John Sinclair Revisited: Die 400er - Beginn einer neuen Ära (Teil 10)
Die 400er
Beginn einer neuen Ära
Teil 10
Teil 10
So könnte der Gelegenheitsleser, der gerade die „Rallye des Schreckens“ gelesen und die sprachlichen Mängel bemerkt hat, durchaus zu dem Schluss gelangen, Dark hätte diesen einfachen, locker-lakonischen Stil der frühen Jahre schlicht verlernt.
Nimmt man dann wieder den nur eine Woche später erschienenen zur Hand, muss man diese Annahme unweigerlich revidieren, erlebt man hier doch wieder einen Jason Dark in Topform. Zumindest, was die Schreibe anbetrifft. Stilblüten sucht man (abgesehen von der unten aufgeführten Ausnahme) auf den ersten 40 Seiten vergebens, und auch im letzten Drittel, in welchem das sprachliche Niveau dann gern mal wieder in tiefere Niederungen abgleitet, wird der Zitate sammelnde Rezensent nur selten fündig ...
Doch dann ist da natürlich noch die Handlung, und bei dieser fällt es selbst einem milde gestimmten Kritiker schwer, erneut den Begriff Topform zu verwenden. Da erleben wir zunächst einen Will Mallmann, der auf ein geheimnisvolles Gemälde aufmerksam wird und aufgrund akuter Handlungsunfähigkeit nach einem Angriff schließlich seinen Kollegen Sinclair benachrichtigt, welcher dem gestohlenen Bild recht schnell auf die Spur kommt und noch viel schneller von einem Monster angegriffen wird, das diesem entsteigt. An der Stelle wundert sich der Leser dann auch über den etwas irreführenden und ebenso unpassenden wie unspektakulären Titel, denn natürlich ist es nicht das Bild selbst, das lebt ...
Dass es hier einen Zusammenhang mit Baphomet geben muss, wird schon zu Anfang des Romans klar, und somit gibt es dann auch keine großen Überraschungen oder Enthüllungen mehr. Selbst mit einem John Sinclair, der in dem mysteriösen Bild verschwindet und – wie könnte es anders sein? – in die Vergangenheit geschleudert wird, haben wir gerechnet. Ärgerlich ist allerdings, wie das passiert. Als nämlich der Geisterjäger feststellt, dass er in dem besagten Gemälde feststeckt, fällt ihm nichts anderes ein, als wieder einmal sein Kreuz zu aktivieren. Und wie bereits im letzten Roman bewirkt die allmächtige Formel genau das, was die Handlung verlangt, wenn es auch ein völlig anderer Vorgang ist.
Auf diese Weise kann man seinen Helden natürlich bequem und ohne komplizierte Erklärungen aus einem fliegenden Boliden retten oder ihn halt in die Vergangenheit befördern, wo er dann am Ende des vorliegenden Romans in eine von Baphomets Anhängern gestellte Falle tappt, womit er und die Leser sich bereits in der Eröffnungsphase des zweiten Teils, dem befinden.
Nun, zumindest wird das Getier, mit dem Sinclair sich im Roman herumschlagen muss, selbst als Drache beschrieben, wohingegen die Kreatur auf dem Titelbild eher wie eine mutierte Riesenschildkröte anmutet. Wer nun angesichts dieses doch etwas lächerlichen Anblicks das Schlimmste befürchtet, der kann zwar aufatmen, zumal Dark das sprachliche Niveau auch in diesem zweiten Teil noch einigermaßen im Griff hat (bis es ihm dann auf den letzten 15 Seiten doch noch entgleitet ...), aber toppen kann dieser Roman den Vorgänger letzten Endes auch nicht. Während es Sinclair also in die Vergangenheit verschlagen hat, suchen Bill und Suko den Ausgangspunkt dieser Zeitreise auf, was dem Leser einen Abschnitt beschert, der sich wie eine leicht abgewandelte Kopie des ersten Teils liest, nur halt mit anderen Figuren und mit dem Unterschied, dass diese in der Gegenwart verbleiben.
