Ender's Game - Hintergründe zum Boykott
Ender's Game
Hintergründe zum Boykott
a) Film und Buch
Zunächst einmal richtet sich der Protest im Grunde nicht gegen den Film "Ender's Game". Er handelt von einem kleinen Jungen, der vom Militär aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten dazu trainiert wird, einen Krieg zu gewinnen und letztlich Völkermord zu begehen. Vorlage ist ein Roman von Orson Scott Card aus dem Jahre 1985. Card wurde dafür 1985 mit dem Nebula Award und 1986 mit dem Hugo Award ausgezeichnet. Der Roman an sich ist unumstritten und auch der Film an sich hat bisher eigentlich keine besondere Kritik auf sich gezogen. Homosexualität oder Homophobie spielen darin keine Rolle.
b) Der Schriftsteller Orson Scott Card
Card ist ein bekannter und renomierter Schriftsteller, der vor allem durch seine Romane aus dem Enderuniversum bekannt geworden ist. Daneben hat er noch die Alvin-Serie, die Homecoming-Saga, die Woman-of-Genesis-Trilogie. die Empire-Reihe, die Pathfinderserie sowie etliche Einzelromane verfasst. Er gewann 1985 und 1986 den Nebula Award, 1986 und 1987 den Hugo Award, sechs mal den Locus Award und 2008 den Margaret A. Edward Award für große Verdienste in der Jugendliteratur. In einigen seiner Romane werden religiöse Themen gestreift. Homosexualität kommt nur in ganz wenigen Bänden vor. Zu nennen ist hier im Besonderen "Songmaster" aus dem Jahr 1979. Auch dieser Titel wurde von der Kritik durchaus positiv aufgenommen. Dort wird u.a. eine homosexuelle Verbindung beschrieben, die aber letztlich zur Selbstzerstörung führt. Kritisiert wurde, dass es dabei um jugendliche, z.T. ausdrücklich als kindliche aussehende Protagonisten geht. Der Protest richtet sich aber eigentlich auch nicht gegen den Schriftsteller Card.
c) Der Publizist und Aktivist Orson Scott Card
Durch den Boykott getroffen werden soll der Aktivist und Publizist. Orson Scott Card ist Mormone und hat mehrere Artikel veröffentlicht, die sich mit dem Umgang mit Homosexualtät, Homosexuellen und der Homo-Ehe befassen. So heißt es denn auch im Boykottaufruf:
"Ender’s Game author Orson Scott Card is more than an 'opponent' of marriage equality. As a writer, he has spread degrading lies about LGBT people, calling us sexual deviants and criminals. As an activist, he sat on the board of the National Organization for Marriage and campaigned against our civil rights. Now he's a producer on the Ender's Game movie. Do not let your box-office dollars fuel his anti-gay agenda. SKIP ENDER'S GAME. -"
Frei übersetzt etwa: Der Autor von Enders Game Orson Scott Card ist mehr als ein "Gegner" der gleichgeschlechtlichen Ehe. Er hat erniedrigende Lügen über die Homo-Lesben-Bi-Transgender Leute verbreitet, uns als sexuell Abartige und Kriminelle bezeichnet. Als Aktivist war er in Führung der National Organization for Marriage und führte eine Kampagne gegen unsere Bürgerrechte. Jetzt ist er Produzent des Films Ender's Game. Lasst nicht zu, dass eure Eintrittsgelder seinen Anti-Schwulen Zielsetzungen zugute kommen. Boykottiert Ender's Game.
In der Tat war Card von 2009 bis 2013 im Vorstand der National Organziation for Marriage (NOM) tätig. Diese Organisation sammelt Millionen Dollar für Campagnen, die sich gegen die gesetzliche Zulassung der Homo-Ehe in den einzelnen US-Bundesstaaten richten. Darüber hinaus werden auch Gegner der eigenen Ansichten persönlich ins Visier genommen. NOM hat beispielsweise Kampagnen gegen Richter geführt, die in ihren Urteilen für eine Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen gestimmt haben. Auch wurde im Rahmen der Vorwahlen gezielt versucht, republikanische Abgeordnete und Senatoren abzuwählen, die für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen gestimmt haben. NOM wird eine enge Beziehung zur Mormomenkirche, aber auch zu anderen fundamentalistischen Gruppierungen nachgesagt.
