Raus aus den Toiletten - »Get Real«
Raus aus den Toiletten
»Get Real«
Ben Silverstone spielt Steven, einen sechzehnjährigen Schüler im englischen Kaff Basingstoke. Seit seinem elften Lebensjahr ist er sich klar darüber, dass er auf Männer steht, aber außer seiner besten Freundin, der pummeligen Nachbarstochter Linda (Charlotte Brittain), hat er diese Tatsache noch niemandem anvertraut. Eine echte Beziehung ist Steven bislang noch nicht eingegangen, dafür hat er hin und wieder anonymen Sex mit Männern, die er auf einer öffentlichen Toilette trifft. Da ist dann schon einmal ein braver Familienvater darunter. Die Ereignisse spitzen sich zu, als er bei einem dieser Toilettentrips auf den Schwarm der Schule, den gutaussehenden Sportler John Dixon (Brad Gorton), trifft, der offiziell mit dem schönsten Mädchen der Stadt liiert ist. John hat Identitätsprobleme und wagt es nicht, seinen überaus heterosexuellen und allzu proletenhaften Freunden etwas über seine wahre Sexualität zu verraten. Bei Steven findet er aber das, was er eigentlich schon immer suchte: Zärtlichkeit, Erfüllung und wahre Liebe.
Simon Shore setzt in seinem Regiedebüt auf Authentizität. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Realitätssinn schildert er den Alltag seines jungen Helden, der von Liebe träumt und sein Outing noch vor sich hat. Szenen auf der Klappe im Park versprühen Glaubwürdigkeit und lassen eine genaue Beobachtungsgabe erkennen. Shore vertraut auf ruhige Bilder und ungewöhnlich lange Einstellungen, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. So fällt vor allen Dingen eine Szene angenehm auf, in der Brad Gorton seinen Gefühlen freien Lauf lässt und sich bei Ben Silverstone ausheult. In einer einzigen Einstellung ohne Schnitte schildert er sein erstes homosexuelles Erlebnis mit einem Jungen im Feriencamp. Als er sich damals seiner Gefühle bewusst wurde, konnte er nur davonlaufen. Shore fängt diese Erinnerungen mit absolut ruhiger Kameraführung ein und macht sie deswegen intim und realistisch.
Gegen Ende des Films spitzen sich die Ereignisse dermaßen zu, dass man gespannt auf den Ausgang der Dinge wartet. Wird alles auffliegen, wird bekannt werden, dass der Mädchenschwarm der Schule auf Männer steht, wird Steven mit seiner ersten Liebe glücklich werden? Da Shores Film sehr einfühlsam gespielt ist und eine ganze Menge interessanter Teilbereiche homosexuellen Lebens aufgreift (anonymer Sex im Park, Reaktionen von Eltern und Freunden, Homosexualität an der Schule, Diskriminierung, etc.), ist er ein diskussionswürdiger Beitrag fürs Genre und neben seinen kritischen Ansätzen auch sehr unterhaltsam.
Die DVD-Wiederveröffentlichung bei Studio Hamburg Enterprises bietet ein gutes Bild (im Widescreen-Format 1,78:1), das ansprechend restauriert wurde und nur in wenigen Momenten noch etwas grobkörnig wirkt. Der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0 Stereo) ist wenig spektakulär ausgefallen, geht aber soweit ebenfalls in Ordnung. Die Extras der Erstveröffentlichung fehlen hier allerdings, auf die Beigabe von Bonusmaterial hat man leider komplett verzichtet.