Lauter Lügengeschichten - »Der keusche Lebemann« (1978)
Lauter Lügengeschichten
»Der keusche Lebemann« (1978)
Das Autorengespann Ernst Bach (1876-1929) und Franz Arnold (1878-1960) hatte in der Zeit der Weimarer Republik einige höchst erfolgreiche Lustspiele geschrieben, die über Jahrzehnte hinweg auf deutschen Bühnen rauf- und runtergespielt wurden und auch häufig als Vorlage für Filmversionen dienten. Zu den nach wie vor populärsten Stoffen der beiden gehören „Die spanische Fliege“, „Der keusche Lebemann“, „Der kühne Schwimmer“, „Der wahre Jakob“ und „Hurra, ein Junge“. Neben diesen publikumswirksamen Schwänken lieferten die beiden auch die Vorlagen für musikalische Lustspiele und Operetten, von denen „Die Fahrt ins Glück“, „Die Königin der Nacht“ und „Der Fürst von Pappenheim“ die Highlights markieren dürften. Schon zur Stummfilmzeit hatte sich Hollywood des „keuschen Lebemanns“ angenommen und diesen mit Edward Everett Horton in der Hauptrolle als „The Whole Town’s Talking“ verfilmt. Weitere Leinwandadaptionen entstanden 1931 als „Ex-Bad Boy“ mit Jean Arthur und als „Die Nacht ohne Pause“ mit Camilla Horn sowie 1952 unter dem Originaltitel mit Georg Thomalla. Auch Ende der 1970er Jahre war der Stoff noch für einen unterhaltsamen Fernsehabend gut, als ihn Alfred Weidenmann mit Harald Juhnke auf die Theaterbretter brachte.
Der Industrielle Julius Seibold (Walter Jokisch) würde seine Tochter Gerty (Barbara Schöne) am liebsten mit seinem Kompagnon Max Stieglitz (Harald Juhnke) verheiraten. Bei dem biederen Geschäftsmann, der in Seibolds Firma als Buchhalter angefangen hatte, weiß der Patriarch, dass die Zukunft seines Unternehmens in guten Händen läge. Gerty kennt Stieglitz schon von Kindesbeinen an und findet ihn ziemlich langweilig. Viel interessanter ist für sie der Lebemann Heinz Fellner (Amadeus August), den sie bei ihrem letzten Berlin-Aufenthalt kennengelernt hat. Ein Mann muss für Gerty eine Vergangenheit haben, er muss auf ein spannendes und abenteuerliches Leben zurückblicken können. Damit Stieglitz diesen Anforderungen ebenfalls genügt, lässt sich Seibold eine fiktive Vergangenheit für diesen einfallen. Er dichtet ihm eine Liaison mit dem berühmten Filmstar Ria Ray (Grit Boettcher) an, was bei Gerty und ihrer Mutter Regine (Alice Treff) tatsächlich schnell auf großes Interesse stößt. Das filigrane Lügengebilde droht auseinanderzubrechen, als Seibold für einen Seitensprung einen Alibi-Geschäftsfreund erfindet, der in Gestalt von Walter Riemann (Herbert Herrmann) plötzlich leibhaftig vor der Tür steht. Riemann ist der Verlobte von Ria Ray und fällt aus allen Wolken, als er von der vermeintlichen Affäre erfährt, die seine Liebste mit Seibolds Kompagnon unterhalten haben soll.
Vorsätzliche Lügen und Halbwahrheiten sind das Grundgerüst so mancher formidabel funktionierenden Komödie. Das ist auch bei „Der keusche Lebemann“ nicht anders, denn die Charaktere bringen sich auch hier mit immer neuen falschen Behauptungen immer tiefer in die Bredouille. Das Leid der Figuren wird zur Schadenfreude des Publikums, das sich hier aufgrund der herausragenden, boulevardtheatererprobten Besetzung nach wie vor köstlich amüsieren kann. Die Pointen sitzen und werden von den Theaterstars mit bestmöglichem Timing dargeboten. Harald Juhnke bekleidet hier einmal mehr eine Paraderolle, wenn er vom katzbuckligen Spießer zum feudalen Lebemann mutiert und dabei immer wieder gehörig auf die Schnauze zu fallen droht. Die DVD-Erstveröffentlichung wartet mit einem guten Bild (im Vollbildformat 1,33:1) auf, das gelegentlich etwas rauscht, insgesamt aber eine ordentliche Schärfe bietet. Der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) ist gut zu verstehen, Extras sind nicht mit aufgespielt.