetzjagd auf einen Unschuldigen, die dem Zuschauer gehörig an die Nieren geht. Nun hat Thomas Vinterberg im Jahr 2020 zum zweiten Mal einen Film mit Mikkelsen gedreht. Vinterberg gilt als eines der Aushängeschilder der dänischen Filmindustrie, der als einer der Initiatoren der „Dogma 95“-Bewegung bekannt wurde („Das Fest“) und Dänemark international wieder als Filmland populär machte. Mads Mikkelsen ist seinerseits einer der weltweit erfolgreichsten dänischen Filmschauspieler, der in seinem Heimatland mit „Pusher“ seinen Durchbruch feierte, um danach schnell in Hollywoodproduktionen wie „King Arthur“ oder als Le Chiffre in Daniel Craigs Bond-Einstand „Casino Royale“ mitzuwirken. Spätestens durch seine Titelrolle in der knapp 40teiligen Fernsehserie „Hannibal“ nach den Romanen von Thomas Harris dürfte sein markantes Gesicht auf der ganzen Welt bekannt geworden sein.
Im Leben des Lehrers Martin (Mads Mikkelsen) läuft gerade nichts mehr so richtig rund. Seine Schüler nehmen ihn nicht ernst und langweilen sich in seinem Unterricht, sehen sogar ihr bevorstehendes Abitur aufgrund seiner Lehrmethoden in Gefahr. Seine Frau Anika (Maria Bonnevie) geht ihm größtenteils aus dem Weg, übernimmt zunehmend Nachtschichten, was die gemeinsame Zeit im Haus auf ein Minimum reduziert. Auf der Feier zum 40. Geburtstag seines Kollegen Nikolaj (Magnus Millang) steht plötzlich ein Zitat des norwegischen Psychiaters Finn Skårderud im Raum, der behauptete, dass der Mensch mit 0,5 Promille Alkohol zu wenig im Blut geboren wird. Daraufhin starten die vier anwesenden Lehrer ein Selbstexperiment. Sie beginnen ihre Arbeitstage mit einem oder zwei Schlucken aus dem Flachmann, um nun mit der richtigen Menge Blutalkohol zu neuen Höchstleistungen aufzulaufen. Es dauert nicht lange, bis sich das Leben der Beteiligten grundlegend ändert: Martin ist nun äußerst beliebt bei seinen Schülern, auch seine Beziehung mit Anika blüht wieder auf. Peter (Lars Ranthe) spornt seinen Musikkurs zu neuen Spitzenleistungen an, und auch Tommy (Thomas Bo Larsen) kann sich bei seinem jungen Fußballteam nun wesentlich besser durchsetzen als zuvor.
„Der Rausch“ ist ohne Frage ein sehenswerter Film, der das Dilemma des Alkohols anschaulich bebildert. Einerseits verliert der Mensch unter Alkoholeinfluss seine Hemmungen, wird lockerer und kommunikativer, lustiger und spontaner. Andererseits ist es ein schmaler Grat, und der Absturz in den Alkoholismus ist bei diesem Experiment bereits vorgezeichnet. Es ist diese Vorhersehbarkeit der Ereignisse, die den Film ein wenig seiner Brisanz beraubt. Auch fällt es einem hier ungleich schwerer als in „Die Jagd“, mit den Protagonisten mitzuleiden und sich emotional an sie zu binden. Von diesen kleinen Wermutstropfen abgesehen, ist es Thomas Vinterberg aber auch hier wieder exzellent gelungen, ein stimmiges Charakterdrama mit herausragenden Darstellerleistungen zu inszenieren. Die BluRay-Erstveröffentlichung präsentiert den Film in einem sehr guten Bild (im Widescreen-Format 1,78:1) und einem guten Ton, der bei diesem ruhigen Film allerdings durchweg sehr unspektakulär ausgefallen ist (Deutsch und Dänisch im DTS HD Master Audio 5.1, Deutsch auch wahlweise im DTS HD Master Audio Stereo, optional sind eine Hörfilmfassung für Sehbehinderte und deutsche Untertitel für Hörgeschädigte vorhanden). Als Extras bietet die Veröffentlichung ein Interview mit Thomas Vinterberg und Mads Mikkelsen (14 Minuten), Mitschnitte der Artist Talks mit Thomas Vinterberg (42 Minuten) und Mads Mikkelsen (50 Minuten) vom Film Festival Cologne 2020 sowie den deutschen Kinotrailer des Films