Bruch mit der Illusion - »Die Geliebte des französischen Leutnants«
Bruch mit der Illusion
»Die Geliebte des französischen Leutnants«
Für die beiden zentralen Rollen seiner Adaption griff der in der Tschechoslowakei geborene Regisseur auf zwei der aufstrebendsten Stars seiner Zeit zurück, die nun, vier Jahrzehnte später, zu den besten Mimen ihrer Generation gerechnet werden. Meryl Streep hatte gerade für das Scheidungsdrama „Kramer gegen Kramer“ ihren ersten (von nunmehr drei) Oscars gewonnen; Jeremy Irons hatte mit einer Hauptrolle in einer weiteren Romanverfilmung, der britischen Serie „Wiedersehen mit Brideshead“, ebenfalls gerade weltweite Popularität erlangt. Gemeinsam spielten sie nun in „Die Geliebte des französischen Leutnants“ ein Liebespaar auf zwei verschiedenen erzählerischen Ebenen. Das Besondere von John Fowles‘ Roman bestand nämlich darin, dass sich zwischen den Zeilen immer mal wieder deren Verfasser zu Wort meldete. Gegen Ende geht Fowles sogar so weit, dass er seinen Lesern drei verschiedene Enden für den Ausgang der Ereignisse anbietet. In Karel Reisz‘ Filmversion ist das zwar nicht der Fall. Aber hier gibt es neben den Vorkommnissen im viktorianischen England auch eine zweite Handlungsebene, die zur Entstehungszeit des Films spielt und um die Darsteller kreist, die das tragische Liebespaar im ausgehenden 19. Jahrhundert für einen Film im Film spielen.
In Lyme in der englischen Grafschaft Dorset ist die junge Sarah Woodruff (Meryl Streep) in Verruf geraten, weil sie sich unverheiratet mit einem französischen Leutnant eingelassen haben soll, der nun in seine Heimat zurückgekehrt ist. Sehnsüchtig geht sie Tag für Tag an die Klippen der Stadt, um aufs Meer hinaus zu schauen. Bei dieser Gelegenheit begegnet sie dem jungen Geologen Charles Henry Smithson (Jeremy Irons), der in der Umgebung nach Fossilien sucht. Smithson ist mit Ernestina Freeman (Lynsey Baxter) liiert, der hübschen Tochter eines vermögenden Unternehmers (Peter Vaughan), die er in näherer Zukunft zu heiraten gedenkt. Trotzdem ist er von Sarah und ihrer tragischen Aura fasziniert. Nach Rücksprache mit dem Arzt des Städtchens, Dr. Grogan (Leo McKern), gelangt Smithson zu der Erkenntnis, dass sich Sarahs depressiver Geisteszustand bessern könnte, wenn sie jemanden hätte, mit dem sie über ihre Vergangenheit und ihre Probleme reden könnte. Heimlich treffen sich Sarah und Charles weiterhin im Wald bei den Undercliffs, wodurch auch Charles seine gesellschaftliche Position mehr und mehr in Gefahr bringt.
Karel Reisz hat hier einen in wunderbaren, teilweise an Gemälde erinnernden Bildern (Kameraführung: Freddie Francis!) eingefangenen Kostümfilm inszeniert, der das Lebensgefühl und die gesellschaftlichen Konventionen im viktorianischen England auf überzeugende Weise einfängt. Der durchweg mit herausragenden Darstellern besetzte Film kann hierbei auch auf erzählerischer Ebene punkten. Durch die für das Drehbuch von Sir Harold Pinter hinzuerfundene Metaebene, in der sich auch Mike und Anna, die beiden Schauspieler, die Charles und Sarah verkörpern, ineinander verlieben, erhält der Film eine höchst interessante weitere narrative Komponente, die Reisz geschickt für Doppellungen und Parallelen in der Erzählung nutzt. Die DVD-Wiederveröffentlichung des Filmklassikers bei Pidax als „Remastered Edition“ weist in der Tat ein sehr gutes und scharfes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1) auf, das keine Wünsche offenlässt. Auch der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0 Stereo, optional mit deutschen Untertiteln) ist durchweg gut zu verstehen. Neben dem englischen Original-Kinotrailer wartet diese Edition nun zusätzlich auch mit einer umfangreichen animierten Bildergalerie auf.