Eine ganz besondere Anthologie - Snakewoman
Eine ganz besondere Anthologie
Snakewoman
Herausgebildet hat sich eine Erscheinungsweise, in der sich Romane und Anthologien abwechseln.
Die bislang vier von Alisha Bionda selbst herausgegebenen Anthologien gehören zum Besten, was auf dem Markt erhältlich ist. Über "Die Begegnung" und "Die Knochenkirche" habe ich im Zauberspiegel schon einmal berichtet. Heute soll "Snakewoman" vorgestellt werden, das innerhalb der Reihe einen besonderen Stellenwert hat.
Meistens werden Anthologien zusammengestellt und dann bebildert. Alisha Bionda hat schon einige Male den umgekehrten Weg beschritten. Sie wählte Bilder eines Künstlers aus und legte sie dann den Autoren vor, mit der Bitte dazu eine Geschichte zu schreiben. So ist auch hier.
Grundlage des Bandes sind Arbeiten von Andrä Martyna, mit dem Alisha Bionda schon etliche Projekte realisiert hatte. Der Anlass ist allerdings eher trauriger Natur. Andrä Martyna verstarb 2011 überraschend im Alter von nur 53 Jahren. "Snakewoman" ist ihm gewidmet und als Gedenkbuch konzipiert.
Es gibt einen Lebenslauf des Künstlers, Worte seiner Ehefrau und seiner Töchter und auch jeder der Autoren erinnert an seine eigene Beziehung zu Andrä Martyna. Die 11 Kurzgeschichten sind thematisch weit gefaßt. Es gibt reine Fantasygeschichten, Urban Fantasy, aber auch klassischen Horror.
Tanya Carpenter eröffnet den Reigen mit "Dragemenn". Als Hexe verurteilt wird die verwitwete und heilkundige Norma von ihren Mitbewohnern im Dorf verstoßen. Angekettet an einen Baum wird sie dem Urteil der Dragemenn ausgeliefert. Ganz großes Kino gibt es wieder bei Ascan van Bargen. "Morvans Dale" führt den Leser in einen alten offensichtlich verfluchten Landsitz im Süden der Vereinigten Staaten. Im Louisiana des Jahres 1789 kehrt Lucien D'Arc zurück an den Ort, wo er vor Jahren seine Jugendliebe Jillian verloren hat. Und der Showdown in der namensgebenden Villa ist wirklich atemberaubend. Deutlich ruhiger geht es bei Linda Budingers "Die Stadt der schweigenden Türme" zu. Als Trägerin einer ansteckenden Krankheit wird die junge Moonglow lebendig eingemauert. Nur wenige Tage bleiben ihr, doch sie verzweifelt nicht. Als sie von Visionen heimgesucht wird, scheint das Ende nah.
Mit Drachen bekommen wir es in "Ein Leben für ein Leben" von Ruth Fuchs zu tun. Barbara Büchner widmet sich in "Snakewoman" der jungen Eva Tiens. Die aufstrebende Künstlerin und Einkäuferin einer Galerie glaubt endgültig ausgesorgt zu haben, als sie auf bisher unbekannte Meisterwerke eines verstorbenen Künstlers stößt. Und dann bekommt sie auch noch die Gelegenheit, sich einen Wunsch erfüllen zu lassen! Gundula Sell entführt den Leser in "Das Sammeln" in ein von einem Diktator unterdrücktes und weitgehend verarmtes Land. Die Agentin Marie Nera wird ausgeschickt um einen komplizierten Langzeitplan zu vollenden, der das Land befreien soll. Dazu muss sie allerhand Kontakte knüpfen und kreuz und quer durch das Land reisen.
Sören Prescher schickt den Dieb Erik auf Einbruchstour ins Museum. "Hawleys Gemälde" soll ihn reich machen. Alarmanlage und Nachtwächter sind kein Hindernis für den erfahrenen Verbrecher. Florian Hilleberg beschreibt in "Jagdfieber" eine Werwolfsjagd der etwas anderen Art und räumt mit alten Vorurteilen über diese Geschöpfe auf. Gian Carlo Ronellis "Rihanna" beginnt wie eine moderne Version von Romeo und Julia. Zwei Dörfer stehen sich feindlich gegenüber und wollen nicht dulden, dass ein junges Paar heiratet.
Tobias Bachmann konfrontiert den Fotografen Andreas Martin in "Im Abbild des Mondes" mit einer geheimnisvollen geflügelten Gestalt. Diese ist mit bloßen Augen nicht zu sehen, taucht aber auf den Fotos auf, die er in einer verlassenen Klosterruine geschossen hat. Alisha Bionda schließlich beschreibt in "Die Moorleichen" wie der junge Kolja versucht, einen alten Fluch von seinem Dorf zu nehmen.
Diesmal gibt es nur Kurzgeschichten, keine Novelle. Mir haben die Geschichten von Sören Prescher, Tobias Bachmann, Barbara Büchner und Gundula Sell besonders gut gefallen.
Fazit: Snakewoman ist eine typische Alisha-Bionda-Anthologie, steht für die gelungene Verbindung von Wort und Bild, eine sorgfältige und liebevolle Gestaltung und eine fast schon kompositorische Anordung der Kurzgeschichten. Gleichzeitig ist der Band aber auch etwas Besonderes, sehr Persönliches, da er dem Künstler und der Person Andrä Martyna ein würdiges Andenken gibt. Dementsprechend ist der inhaltliche Rahmen für die Geschichten großzügig gesetzt, die Werke Martynas vermitteln den Zusammenhang. Für jeden Liebhaber der Kurzgeschichte, jeden Freund der Dunklen Phantastik und jeden, der Alisha Biondas besondere Anthologien schätzt, ein absolutes Muss.
Snakewoman - und andere phantastische Geschichten