Es gibt auch etliche von Card geschriebene Artikel, die immer wieder als Beleg für seine homophoben Ansichten angeführt werden. Dazu gehört z.B. "The Hypocrites of Homosexuality", zu deutsch etwa "Die Scheinheiligkeit der Homosexuellen", erschienen 1990 in der Mormonenzeitung "Sunstone Magazine". Darin spricht er sich für einen Ausschluß öffentlich bekennender Homosexueller aus der Mormonenkirche aus. Homosexualität wird ausdrücklich als Sünde bezeichnet und die homosexuell orientierten Menschen werden zu Reue und Enthaltsamkeit aufgerufen. Wenn reuige Sünder auch akzeptiert werden können, so sei die Homosexualität als solche und vor allem ihre offene Praktizierung oder gar Gleichstellung nicht hinnehmbar. Besonders folgender Absatz wird immer wieder zitiert:
"This applies also to the polity, the citizens at large. Laws against homosexual behavior should remain on the books, not to be indiscriminately enforced against anyone who happens to be caught violating them, but to be used when necessary to send a clear message that those who flagrantly violate society's regulation of sexual behavior cannot be permitted to remain as acceptable, equal citizens within that society."
Der zentrale von mir hervorgehobe Satz lautet etwa: Gesetze gegen Homosexualität sollen in den Gesetzbüchern bleiben ... um eine klare Botschaft zu senden, dass denjenigen, die die gesellschaftlichen Regeln für sexuelles Verhalten verletzen, nicht erlaubt wird weiter als akzeptierte, gleichberechtige Bürger in der Gesellschaft leben.
Dies bedeutet einen offensichtlichen Aufruf zur Diskriminierung. Zu seiner Verteidigung hat Card später darauf hingewiesen, dass der Passus über die Beibehaltung der Gesetze gegen Homosexualität in einer Zeit geschrieben wurde, als es tatsächlich noch solche Regelungen gegeben habe. Er habe damals nur den bestehenden Status Quo akzeptiert, keine neuen eigenen Forderungen erhoben.
Ein weiterer kritisierter Aufsatz stammt aus dem Jahr 2004. "Homosexuell 'Marriage' and Civilisation" erschien in der "Rhinoceros Times", einer konservativen Wochenzeitung, die in Greensboro, North Carolina beheimatet war.
Dort sagt er den Untergang der Familie, der Nation, der Demokratie und aller amerikanischen Werte voraus, wenn die Verfechter der Homoehe erfolgreich sein. In diesem üblen Machwerk versteigt er sich zu folgender Aussage:
"The dark secret of homosexual society -- the one that dares not speak its name -- is how many homosexuals first entered into that world through a disturbing seduction or rape or molestation or abuse, and how many of them yearn to get out of the homosexual community and live normally."
Zu deutsch etwa: Das dunkle Geheimnis der homosexuellen Gemeinschaft ist, dass viele Homosexuelle durch Verführung, Vergewaltigung, sexuelle Belästung oder Mißbrauch zur Homosexualtität gekommen sind, und viele davon danach verlangen, aus der Homosexuellen Szene auszusteigen und normal zu leben.
Verantwortlich für sein Untergangsszenario macht er übrigens eine "Elite der politisch Korrekten", die dadurch jeden Rückhalt im Volk verlieren wird. Sich selbst sieht er in der Rolle des Opfers und Märtyrers, der aufgrund seiner Ansichten zu Unrecht (!) als "homophob" gebrandmarkt wird.
2008 soll er in einem mir nicht vorliegenden Text für die Mormontimes geschrieben haben, dass die Homoehe das Ende der Demokratie in Amerika markiere. Aus diesem Text wird zitiert:
"[W]hen government is the enemy of marriage, then the people who are actually creating successful marriages have no choice but to change governments, by whatever means is made possible or necessary… Regardless of law, marriage has only one definition, and any government that attempts to change it is my mortal enemy. I will act to destroy that government and bring it down…."
