Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Blutige Tränen
Blutige Tränen
Arno Bremer besucht die Vorführung der Lipizzaner in der Spanischen Hofreitschule in Wien. Ein Jahr zuvor sah er dort im Publikum eine junge Frau, die blutige Tränen weinte. Dann stürzte seine Frau Felicia vor die Hengste und wurde totgetrampelt. Seitdem beschäftigt sich Bremer wie schon zuvor Felicia mit dem Okkulten, hauptsächlich in Form von Tarotkarten, und will die junge Frau unbedingt wiederfinden.
Und tatsächlich ist sie wieder da. Wie ein Verrückter folgt ihr Bremer und glaubt seine tote Frau zu sehen. Die Spur führt ihn zu der Zigeunerin Rebecca, mit der Felicia zu seinem Zorn vor ihrem Tod Kontakt hatte. Denn Felicia glaubte nur noch durch die Macht der Tarotkarten schwanger werden zu können, was ihr Mann für Humbug hielt. Die Beschäftigung mit den Karten verwandelte Felicia in ein seelisches Wrack.
Aber Bremer kann die Zigeunerin nicht verhören, denn plötzlich findet er sich mit einem Filmriss im Hotel wieder. Er irrt durch Wien, erlebt bedrohliche Halluzinationen, ist davon überzeugt, dass die Zigeunerin und die junge Frau seine Felicia mit Schwarzer Magie umgebracht haben, nur um die Zigeunerin brutal ermordet aufzufinden.
Dafür entdeckt er das Mädchen. Philomena Merz, Tochter eines Botschafters. Aber Merz Senior ist mit den Nerven am Ende, denn er hält seine schöne Tochter für besessen. Und Arno Bremer, in dem die obsessive Beschäftigung mit den Tarotkarten ebenfalls magische Sinne geweckt haben, pflichtet ihm bei. Nun versucht er, Philomena von dem Dämon zu befreien, der bald ihn und die ganze Familie terrorisiert. Darunter auch Philomenas schwangere Schwester Camilla. Der Dämon treibt seine Spielchen mit Bremer, er versucht ihn zu verführen und schreit dann Vergewaltigung, er spricht mit der Stimme der toten Felicia und löst in Philomena Krampfanfälle aus, wenn er nicht das Zimmer zu Kleinholz zerlegt. Schließlich kommt die Nacht, in der der Dämon Camillas Ehemann ermordet und Camilla das Ungeborene stiehlt, um es in Philomena zu pflanzen und dann zu absorbieren. Aber Bremer kennt nun die Wahrheit. Der Dämon ist kein anderer als Felicia. Sie hat mit der Zigeunerin den Plan ausgeheckt, ihren unfruchtbaren Leib gegen den von Philomena einzutauschen. Dafür beging sie rituellen Selbstmord. Als sich Bremer nun von ihr lossagt, verlässt der Dämon Philomena, während das Haus abbrennt und der Rest der Familie stirbt. Bremer und Philomena entkommen den Flammen, dabei bricht sich Bremer das Rückgrat.
Ein Jahr später besuchen der nun im Rollstuhl sitzende Bremer und seine neue Frau Philomena in Wien die Hofreitschule. Als Bremer enthüllt, dass er die ganze Zeit gewusst hat, dass Dämonenfelicia das Mädchen Philomena gar nicht verlassen hat und er den Kreis aus Magie und Wiedergeburt brechen will, begeht sie Selbstmord, indem sie sich vor die Pferde wirft. Bremer hingegen fährt in seinem Rollstuhl auf eine Treppe zu, um sich ebenfalls zu Tode zu stürzen.
Für die Leser und Fans der Heftromanserie Dämonenkiller muss es eine nicht unbedingt erfreuliche Überraschung gewesen sein, als sie im März 1975 am Kiosk das erste Dämonenkiller-Taschenbuch erstanden. Da lasen sie parallel den mittlerweile klassischen Zamis-Zyklus. Gerade war auf die wöchentliche Veröffentlichung umgestellt worden, und jetzt auch noch ein Taschenbuch. Gute Zeiten ein Fan zu sein, auch wenn das vermutlich zu Taschengeldkrisen führte. Wie groß muss da die Überraschung – und bei vielen vermutlich auch die Enttäuschung - gewesen sein, als sich der erste Band als beliebiger Horrorroman erwies, der aber auch nicht das Geringste mit der noch jungen Mutterserie zu tun hatte? Ein Roman, der genauso gut in der Vampir-Taschenbuchserie hätte erscheinen können?
