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Meine 2 Cents zu: Robert A. Heinlein

my 2 cts onMeine 2 Cents zu:
Robert A. Heinlein

Es gab eine Zeit, in der ich Robert A. Heinlein für den besten Autor in der gesamten Science Fiction hielt. Ich bewundere ihn immer noch sehr, aber nachdem ich dieses Jahr mehrere seiner Bücher noch einmal gelesen habe, ist mir schmerzhaft klar geworden, wie sehr er die Karten präpariert und mit dem Zufall arbeitet. „Freitag“ ist ein gutes Beispiel dafür. Zwar lässt es sich gut lesen, aber es ist ein Buch mit Schwächen und enthüllt einige von Heinleins schlimmsten Angewohnheiten.


my 2 cts onAber ich kannte Robert auch als menschliches Wesen, als Kollegen, als Lehrmeister, als Freund und als jemanden, der gern gelacht hat.

Doch der Robert, den ich kannte, lebte in einer Glaskugel seines eigenen Ruhms. Und er hat mit der Zeit herausgefunden, wie er damit umzugehen hatte. Er zog eine Mauer hoch, um sein Privatleben zu schützen – nicht einfach nur den sechs Meter hohen unter Strom stehenden Zaun mit dem Burggraben drumherum, in dem sich tollwütige Krokodile tummeln, sondern auch einen psychologischen Zaun. Er hat seine Post nicht beantwortet – dafür hatte er einen Vordruck mit Kästchen zum Ankreuzen. Und seine Telefonnummer erhielten nur diejenigen, mit denen er sprechen wollte.

Wenn er allerdings zu Conventions ging, war er freundlich zu jedermann – na ja, beinahe jedermann. Robert erwartete Höflichkeit von den Menschen in seiner Umgebung. Er erwartete von den Menschen, mit denen er zu tun hatte, das gleiche Mass an Integrität wie bei sich selbst.

Ich werde mich nie mit Heinlein vergleichen, weil ich ihn immer noch so sehr bewundere, aber ich habe angefangen zu verstehen, warum er so eisern auf seinen  Spielregeln bestand. Vor allen Dingen gab es immer eine Menge Leute, die ihn ausfragen wollten, ihn herausfordern, sich mit ihm streiten, ihn eines Besseren belehren oder einfach nur den Sauerstoff aus seiner Umgebung heraussaugen wollten.

Das klingt vielleicht schmeichelhaft, wenn Sie nie über Ihren Mangel an Selbstwertgefühl während der Oberstufenjahre hinweggekommen sind – aber falls Sie ernsthaft am Abenteuer Menschheit interessiert sind und an den aufregenden Entdeckungen, die die Naturwissenschaften möglich machen, dann ist diese Sorte Aufmerksamkeit schlimmer als nutzlos, sie kostet einfach nur Zeit und Nerven. Da geht Zeit drauf, die man besser mit einem Blick durch ein Teleskop nutzen könnte oder mit dem Versuch, einen Rotschopf abzuschleppen. Für einen Berufsschriftsteller ist das ein langsamer Tod für die Seele – als würde man von flauschigen Tribbles angeknabbert.

Ich habe mehr als einmal gesagt, dass ich nicht an Streitgesprächen interessiert bin. Und es gibt dafür zwei Gründe. Der erste ist, dass ich nicht an Streitgesprächen interessiert bin. Es nervt. Mich gibt es nur einmal, aber anscheinend gibt es mehrere hundert Leute, die meine Veröffentlichungen verfolgen und die mit mir darüber streiten möchten. Das kostet Zeit. Und Nerven. Es saugt den Sauerstoff aus dem Raum. Und während es einige Leute toll finden mögen, ein Streitgespräch mit einem bekannten Schriftsteller zu führen, ist der Schriftsteller erschöpft. Vielleicht noch nicht vom ersten  Streitpunkt und auch noch nicht vom dritten, aber ganz bestimmt vom dreißigsten. Jeder Schriftsteller kann es Ihnen bestätigen – ich hasse es, immer wieder die gleiche Unterhaltung zu führen, und wieder, und noch mal. Ganz besonders mit Leuten, denen es gar nicht ums Zuhören geht, sondern nur ums Streiten.

Aber der zweite Grund, warum ich Streitgespräche hasse, ist der, dass ich allzu oft am Ende beleidigt dastehe. 90% von dem, was ich tue, sind Recherchen. (Die anderen 10% verbringe ich damit, nachts wach im Bett zu liegen und meine Rache zu planen.) Wenn ich hier etwas veröffentliche, dann ist das nicht einfach eine zufällige Beobachtung – üblicherweise ist es die letzte Auslese nach Monaten der Überlegung. Ich werde dann die finsteren Winkel des Webs ebenso abgeklappert haben wie die Sonnenseiten. Ich werde beide Seiten der Medaille betrachtet haben. Ich werde mir die Zeit genommen und den Aufwand getrieben haben, um die Logik (oder eben den Mangel an selbiger) auf beiden Seiten (oder noch weiteren) der Streitfrage auf die Probe zu stellen. Ich werde nach der menschlichen Seite, der mitfühlenden Seite geschaut haben, weil ich nun mal so bin. Ich suche nach der zwingenden Beweisführung, die den Fall entscheidet. Wenn ich also irgendwann schreibe, wie ich über eine Sache denke, dann ist das das Destillat dieser Schlussfolgerungen.

