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Meine 2 Cents zu: Gruben

my 2 cts on... Gruben

1Die erste Regel bei Gruben: wenn du drinsteckst, grab nicht tiefer.

„Ich bin nicht kritisiert worden. Ich bin Opfer von hemmungslosen, verlogenen und irreführenden Angriffen auf persönlicher Ebene geworden, aber wirklich kritisiert hat man mich nicht, weil zu keinem Zeitpunkt meine tatsächlichen Ideen angesprochen wurden,“ erklärte [Orson Scott] Card einer Zeitschrift in Utah. „Rufmord scheint das einzige Mittel der Politik zu sein, das heutzutage noch Verwendung findet, und an diesem Spiel beteilige ich mich nicht, und man kann sich auch nicht dagegen verteidigen.


 Alles, was man tun kann, ist seine Ideen anzubieten, und wenn jemand diesen Ideen Aufmerksamkeit schenkt, dann ist das toll. Aber bei den Leuten, die einen einfach dafür abstrafen wollen, dass man sich nicht ihren Dogmen unterwirft, da kann man eben nicht viel machen.”


Also das muss ich ihm lassen: es ist schwer, seine Behauptungen zu kritisieren, weil sie so weit daneben sind, dass sie die Wahrheit in Christopher Hitchens Worten belegen: „Behauptungen, die ohne Beweise aufgestellt wurden, kann man auch ohne Beweise verwerfen.

Ich habe es ja schon früher gesagt: Card ist ein begabter Autor, der ein paar großartige Bücher geschrieben hat – aber von Öffentlichkeitsarbeit hat er keinen blassen Schimmer.

Was ich aus seinen Worten herauslese ist sein Glaube, er richte sich an Menschen, die seiner Meinung sind, so dass diejenigen, die ihm nicht zustimmen, eine kleine Randgruppe wären. Der Gegenwind, den er als so scharf empfindet, sollte ein Testsignal für die Wirklichkeit sein – aber er hört anscheinend nicht zu. Card sagt, er habe Ideen angeboten. Ja, ich habe ein paar seiner schwulenfeindlichen  Tiraden gelesen. Das sind keine Ideen, es sind Aufrufe zu handeln. Und es scheint ihm immer noch nicht klar zu sein, dass nicht nur er Ideen anbieten kann, sondern dass andere auch das Recht haben, seine Ideen abzulehnen.

Ich für meinen Teil denke: so lange Card sich weiterhin als Ziel eines Angriffs wahrnimmt, so lange er die Lage von einem Podest der Selbstgerechtigkeit herab sieht, so lange wird er seinem Ruf weiteren Schaden zufügen. Durch dieses Interview und mit diesen Worten verfestigt er nur weiter die öffentliche Meinung, er sei ein Schwulenfeind, der sich als Opfer darstellt. (Die letzte verzweifelte Zuflucht des Schulhofschlägers: „Die hacken auf mir herum!“) Er reduziert sich selbst von einer großen Stimme zu einer großen Peinlichkeit. Ich kann mir keine größere SF-Convention vorstellen, die ihn noch als Ehrengast einladen würde, weil es zu einem Aufruhr unter den Fans käme, und zwar nicht bloß unter den Fans aus der Schwulenszene, sondern auch unter all denen, die gegen schwulenfeindliche Scheinheiligkeit sind.

Und da gäbe es noch einige andere Ehrentitel in der SF-Gemeinde, die er zwar verdient hat, die man ihm jetzt aber nicht mehr zuerkennen wird. Ich fürchte, er wird in die Geschichte eingehen als ein Autor, der sich nach einem Eigentor selbst vom Platz gestellt hat.

An dieser Stelle könnte man wohl daran erinnern, was passierte, als die Academy of Motion Pictures Elia Kazan einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk verlieh – die Hälfte des Publikums verweigerte ihm den Applaus, weil er in den 50er Jahren bei den antikommunistischen Hexenjagden in Hollywood mitgespielt hatte. Viele konnten ihm das nicht verzeihen. (Kazan drehte einen erstaunlichen Film namens „America, America“[auf Deutsch: „Die Unbezwingbaren“], der aus der Kinogeschichte verschwunden zu sein scheint.)

Auf ähnliche Weise haben Mel Gibsons antisemitischen Ausbrüche ihm die Verbannung aus  den großen Filmen eingebracht. Tom Cruises Auftritt bei Oprah mit den Ausführungen zu Scientology hat dem Einspielergebnis von „Krieg der Welten“ Schaden zugefügt und dem der Filme, die danach kamen.

Vielleicht ist Card das egal. Vielleicht hält er seinen Ruf für zu abgesichert, um Schaden zu nehmen. Vielleicht lebt er auch in einer Seifenblase aus Zustimmung. Aber er hat eine Menge Freunde in der SF-Gemeinde, die traurig sind über seine schwulenfeindlichen Kommentare, die es nicht verstehen können, wie ein Mann, der im persönlichen Umgang so freundlich und großzügig sein kann, so feindselige Dinge über eine ganze gesellschaftliche Gruppe von Menschen schreiben kann. Ich habe interessante Theorien und Spekulationen gehört, von denen ich hier keine wiederholen werde, aber viele von Cards Kollegen und Zeitgenossen sind traurig. Andere sind weiter gegangen bis zur schlichten Verabschiedung: „Er ist meine Zeit nicht mehr wert.“

Vielleicht gibt es hier ja ein Licht am Ende des Tunnels. Aber zunächst muss er damit aufhören, den Tunnel zu verlängern.

Dazu: Ender's Game - Hintergründe zum Boykott

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