Zu deutsch etwa: Wenn die Regierung ein Feind der Ehe ist, dann haben die Menschen die eine gute Ehe führen keine Wahl als die Regierung zu wechseln, und zu tun was auch immer dazu möglich und notwendig ist ... Ohne Rücksicht auf Gesetze, hat die Ehe nur eine Definition, und jede Regierung, die versucht dies zu ändern ist mein Todfeind. Ich werde handeln um diese Regierung zu vernichten.
Aus diesem Grunde gab es in diesem Jahr auch schon einen erfolgreichen Boykottaufruf, als Card als Gastautor für DC einen Supermancomic schreiben sollte. Diese Internetaktion scheint so eine Art Vorbild für den jetzigen Aufruf zu sein.
Card hat allerdings nach der letzten höchstrichterlichen Entscheidung im Mai, die den Ausschluß legal verheirateter Hoosexueller Paare von nahezu allen von der Bundesregierung gewährten gesetzlichen Vorteilen für verfassungswidrig erklärte, den Kampf gegen die Homoehe anscheinend aufgegeben und ist seit Juli dieses Jahres auch nicht mehr im Vorstand der NOM. Die Entscheidung des Gerichts pro Homoehe hat er so kommentiert:
"Ender’s Game is set more than a century in the future and has nothing to do with political issues that did not exist when the book was written in 1984. With the recent Supreme Court ruling, the gay marriage issue becomes moot. The Full Faith and Credit clause of the Constitution will, sooner or later, give legal force in every state to any marriage contract recognized by any other state. Now it will be interesting to see whether the victorious proponents of gay marriage will show tolerance toward those who disagreed with them when the issue was still in dispute."
Dieses Statement, insbesondere der letzte Satz, war der Anlass für David Gerrolds Beitrag im Zauberspiegel.
"Jetzt wird es interessant, ob die siegreichen Vertreter der Homo-Ehe Toleranz gegenüber denjenigen zeigen, die nicht damit übereinstimmen."
Und auch das Lager Schwulen- und Lesbenbewegung ist nicht wirklich geschlossen. Zu Recht wird angemerkt, dass ein Boykott des Films nicht nur Orson Scott Card trifft, sondern auch die Schauspieler und alle anderen Mitarbeiter der Produktion in Mitleidenschaft zieht.
Wenn jemand in einer Organisation wie der NOM an führender Stelle mitwirkt, die selbst auch gegen einzelne Gegner höchstpersönlich vorgeht und ihre Stellung und Existenz bedroht, der muss es auch aushalten, wenn ihm selbst das gleiche widerfährt. Über die Homoehe kann man durchaus geteilter Meinung sein, aber Card ist in seiner Agitation dagegen weit über jedes vernünftige Maß hinausgeschossen. Er hat die gegnerische Partei herabgesetzt und diskriminiert. Die Toleranz, die er jetzt für sich einfordert, hat er seinen Widersachern leider nicht gewährt. Das Ganze ist für mich aber auch ein Beispiel für die unglaubliche Verhärtung der politischen Situation in den Vereinigten Staaten. Wir können froh sein, dass es in der Bundesrepublik bisher anders zugeht.
Trotz alledem ist es schade, dass ein so gutes Buch bzw. seine Verfilmung so zum Gegenstand einer erbitterten Auseinandersetzung wird, die mit dem eigentlichen Buchinhalt überhaupt nichts zu tun hat.
Kommentare
1980 gab es einen Teilboykott. Viele westliche Nationen traten bei der Olympiade in Moskau nicht an, weil die Rote Armee in Afghanistan einmarschiert war.
zitiere Lefti:
Viele Sportler müssten sich dafür erst mal als homosexuell outen. Und viele Staaten - in Afrika und Asien zum Beispiel - würden sie für so ein Eingeständnis ins Gefängnis oder ins Arbeitslager stecken.
Außerdem könnte man als Grund des Fernbleibens einfach die Korruption, bzw. die Menschenrechte im Allgemien angeben...
zitiere Larandil:
Afrikaner bei Olymbischen Winterspielen...?
hoho. Ja, das Kindergeld. Wenn du allene damit ein Kind großziehen müsstest, dann doch lieber kinderlos, würde ich meinem Kind nicht zumuten.