Falls dann also jemand daherkommt und meinen Beitrag liest und augenblicklich anfängt, seine Antwort darauf zu schreiben – ohne dass er vorher die gleichen Recherchen betreibt wie ich, sondern einfach nur, weil er findet, man müsse mich in dieser Sache eines Besseren belehren – ja, dann fühle ich mich beleidigt. Ich fühle mich beleidigt, wenn jemand denkt, dass seine Ignoranz genau so viel wert ist wie meine Nachforschungen.

Robert hat einmal zu mir gesagt: „Wir können diese Unterhaltung nicht führen, weil Du nicht weißt, wovon Du redest.“ Und er hatte recht. Ich hatte meine Hausaufgaben nicht gemacht. Jetzt war ich zwar bereit, zuzuhören und dazu zu lernen, aber Robert war nicht dazu verpflichtet, mich zu unterrichten. Er wies mich auf seine Informationsquellen hin und sagte, ich solle mich selbst schlau machen. Das war eine Lektion, die bleibenden Eindruck hinterließ.

Ich bin nicht „der berühmte Schriftsteller“. Ich bin ein Arbeiter. Ich erzähle Geschichten. Wie Robert bin ich hinter dem Geld her, das Sie sonst für Ihr Bier ausgeben würden. Falls Ihnen gefällt, was ich schreibe, dann ist das schön für uns beide. Gefällt es Ihnen nicht, dann ist auch das in Ordnung. Aber wie Bob Dylan es mal so treffend ausgedrückt hat: „Bloß weil Ihnen das Zeug gefällt, das ich mache, heißt das noch lange nicht, dass ich Ihnen irgend etwas schuldig bin.“ Bin ich nicht.

Was Sie mir schulden – und jedem anderen menschlichen Wesen auf dem Planeten – ist Respekt. Höflichkeit. Würde. Freundlichkeit.

Einige Menschen haben gesagt, man müsse sich Respekt erst verdienen. Sie sehen es verkehrt herum. Das Gegenteil von Respekt muss man sich verdienen. Unglücklicherweise geht das viel zu leicht, und jede Menge Leute haben sich viel mehr Mangel an Respekt verdient als sie sollten.  

Aber wenn Robert für mich als Schriftsteller ein Vorbild war – und ja, das war er  – dann war er auch ein Vorbild für mich als Mensch, der im Rampenlicht steht. (Rampenlicht enthält Kryptonit.) Wie Robert und wie jeder andere Schriftsteller, der sich ein Publikum verdient hat, habe ich die Notwendigkeit entdeckt, dieses Publikum auf Abstand zu halten – nicht weil ich das Publikum nicht leiden kann, sondern weil ich diejenigen nicht leiden kann, die Nähe für eine Einladung zum Streiten halten.

Wenn ich sage, dass mich etwas nicht interessiert, dann meine ich es auch so. Es springt dabei nichts für mich heraus.  Da spiele ich doch lieber „Roll Dich auf den Rücken“ mit dem Hund. Das macht mehr Spaß, lohnt sich eher, und ich habe danach die Nase und die Ohren sauber.

Und jetzt muss ich los. Einer der Alligatoren im Burggraben hat sich an einem Nachbarskind verschluckt, und es wird Zeit für ein Hamlisch-Manöver. (Da renne ich zum Klavier und spiele dreimal den Refrain zu „What I Did For Love“.)


Kommentare  

#1 Advok 2013-08-07 15:34
Streitgespräche: Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob in den USA (oder Teilen davon) eine andere Mentalität herrscht als bei uns in Deutschland.

Als Beispiel will ich den Film "Die große Herausforderung" mit Roy Scheider anführen (den ich vor Jahren mal sah und ansonsten nicht näher bewerten will), der zeigt, wie manche Schüler auf Streitgespräche vorbereitet werden, ja regelrecht Wettkämpfe ausgefochten werden. Das, was heute noch zu diesem Film bei mir im Gedächtnis haften blieb, ist die Faszination, wie schnell die "Duellanten" die Fronten wechseln konnten und mussten. Nicht die eigene Meinung zu vertreten stand da im Vordergrund, sondern sich gut zu verkaufen.

Ich bin mir also nicht sicher, ob das Thema "Streitgespräche" von David Gerrold genau diese Auffassung meint - und wenn ja: Ob diese Streitkultur in Deutschland nachvollziehbar ist.
#2 Laurin 2013-08-07 20:24
Nun habe ich ja damals den Film STARSHIP TROOPERS gesehen und war begeistert. Gut, der Militarismus war auch hier überzogen, aber wohl auch bewusst, um durch die Hintertür eben eine Aussage gegen solche Systeme zum Ausdruck zu bringen, in denen das Militär quasi die graue politische Eminenz im Hintergrund ist. Als ich dann (ein paar Jahre später) auf den gleichnamigen Roman von Heinlein stieß (Bastei Lübbe/Dritte Auflage 1998), war ich doch redlich geschockt. War es doch den Filmemachern gelungen, aus einem "Landser im Weltraum" zumindest einen guten Film zu machen, wenn der Roman selbst schon einem mit der Zeit die Lesefreude raubt. :zzz Dieser SF-Roman hat jedenfalls dafür gesorgt, dass ich bewusst ab da nie wieder nach einem Roman von Robert A. Heinlein gesucht habe.

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