Dem außenstehenden Betrachter von heute kommt es so vor, dass die Entscheidung, auch eine Dämonenkiller-Taschenbuchserie an die Kioske zu schicken, recht überstürzt und ziemlich planlos erfolgte. Nicht einmal Werbung gab es. Im Gegensatz zur Rhodan-Maschine, die für jedes neue Produkt schon lange im Vorfeld warb, war das beim Dämonenkiller Fehlanzeige. Massiv beworben in den Heften wurde monatelang die Neue Revue Thriller-Reihe, Perry Rhodan 700 und sogar Atlan, neben den üblichen Anzeigen für Sammelmappen, Tiparillo und die Bravo-Romane. Aber der Taschenbuchableger erhielt lediglich ein schlichtes, kleines Kästchen, das nur darüber informierte, dass es jetzt auch das Dämonenkiller-Taschenbuch gab. Auch auf der Leserkontaktseite kein zeitgleicher Hinweis über die Existenz der Reihe, geschweige denn Informationen zum Inhalt oder dem Konzept der Reihe. Eine bizarre Marketingstrategie, die sich auch nicht ändern sollte. So richtig nachvollziehen lässt sich das nicht. Selbst wenn Pabel seinen Autoren oft höhere Honorare als die Konkurrenz zahlte, waren die Kosten für eine Übersetzungsreihe naturgemäß höher. Auch wenn für ausländische Rechte auf diesem Sektor in diesen Jahren nur das berühmte Butterbrot bezahlt wurde und es bei einem einmalig erscheinenden Kiosktaschenbuch keine Nebenbeteiligungen wie Tantiemen gab, musste zusätzlich die Übersetzung bezahlt werden. Sicher kostet Werbung Geld, trotzdem wurde das neue Dämonenkiller-Taschenbuch geradezu stiefmütterlich behandelt. Vermutlich war man der Ansicht, dass es – wie das Vampirtaschenbuch – ein Selbstläufer ist.
Aber was lässt sich über den Roman sagen?
Im DK-Taschenbuch erschienen Ernst Vlceks ernsthaften Horror-Romane. Sowohl "Blutige Tränen" wie auch die späteren Beiträge "Das Phantom aus dem Spiegel" und vielleicht auch noch "Das Böse wohnt in der Tiefe" zeigen nicht nur, welches schriftstellerische Potenzial er gehabt hat, bevor es die Heftchenmaschine dann auslaugte; die ersten beiden Romane lassen auch erahnen, welchen Weg die deutsche Phantastik hätte einschlagen können, hätten ihr das Ghetto der umfanggebundenen Periodika und vor allem der Jugendschutz nicht die Luft abgewürgt. "Blutige Tränen" ist auch heute noch ein lupenreiner, effektvoller Horror-Roman.
Was die Eigenständigkeit angeht, gut, da muss man etwas differenzieren. Nicht nur folgt das Ende eindeutig den negativen Schockenden, die das immer härter werdende Horrorkino zu dieser Zeit propagierte und die heute nur noch ein inhaltsleerer dämlicher Witz sind. Auch Arno Bremers Geschichte endet letztlich mit einer nihilistischen Pointe, mit Tod, Selbstmord und Zerstörung. Dem okkulten Bösen entkommt man nicht. Das erinnert stark an Filme wie "Der Exorzist" oder Ossorios Blind Dead-Reihe (hierzulande als die Reitenden Leichen bekannt).
Allerdings steht "Der Exorzist" hier in mehrerer Hinsicht Pate. Auch wenn der Autor auf das katholische Beiwerk verzichtet – in das Minenfeld wollte sich der Verlag dann doch nicht begeben - , stützt er sich in den Schauerszenen deutlich erkennbar auf diese Vorlage. Also gibt es "phallisch herausgestreckte Zungen", ein paar für die damalige Zeit recht herbe Obszönitäten, wenn der Dämon die blutweinende Philomena am Wickel hat, und am Ende der Tod eines Ungeborenen. Das ist schon harte Kost.