Dann sind wir ja schon zwei.
Wie heißt das 'Sprichwort': Gott wurde vom Geld ersetzt.
Wenn der Rubel rollt (und das bezieht sich jetzt nicht nicht nur auf das mafiaverseuchte Russland) sind Menschenrechte nebensächlich.
Außerdem sollte man schon wissen, dass in islamischen Staaten wie Katar oder auch Saudi-Arabien sowieso keine Menschenrechte und auch keine Religionsfreiheit gelten.
Hier gilt allein die Gesetze des Islam also auch die so genannte Scharia.
War nicht leztens mal ein Bericht im Fernsehen, dass Frauen -ich glaube es war in Saudi-Arabien- verboten ist Auto zu fahren.
Und dass die so genannten 'Gastarbeitet', insbesondere in Katar und Saudi Arabien sehr schlecht behandelt werden, weiß eigentlich jeder Politiker der westlichen Welt. Das ist denen aber schnurzipiepegal, weil hier wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Und da sind Menschenrechte Nebensache. Stichsort Öl und Stichwort Geld.
2010 waren aus Afrika dabei: Algerien, Äthiopien, Ghana, Marokko, Senegal und Südafrika.
Das Kindergeld soll dir dabei helfen. Es soll nicht "Kinderkriegen!" zum alleinigen Lebensentwurf machen.
Ja, bei uns kannst du das. In den meisten anderen Ländern wirst du deshalb aber erst mal hören: "Hä? Wieso hast du damit ein Problem? Bist du schwul, oder was?!"
Eventuell garniert mit dem Zuckerbrot "Ja, aber auf dem Siegertreppchen kannst du doch viel besser dagegen demonstrieren!" - und der Peitsche "Wie du meinst. Es gibt genug andere, die gerne an deiner Stelle hinfahren. Und wenn das so ist, stellen wir 2018 vielleicht am besten gleich jemand anderen auf."
Larandil, du hast das Argument Kind in diese Diskussion eingeführt. Und jetzt entwertest du es selbst? Es ist also gar keins?
Aber davon ab, das Kindergeld beträgt 184€ im Monat.
Und da wundern sich die konservativen Staatsführer wirklich, dass die Bevölkerung immer weiter zurück geht? Jeder verantwortungsbewusste Mensch entscheidet sich nämlich sehr bewusst für ein Kind und nimmt die Liebe für das Kind als Ausgleich oder er lässt es sein, weil es kaum mehr bezahlbar ist - so krass das jetzt auch klingen mag, bzw. trauig genug ist. Aber sicher macht das keiner für den Staat. Außer er glaubt immer noch an den berühmten Spruch eines Nobert Blüm: "Die Rente ist sicher." HAHAHAHA
Komm, das hast Du jetzt gegooglet, gell'?
zitiere Valerius:
Jaja, das gute, liebe Öl...
Aber wenn's dann nicht mehr da ist...!
Ich sehe schon Disneyland-Städte für Superreiche, wie beispielsweise Dubai verrotten und vom Sand der Wüste begraben und die ganzen Scheichs wieder in ihren Beduienenzelten kauern...
Aber bis es soweit ist, ist Deutschland längst den Bach 'runtergegangen...
zitiere Andreas Decker:
Doch, ich kann das.
Aber ich möchte hier darauf nicht weiter eingehen. Ist zu politisch und würde den Rahmen sprengen.
Hä?
DU wolltest wissen, warum dem Staat heterosexuelle Paare lieber sind als homosexuelle. So lieb immerhin, dass er ihnen Vorteile einräumt.
Die Antwort lautet: Kinder.
Mag ja sein, dass eine komplette Abschaffung des Rentensystems dazu führt, dass hier wieder Kinder in die Welt gesetzt werden, als ginge es ums nackte Überleben im Alter. Wenn man nach dem Erwerbsleben entweder Kinder und Enkel hat, die einem auf dem Altenteil das Gnadenbrot reichen - oder nach Verzehr der Ersparnisse in einer auskühlenden Butze still vor sich hin mumifiziert ...