K. H. Scheer und seine SF-Leihbücher der Jahre 1948 bis 1965 - Iltis Verlag
K. H. Scheer und seine SF-Leihbücher
der Jahre 1948 bis 1965
Iltis-Verlag (Alexej Turbojew)
Vermutlich wollte er mit diesen Arbeiten unter Pseudonym zusätzliche Honorare lukrieren, was sich mit dem Beginn der Mitarbeit an der Perry Rhodan Serie ab 1961 erübrigt haben dürfte, da er dann kaum mehr Zeit für eigene Romane hatte.
Diese utopischen Romane zeigen auch eine schriftstellerische Weiterentwicklung Scheers, der in diesen Romanen für ihn neue Themen aufgreift, aber weiterhin die für ihn typische Technikverliebtheit und Präzision zeigt.
Man erkennt immer seine Wortgewalt und sein schriftstellerisches Talent. Er konnte mit einer Farbigkeit und Dynamik erzählen wie nur wenige seiner Zeit, nicht zu vergessen seine exakte Beachtung der technischen Möglichkeiten.
Seine Romane sind danach in verschiedenen Versionen erst als Heftromane im Rahmen der Reihen Utopia, Terra und Terra Extra erschienen, zuletzt als Taschenbuchausgabe in den Jahren 1985/86. Die älteren Leihbuchversionen beinhalten allerdings die vollständig publizierte Textvariante. Und das ist ein Unterschied von 255 bis 288 Leihbuch-Druckseiten zu späteren 60 Heftseiten in Terra Extra oder den 144 -160 Seiten eines Taschenbuches. Dadurch und auch mittels späterer Bearbeitungen wurde der Charakter der Romane meist nicht zum Besten des Textes verändert.
Bei den im Iltis-Verlag erschienenen Büchern handelt es sich um folgende SF Romane:
- Jahr / Titel / Autor
In diesen Romanen greift Scheer ganz neue Themen auf, er befaßt sich diesmal nicht mit den SF-Abenteuergeschichten wie zu Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit sondern mit richtiger SF und der möglichen Entwicklung der Menschheit. Und da er als russischer Schriftsteller auftritt, verwendet er auch jede Menge von russischen Namen und versucht sich durch andere Themenkreise zu tarnen.
Antares II
In „Antares II“ schildert er eine friedlich gewordene Menschheit, die von einem gigantischen Robotgehirn überwacht wird. Die Erde ist überbevölkert und es mangelt an Ressourcen für die Ernährung der Erdbewohner.
Als Ausweg erscheint die Kolonisation anderer Planeten, aber für den Bau der dazu nötigen Raumschiffe fehlt ein Schwermetall namens Hyperium, das nur auf Planeten mit hoher Schwerkraft wie Jupiter oder eben dem zweiten Planeten des Sternbildes Antares vorkommt.
Um das Metall abzubauen, werden Babies auf Raumstationen im Laufe vieler Jahre an diese Bedingungen angepaßt und zum Antares geschickt.
Der Roman befaßt sich mit der 7. Expedition, da die vorhergehenden ein Fehlschlag waren. Und als Draufgabe gibt es noch Außerirdische, die ebenfalls hinter dem seltenen Metall her sind und die die Ursache für das Scheitern der ersten Expeditionen waren.
Welt ohne Ende
In „Welt ohne Ende“ verwendet er ein anderes Szenario. Die überlebenden Menschen eines Planeten verstecken sich in einer unterirdischen Stadt am Grunde eines Meeres. Wieder kontrolliert auch ein Robotgehirn das Leben in der Stadt.
Den Bewohnern ist es verboten, die untersten Stockwerke der Stadt, in denen seltsame Pflanzen zur Sauerstofferzeugung wachsen, zu betreten. Der den meisten Menschen unbekannte Grund für das Verbot sind Krankheitserreger in diesen Räumen, vor denen die Menschen seinerzeit in das Versteck am Grunde des Ozeans geflohen sind.
Ein Physiker ist zu neugierig, übertritt das Verbot, steckt sich an, wird von den Wachen gefaßt, kann aber vor der Hinrichtung mit einem Freund fliehen. Sie gelangen durch die verbotene Zone in eine Geheimstation, in der bereits andere Flüchtlinge leben. Sie entdecken, daß es Schleusen und Fahrzeuge gibt, mit denen man auf einer Straße im Meer fahren kann.
Sie erreichen die Oberfläche und entdecken, daß die Krankheit zu körperlichen Verformungen und geistiger Degeneration führt, wie einige Überlebende auf der Oberfläche zeigen. Nur bei unserem Helden kommt es zu einer Modifikation des Gehirns und er wird quasi zum Übermenschen mit besonderen geistigen Fähigkeiten.
