Dialogreiche Tätersuche - »Mordkommission« (Staffel 1)
Dialogreiche Tätersuche
»Mordkommission« (Staffel 1)
Für das Entstehungsjahr 1973 mutet „Mordkommission“ zumindest aus heutiger Sicht schon recht anachronistisch an. Immerhin hatte drei Jahre zuvor die allererste „Tatort“-Folge „Taxi nach Leipzig“ mit Walter Richter ihre TV-Premiere erlebt, und konnte mit zahlreichen Außenaufnahmen, Actionszenen und einem vernünftigen Spannungsaufbau punkten. Aber „Mordkommission“ war aus einem anderen Holz geschnitzt. Immerhin musste hier jeder Kriminalfall in sensationell kurzen 25 Minuten gelöst werden, zum anderen wurde die Serie im Vorabendprogramm ausgestrahlt und war somit in den finanziellen Mitteln und in der Darstellung von Gewaltszenen beschränkt. Mit der Wahl des Hauptdarstellers Charles Regnier (1914-2001) bewies man indes ein glückliches Händchen, denn der distinguierte Schweizer stand seinerzeit schon mehr als zwanzig Jahre vor der Kamera und hatte sich auch als Übersetzer („Sein letztes Testament“) und Regisseur („Lady Windermeres Fächer“) einen Namen gemacht. Wem, wenn nicht Regnier, hätte man die Rolle des messerscharf kombinierenden Kriminalhauptkommissars Georg Wieker abnehmen können, der von seinen Kollegen aufgrund seiner hohen Erfolgsquote beim Lösen von Mordfällen als „Der Zauberer“ tituliert wird? Die von Carl Darrow geschriebenen Drehbücher wirken in der Umsetzung durch Regisseur Kurt Wilhelm („Geheimagent Tegtmeier“) mitunter etwas gehetzt, und sind zumeist nach demselben Schema aufgebaut, bei dem das Finale mit sämtlichen Verdächtigen im Büro Wiekers stattfindet – ganz in der Tradition der Kriminalromane von Agatha Christie.
Kriminalhauptkommissar Wieker (Charles Regnier) ist schon ein alter Hase in der Mordkommission in München, der in seinen Ermittlungen von seinen ebenfalls sehr versierten Kollegen Hutzl (Michael Burk), Gramm (Karl-Heinz von Hassel) und Brobowski (Konrad Krauss) unterstützt wird. Neu ins Team kommt der ambitionierte Kriminalassistenz-Anwärter August Siebenlist (Jochen Busse), der just die Polizeischule absolviert hat und noch bestens mit der Theorie und den Paragraphen vertraut ist – in der Praxis sich freilich erst noch bewähren muss. In seiner überkorrekten Art beendet er jeden Satz, den er an seinen Vorgesetzten richtet, mit „Herr Kriminalhauptkommissar“, ungeachtet der Tatsache, dass dieser viel lieber mit seinem bürgerlichen Nachnamen angeredet werden möchte. Aus diesem Umstand bezieht die Serie eine gewisse Komik, die durch Charles Regniers konzentriert-süffisante Art noch zusätzlich unterstrichen wird. Ebenfalls für witzige Zwischentöne sorgt der Tick Hubert Hutzls, bei sämtlichen Verdächtigen dem Nachnamen etymologisch nachzuspüren und dabei Rückschlüsse aufgrund der ursprünglichen Bedeutung der Namen auf die Personen zu ziehen. Dabei hat es die Mordkommission u.a. mit einer Leiche auf dem Golfplatz, einer geköpften Puff-Mutter, einer Brandstiftung im Pelzgeschäft und einer Kindesentführung zu tun.
Es ist schon sehr auffällig, dass man aus Kostengründen die meisten Szenen der Serie im Filmstudio realisiert hat und die Außenaufnahmen klar in der Minderheit bleiben. Das verleiht den Fällen ein Stückweit etwas Theaterhaftes, andererseits fühlt man sich auch an die Kriminalfälle eines Sherlock Holmes erinnert, der ebenfalls die meisten seiner ausgetüftelten Gedankengänge Pfeife schmauchend in seiner Wohnung in der Baker Street vollzog und dabei die richtige Lösung fand. Hier kommt noch der Christie-Effekt hinzu, wenn Regnier stets ungefähr fünf Minuten vor Ende einer Episode alle Verdächtigen in einem Raum versammelt, um dann den Täter unter ihnen zu benennen. Das mag in den meisten Fällen zwar nicht sonderlich realistisch sein, kann aufgrund der guten Dialoge und der überzeugenden Darstellerleistungen ein Publikum, das gerne kriminalistische Knobelspiele löst, auch heute noch zufriedenstellen. Etwas schade ist, dass bereits in diesen ersten dreizehn Episoden der Serie (ein Jahr später folgte eine zweite Staffel mit weiteren dreizehn Folgen) einige Nebenrollendarsteller mehrere Charaktere spielen (Will Danin, Götz Olaf Rauch, Werner Umberg), darunter sogar Peter Steiner, der in zwei Folgen als Polizist Karsch auftritt, zwischendurch aber dann als „Johann Henning“ einen der Tatverdächtigen darstellt! Die DVD-Erstveröffentlichung bietet ein sehr gutes Bild, insbesondere bei den auf Filmmaterial gedrehten Studioszenen (Vollbildformat 1,33:1), auch der deutsche Originalton (Dolby Digital 2.0) ist nicht zu beanstanden, Bonusmaterial ist nicht mit aufgespielt.