Während im ersten Teil aber noch ein Hauch von Spannung bei der Inspektion des „lebenden Bildes“ aufkam, rutscht es hier wieder ins Lachhafte ab, als der Galerist den beiden Helden weismachen will, dass es völlig normal sei, wenn ein Teil des Motivs aus einem Bild verschwindet (siehe Zitat Nr. 4). Im anschließenden Kampf gegen ein paar Monster, die aus Bildern steigen, beweist der Reporter dann wieder einmal, dass ihn die jahrelange Erfahrung noch längst nicht alle Skepsis genommen hat, was die Existenz von Dämonengekreuch angeht („Sag mir, dass ich träume, Suko ...“), während Kollege Sinclair in der Vergangenheit beweist, dass er durchaus noch das Zeug zum Helden hat, indem er den Kampf mit dem „Höllendrachen“ für sich entscheidet, obwohl dieser ihm eigentlich zuvor das Leben rettete, als er einen Henker davon abhielt, sich an den Baphomet-Dienern zu vergreifen.
Die darin liegende Ironie scheint dem Autor allerdings entgangen zu sein. Dass der Henker den auf dem Drachen sitzenden Geisterjäger dann angreift, anstatt ihn das Vieh erst mal beseitigen zu lassen, hat mit Ironie allerdings weniger zu tun ... aber immerhin schafft es der Autor, den Kampf einigermaßen packend zu schildern.
Anschließend muss der Held natürlich wieder irgendwie in seine Zeit zurück, und wie stellt man das am besten an? Nun, man wählt am besten denselben Weg, der einen schon in die Vergangenheit beförderte – richtig, die allseits beliebte und übermächtige Formel. Spätestens an dieser Stelle fragte der Rezensent sich, warum es auf dem Kreuz, das ja verschiebbare Stellen besitzt, nicht eine Art Wiederholungstaste für die Formel gibt? So könnte der Held seine Stimmbänder schonen und diese Energie stattdessen im Kampf einsetzen. Andererseits ist die Formel immerhin fast zwei Zeilen lang, also warum diesen Platz verschenken?
Verschenkt wird in diesem Roman dagegen leider die Chance auf einen spannenden Showdown, obwohl die Ansätze durchaus vorhanden sind. Immerhin tauchen am Ende noch die Horror-Reiter auf, Suko darf seinen Stab zücken, Sinclair taucht im richtigen Moment auf ... da hätte man etwas daraus machen können, doch der Autor macht es zunichte, indem er Conolly zu einem Bluff greifen lässt, um den Gegner abzulenken:
„Schau mal hinter dir! Baphomet!“
Natürlich fällt der Galerist auf den Bluff herein, das Blatt wendet sich und als wäre das alles noch nicht hirnrissig genug, tritt am Ende noch der Maler des lebenden Bildes auf den Plan und „rächt“ sich an dem Galeristen, weil der sein schönes Bild kaputt gemacht hat ...
Der Rezensent sinnt derweil auf Rache für die gestohlene Zeit, während der nächste Roman bereits auf ihn wartet ...
„Es gibt Bilder, die machen einen Menschen regelrecht an.“
(JS Band 424 / S. 19)
Sein Gesicht war schmal. Die Nase stach wie ein Finger aus ihm hervor.(JS Band 424, S. 54)
Mir kam der Ausdruck auf ihren Gesichtern vor wie eine lauernde Apathie.(JS Band 424, S. 63)
„Es gibt manchmal Dinge, die muss man einfach hinnehmen. Das Monstrum hat das Bild verlassen. Ja, es wollte nicht mehr.“(JS Band 425, S. 13)
Er schleuderte mit den Schulterknochen Bilder zur Seite.(JS Band 425, S. 21)
Die Worte des Galeristen wirkten auf Bill und Suko wie harte Schläge unter die Gürtellinie.(JS Band 425, S. 36)
„Willkommen, Freund aus der Vergangenheit. Du bist zwar tot, doch Magie macht es möglich, dich als Lebenden umarmen zu können.“(JS Band 425, S. 60)
„Dreht euch um, dann werden wir euch killen!“
„In den Rücken schießen?“ fragte ich.
„Das spielt keine Rolle!“(JS Band 425, S. 61)
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