Und das ist auch der Clou der Geschichte, denn die wenigen Überlebenden der Seuche wurden ebenfalls modifiziert und bauten eine neue Zivilisation auf. Und die bisherigen Normalmenschen sind zum Aussterben verurteilt.
Rak 1212 überfällig
Ein Raumschiff fliegt zur Venus und kann sie auf Grund eines Defektes nur mehr umkreisen; die beiden Besatzungsmitglieder erfrieren.
Nach über hundert Jahren erwachen sie auf der Venus. Die Erde wurde mittlerweile von einer fremden Rasse unterworfen und die Menschen dort mittels Computerüberwachung und ständiger Hypnose ruhig gestellt. Lediglich einige Immune und eine kleine Venuskolonie sind noch frei. Der geistig stabilere Kommandant überlebt die Wiederbelebung mittels Gewebe der Venusureinwohner und erlangt dadurch eine zusätzliche geistige und körperliche Stärke.
Er soll das beherrschende Computergehirn zerstören, damit die Hypnose beenden und die Menschen vom geistigen Zwang befreien. Er scheitert bei dem Versuch und erfährt, warum die Erde als Nebenschauplatz eines interstellaren Krieges unterworfen bleiben muß.
In diesen drei Romanen geht es nicht mehr um reine Action, sondern um mögliche gesellschaftliche Entwicklungen, Modifikationen und Kontrolle der Menschheit durch Computer.
K. H. Scheer hat lediglich die Computerentwicklung durch integrierte Schaltkreise unterschätzt, er kannte ja damals auch nur Lochkarten und -streifen als Eingabemedien. Dafür lag er bei der Atomnutzung leicht daneben, Kleinreaktoren, Kernverschmelzung und Atomtriebwerke sind noch immer Utopien.
Scheer hatte überhaupt die Angewohnheit, seine Ideen und Stories auch in anderen Verlagen wiederzuverwenden und konnte so seinen Romanausstoß beträchtlich erhöhen. Allerdings waren Selbstplagiate damals nicht so selten.
Diese Romane können auf Grund der fehlenden urheberrechtlichen Voraussetzungen nur mehr im Original gelesen werden, falls man diese Bücher überhaupt noch auftreiben kann.
Falls man sich dafür näher interessiert, habe ich die Original-Klappentexte im zweiten Teil dieses Artikels zusammengefaßt.
Klappentexte
Klappentexte waren so etwas wie eine kurze Inhaltsangabe eines Buches. Sie hatten im Wesentlichen bis zu 3 Funktionen, nämlich den potentiellen Leser auf das Buch aufmerksam zu machen (damit er es entweder kaufte oder auslieh) und dienten ferner noch als eine Werbung für den Autor und / oder den Verlag.
In einer phantastisch-visionären Schau erleben wir die Fahrt des von der Erde abgeschossenen Raumschiffes 'KROSNITOW VII' zu dem Planeten Antares II. Man schreibt das Jahr 2185, und in den seit heute vergangenen über 2 1/4 Jahrhunderten hat der menschliche Geist auf allen Gebieten Erfindungen gemacht, die ihm einen solchen Vorstoß in das Weltall gestatten.
In seinem packenden Roman hat es der bekannte Autor verstanden, diese interplanetarische Expedition mit ihren technischen Wundern spannungsreich zu schildern. Man liest mit Erstaunen, wie menschliche Lebewesen aus den verschiedensten Rassen und Nationen für diese Raumfahrt in langen Zeiträumen herangezüchtet wurden und welch gigantischer und raffinierter Mittel sich die zukünftigen
Beherrscher unserer Erde bedienen, um ihre inzwischen auf acht Milliarden angewachsenen Einwohner zu ernähren.
Es geht bei dieser Expeditionsfahrt — die zu einem ungeheuerlichen technischen Kampf mit den feindlichen Beherrschern des Planeten Antares II wird — um die Eroberung des Hyperiums, des wertvollsten Stoffs der Milchstraße.
Die Maßstäbe alles Geschehenen sind in die Maßlosigkeit des Weltalls übertragen, und doch fehlen den 'Auserwählten', den Mitgliedern des Expeditonsraumschiffes, nicht menschlich, allzu-menschliche Züge, wenn auch Begriffe wie 'Raumpolizei' und 'solare Weltallsprache' erkennen lassen, daß im Jahre 2185 die menschlichen, politischen und wirtschaftlichen Probleme unseres heutigen Daseins längst neuen, übergeordneten, gigantischen Perspektiven gewichen sind.
