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Moralvorstellungen der Nouvelle Vague - »Die sieben Todsünden«

Die sieben TodsündenMoralvorstellungen der Nouvelle Vague
»Die sieben Todsünden«

Die sieben Todsünden sind, ähnlich wie die Zehn Gebote, eine der bekanntesten Doktrinen der christlichen Kulturgeschichte.

Dementsprechend häufig hat man sich den sieben schlechten Charaktereigenschaften, die zu sündhaften Handlungen führen, auch in der Filmgeschichte angenommen. 1961 befassten sich damit französische Jungregisseure.

Die sieben TodsündenAls „Die sieben Hauptsünden“ (später auch umbenannt in „Die sieben Todsünden“) 1962 in die Kinos kam, konnte man den von acht Regisseuren inszenierten Omnibusfilm auch als eine Art Antwort auf den zehn Jahre zuvor uraufgeführten Film „Die sieben Sünden“ verstehen, den damals ausnahmslos Filmemacher inszeniert hatten, die um die 50 Jahre alt waren und zu den Altmeistern des französischen und italienischen Kinos zählten: Claude Autant-Lara, Roberto Rossellini und Eduardo De Filippo waren hier u.a. dabei. Der 1962 ebenfalls als französisch-italienische Koproduktion entstandene Film hingegen vereinte auf dem Regiestuhl mit Jean-Luc Godard, Roger Vadim, Claude Chabrol, Édouard Molinaro oder Philippe de Broca eine neue Generation an Filmemachern, alle um die 30 Jahre jung, die gerade als „Nouvelle Vague“ international von sich Reden machten. Eigentlich fehlte in dieser geballten Ansammlung der herausragendsten französischen Regisseure der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur noch François Truffaut („Jules und Jim“), um diese illustre Gruppe zu komplettieren.

Die sieben TodsündenEine durchgehende Handlung gibt es bei „Die sieben Todsünden“ natürlich nicht, stattdessen widmet sich jeweils ein Regisseur (außer bei der ersten Episode „Der Zorn“, die gemeinsam von Sylvain Dhomme und Max Douy inszeniert wurde) einer der Todsünden und erzählt diese mit wechselnden Darstellern innerhalb eines Zeitfensters von ca. 15 Minuten. „Der Zorn“ beginnt mit einer Bilderbuchwelt von eitel Sonnenschein, die sich aufgrund von Fliegen in den Sonntagssuppen bis in den Untergang der Erde hineinsteigert. Diese albernen, slapstickhaften Eskalationen sind indes nur mäßig unterhaltsam. Interessanter wird es schon in Édouard Molinaros („Ein Käfig voller Narren“) Episode „Der Neid“, die von einem Dienstmädchen (Dany Saval) berichtet, das gerne ein Filmstar wäre. Zwar ist die Geschichte etwas verzettelt, kann ihre Moral aber deutlich machen. Noch unterhaltsamer ist „Die Völlerei“ von Philippe de Broca („Abenteuer in Rio“) geraten. Valentin (Georges Wilson) erfährt darin vom Tod seines Vaters und macht sich mit reichlich Reiseproviant und seiner Familie auf zum Leichenschmaus in den 30 Kilometer entfernten Nachbarort. Das ist alles sehr amüsant erzählt und bietet reichlich Spielfreude bei den Darstellern. „Die Wollust“ von Jacques Demy („Die Regenschirme von Cherbourg“) ist wieder etwas lahmer ausgefallen, wenn zwei Schwerenöter (Jean-Louis Trintignant und Laurent Terzieff) an ihre Kindheit zurückdenken, als sie vom Pfarrer zum ersten Mal von der Todsünde der Fleischeslust erfuhren.

Die sieben TodsündenDie letzten drei Episoden bieten dann allesamt gelungene Unterhaltung. „Die Trägheit“ wird von Jean-Luc Godard („Außer Atem“) am Beispiel des Filmstars Eddie Constantine verdeutlicht, der mit einem Starlet ein Schäferstündchen halten könnte, aber noch nicht einmal die Energie aufbringt, sich den Schuh zuzuschnüren. „Die Hoffart“ (heute sagt man eher „Der Hochmut“) in der Regie von Roger Vadim („Barbarella“) handelt von einer untreuen Ehefrau (Marina Vlady), die dahinterkommt, dass auch ihr Ehemann (Jean-Pierre Aumont) nicht der integre Gatte ist, für den sie ihn gehalten hat. Claude Chabrol („Biester“) widmet sich abschließend dann dem „Geiz“, den er uns durch eine Freundesclique (u.a. Jean-Pierre Cassel, Claude Rich und Jean-Claude Brialy) vor Augen führt, die ihr Geld zusammenlegt, damit zumindest einer von ihnen die Leistungen einer attraktiven Prostituierten (Danièle Barraud) in Anspruch nehmen kann. „Die sieben Todsünden“ ist heute in erster Linie als Fingerübung der „Nouvelle Vague“-Regisseure und aufgrund seines großen Staraufgebots von Interesse. Mit den zugrundeliegenden Moralvorstellungen wurde hier schon sehr lässig umgegangen, vieles eher auf locker-flockige Art durch den Kakao gezogen. In den 60 Jahren seit der Entstehung des Films ist das freilich nicht mehr auf der Höhe der Zeit, kann ein filmgeschichtlich interessiertes Publikum aber noch immer unterhalten. Die DVD-Erstveröffentlichung bei „Pidax Film-Klassiker“ bietet ein sehr gutes Schwarz-Weiß-Bild (im Widescreen-Format 2,35:1) und einen stets gut verständlichen Ton (Deutsch und Französisch in Dolby Digital 2.0). An einer kurzen Stelle (vermutlich aufgrund einer beschädigten deutschen Kopie) hört man lediglich den Originalton mit deutschen Untertiteln. Als Extra ist der verkleinerte Nachdruck der vierseitigen „Illustrierten Film-Bühne“ (Nr. 6594) als Booklet mit zahlreichen Fotos und ausführlicher Inhaltsangabe beigefügt.

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