Aber neben diesen Elementen, die zumindest den älteren Horrorfans unter den Lesern vertraut gewesen sein dürften, gibt es auch viel Eigenständiges. Der Handlungsort Wien ist mehr als der übliche Platzhalter deutscher Fließbandromane. Es ist so weit von dem mythischen und nichtssagenden Gruselengland entfernt, für das deutsche Gruselautoren so eine Vorliebe hatten, wie man sich das nur vorstellen kann. Einerseits die prächtige Spanische Hofreitschule, andererseits die schmutzigen Gassen der Altstadt, die etwas Düsteres und Magisches haben. Es ist bedauerlich, dass Vlcek die Umfangbeschränkung im Nacken saß. Auch wenn sie in diesem Fall dafür sorgte, dass kein Gramm Fett zuviel am Text ist, fragt man sich, was ihm wohl gelungen wäre, hätte ihm mehr Platz zur Verfügung gestanden.
Das okkulte Element mit den Tarotkarten dürfte dem Durchschnittsleser ziemlich neu gewesen sein. Heute bekommt man sie ja in jedem Esoterikladen nachgeworden, aber 1975 – oder 1974, als der Roman vermutlich geschrieben wurde, wenn nicht noch früher - war das noch anders. Tatsächlich verwendet Vlcek recht viel Platz auf den Umgang mit den Karten. Dass er ihnen hier Kräfte beimisst, die ins Reich der Phantasie gehören, ist völlig in Ordnung.
Ist der Anfang letztlich noch recht konventionell und könnte aus einem Dämonenkillerheft stammen, schlägt die Handlung dann einen völlig unerwarteten Bogen und wird zur harten Besessenheitsgeschichte. Die bringt ihre eigene Albtraumlogik mit sich, und wenn der Dämon am Ende seinen unglaublich komplizierten Meisterplan viel zu ausführlich erklärt, bleibt zwar der gesunde Menschenverstand auf der Strecke, aber im Kontext der Erzählung erscheint er plausibel. Nur das eigentliche Ende ist dann ein schrecklich konstruierter Schwulst, über den der Leser keine Minute lang nachdenken darf und für den zwei Seiten schlichtweg zu kurz sind. Das wäre das bei einem größeren Umfang besser zu lösen gewesen. Da bleibt so manches offen oder schlichtweg sinnfrei, aber das muss man fairerweise auch sagen, es bietet einen guten Schauwert. Die Abschlussszene, in der der mittlerweile gelähmte Arno Bremer auf eine Treppe zufährt, um sich zu Tode zu stürzen, ist effektiv.
Als Auftaktband einer Reihe ist das auch noch nach vierzig Jahren ein guter Horrorroman, der sein Thema ernst nimmt, seine Möglichkeiten voll ausschöpft und – was vielleicht am Wichtigsten ist - zumindest in mancherlei Hinsicht ohne die Schere im Kopf geschrieben wurde, die schon wenige Jahre später die Grundvoraussetzung bei der Produktion deutscher Horrorromane wurde. Vielleicht ist auch das mit ein Grund, warum der Roman nie nachgedruckt wurde.
Der Horrorroman sollte seine Effektivität auch aus der Beschreibung seines Umfeldes nehmen. Das zeitliche Lokalkolorit ist in diesem Roman recht dezent gehalten. Witzig ist die Szene, in der Bremer Philomena in einen "Oben ohne-Klub" verfolgt und für viel Geld eine Krawatte mieten muss. Aber am Ende kommt dann doch ein echter 70er Kracher. "Ja, Philomena hatte erreicht, dass man ihn mit dem Rollstuhl hereinließ [in die Hofreitschule]. Sie hatten anfangs Schwierigkeiten gemacht, weil es in Wien irgendein Gesetz gab, wonach Krüppel der Zutritt zu Theatervorstellungen und anderen öffentlichen Veranstaltungen verwehrt war." Ob es sich tastsächlich so verhielt, sei dahingestellt. Heute hingegen undenkbar.
Die Gestaltung folgte lange Zeit der Idee, ein Horrormotiv in einem Rahmen zu präsentieren. Vermutlich war es als Galerie des Grauens gedacht, vielleicht ließ man sich auch von der italienischen SF-Reihe Urania inspirieren, die eine ähnliche Gestaltung hatte und für die Thole häufig arbeitete. Oder dem typischen italienischen Giallo-Bild. Auch wenn es einem beinahe schon als Sakrileg vorkommt, die Bilder von Thole auf diese Weise zu beschneiden, gab es der Reihe doch ein prägnantes Aussehen und eine Identität, die ihr der Inhalt nicht geben konnte. Die Nr.1 bietet ein recht dezentes, aber sehr schönes Bild, das sogar auf den Inhalt hinweist.