Eine erregende Lektüre fesselt den Leser, der in den unendlichen und großartigen Bereich einer technischen Utopie versetzt wird, die — vielleicht — einmal zur Wirklichkeit werden kann. Da wir sie jedoch nicht erleben werden, lohnt es sich unbedingt, sie in diesem Roman vorausschauend zu erahnen.
Utopischer Roman
Sie nannten ihn einen 'Ideal-Verbrecher' und Schädling an der Großen-Gemeinschaft, weil er es gewagt hatte, die Produkte seiner Überlegungen in die Tat umzusetzen. Jako Koschnina, Fragmentphysiker und berechtigter Bewohner der Welt, wird von den Wächtern des Psychologischen Rettungsdienstes in der verbotenen Etage gefaßt und nach den Qualen des Rückenmark-Testes zum Tode verurteilt. Er erwacht im zermürbenden Gammabad der fünften Etage, und da beginnt er zu ahnen, daß 'die Welt' nicht endlos sein kann
A. Turbojew schildert in diesem soziologisch und psychologisch hervorragend fundierten Roman eine Welt der Not und der Angst. Niemand außer Jako Koschnina ist so vermessen, zu bezweifeln, daß die Lehre von der unendlichen Wasserkugel außerhalb der bewohnbaren Welt die absolute Wahrheit sein könnte.
Der Leser erlebt in atemloser Spannung das zaghafte Tasten eines Menschen, der infolge seiner Erziehung in erster Linie die notwendige Atemluft als die primärste Gegebenheit hält. Erst danach kommt die Nahrung und dann die Große-Gemeinschaft. Jako Koschnina ist es, dessen Schädel in einer qualvollen Wucherung an Umfang gewinnt, indessen der geübte Töter und Arenameister, Andrew Trowskonja, zu einem Ungeheuer wird.
In einer Schilderung von verblüffender Logik und echter Einfühlungsfähigkeit, entdeckt Koschnina die wahre Welt.
Ein Naturgesetz geht in Erfüllung. Die natürliche Auslese unter den Menschen des Kolonialplaneten Denebola II erfährt ihre Vollendung, als Koschnina gereift aus einem Unterwasser-Panzer steigt und seinen Dienst an der Gemeinschaft leistet.
"Welt ohne Ende" ist ein Roman, dessen bestechende Sprache keine Unklarheiten erlaubt. Er ist eine visionäre Schau auf das Schicksal einiger Menschen, die der direkten Gefahr entflohen, um damit die totale Verblödung auf sich zu nehmen.
Utopischer Roman
Die Nationen der Erde liegen noch im harten Wettstreit um die Eroberung des Raumes, als das Versuchsschiff "L-1212" zur Venus startet. Zwei Männer sind an Bord der 'bemannten Raumsonde' und zwei Männer sterben in ihren engen Andruckbehältern. Ein Wrack umrast auf weiter Kreisbahn die Venus und ein Jahrhundert vergeht.
Stepan Alexandrowitsch Woronskij findet sich in einem neuen Körper mit kristalliner Zell- und Gewebestruktur wieder. Ein Mann stirbt ein zweites Mal unter dem fauchenden Schuß einer venusischen Ventrit-Waffe. Atotherm-Strahlkanonen beginnen in robotgesteuerten Raumschiffen zu arbeiten und damit erhält Woronskij den Auftrag, dessen Erfüllung zum Fortbestand der Menschheit unerläßlich ist.
Ein nichtirdischer Materie-Transmitter jagt seinen entmaterialisierten Körper zur Erde. Ein Sektenprediger hält viel von öffentlich verdammten Strahlwaffen, und unirdische Machthaber erteilen ihre Anweisungen.
Damit beginnt eine Handlung von solcher Darstellungskraft, turbulenter Wucht und hervorragender Beweisführung, daß die Lektüre dieses Romanes zu einem überzeugenden Genuß wird.
Ein Meister der internationalen SF-Literatur erzählt, schildert und begründet in einmaliger Form. Eine neue Welt eröffnet sich. Sozialpsychologische Daten, Charaktere und detaillierte Einzelschilderungen verknüpfen sich mit derart erregenden Ereignissen, daß es für einen jeden Leser unmöglich sein wird, den vorliegenden Roman frühzeitig aus der Hand zu legen.
Woronskij erfüllt seine Aufgabe bis zur bitteren Konsequenz. Ein Mann vergeht in tiefster Not, die ihm schließlich das wahre Dasein bringt.
"RAK—1212 überfällig" ist ein Roman der absoluten Spitzenklasse aus dem Iltis-Verlag.
Kommentare
Und so blieb es bei drei Turbojew-Romanen.
(Heiko Langhans: K.H. Scheer - Konstrukteur der Zukunft, S.47)