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Vom Vampyr zum Positronenhirn. Alte phantastische Literatur im Verbrauchertest: Teil 17: Clark Ashton Smith: Die phantastischen Erzählungen (1926-35)

Vom Vampyr zum Positronenhirn. Alte phantastische Literatur im VerbrauchertestTeil 17:
Clark A. Smith: Die phantastischen Erzählungen  
(1926-35)

Die amerikanische Phantastik hat echte Ikonen hervorgebracht – die Reihe der großen Autoren von Edgar Allan Poe über H.P. Lovecraft bis zu Stephen King ist ehrfurchtgebietend. Für mich persönlich überragt Clark Ashton Smith (1893-1961) sie alle – vielleicht ist er sogar DER Autor des Genres schlechthin, der vollendetste, extatischste, nuancenreichste – und verrückteste phantastische Autor aller Zeiten. Eine Hommage an den Meister der Meister.


Clark Ashton SmithSicher – meiner enthusiastischen These werden nicht alle zustimmen. Doch dürfte es, mit zunehmender Verbreitung (der Ruhm des Autors steigert sich von Jahrfünft zu Jahrfünft rapide) auch nur wenig Fans der Phantastik geben, die ihn, einmal zur Kenntnis genommen, nicht sofort zu den Top Ten zählen. Und oben auf dem Olymp ist das Abwägen, wer denn nun der allerbeste ist, wohl doch eher Geschmackssache.

Bevor ich etwas über diesen ungewöhnlichen Autor erzähle, eine kleine Episode, die erklären soll, warum ich ihn so verehre. Einst, mit 20, saß ich ziemlich genervt in Philosophie-Seminar der Freien Universität Berlin, und mir dämmerte allmählich, dass ich hier falsch war – mir war die Literatur und Musik näher als die abstrakte Welt des Denkens – nicht so sehr, weil sie mich nicht interessiert hätte – ich vermute mal, ich war einfach zu dämlich fürs Un-Sinnliche. Dennoch blieben einige interessante Thesen der Studienzeit lange bei mir hängen. In jenem Seminar wurde ich mit einer These konfrontiert, die ich als zutiefst nihilistisch empfand und die mich absolut schockierte. Ich weiß nicht mehr, von wem dieser zentrale Gedanke der britischen Empirie stammt, der Mensch habe im Grunde überhaupt keine schöpferische Phantasie, er setze auch in seinen wildesten Geschichten immer nur Erfahrenes virtuos neu zusammen, ein Monster sei immer aus Teilen des real Existierenden zusammengesetzt. Keine Ahnung, welcher Philosoph genau das gesagt hat, ich dürfte aber wohl nicht allzu weit danebenliegen, wenn ich davon ausgehe, dass es Locke oder Hume waren, die, nachdem sie sich pflichtgemäß über Hobbes aufgeregt haben, und wortreich bewiesen, wie blöd dieser alte Denker war, den Gedanken dann doch von ihm geklaut haben.

Jedenfalls: Die These ärgerte mich. Fortan suchte ich in der phantastischen Literatur nach einem Gegenbeweis. Es gab keinen. Die exotischsten Welten, die schrecklichsten Monster, die absurdesten Gebäude – sie waren doch immer nur ein leicht verzerrtes oder neu zusammengepuzzeltes Abbild der Realität. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als ich zum erstenmal Smith las. Holy shit! Man hörte beim Lesen förmlich die Kettensäge, die fröhlich das hölzerne Gebäude der trockenen Empiristen zum Einsturz brachte.

In demselben Maß, in dem jene andere, näher gelegene Stadt mich anzog, fühlte ich mich von diesen Türmen abgestoßen (...)
Um zahlreiche der zuvorderst gelegenen Türme fuhren rötlich-violette Feuerlanzen auf den Boden der Ebene herab. Gut eine Minute lang loderten sie aufrecht und schwenkten langsam über einen großen Bereich, ehe sie schließlich erloschen. In den Zwischenräumen zwischen den Türmen nahm ich eine Vielzahl glimmender, rastlos wogender Partikel wahr, gleich einer Armee widerspenstiger Atome, und fragte mich, ob es sich womöglich um lebende Wesen handelte. Wäre mir die Vorstellung nicht so absurd erschienen, hätte ich schwören können, dass die ferne Stadt auf der Ebene vorrrücke...

In der „Stadt der singenden Flamme“ fällt der Ich-Erzähler in ein Dimensionstor und erlebt abstruse Abenteuer in einer völlig irrealen Stadt mit irrealen Wesen. Heute muten diese Beschreibungen, die auch manchmal dunkel werden wie ein symbolistisches Gedicht, sich aber nie ganz von der soliden Erzählkunst entfernen, wie Visionen eines LSD-Trips an.

Das besondere an Smith ist nicht die Fähigkeit, neue Welten und Wesen zu erfinden – das konnten unzählige andere vor und nach ihm auch. Besonders ist, dass es ihm so leicht fiel, und dass er dies Talent in einem virtuosen Maße besaß wie kein andrer. Auf seine Art war er wie Rossini in der Musik oder Goya in der Malerei – seine Imaginationskraft kannte scheinbar keine Grenzen.

Mitunter setzte er sich dabei Ziele, die weit über das hinausschossen, was irgendein Leser unterhaltsamer Horror- oder SF-Storys lesen wollte. Er spielte mitunter mit großen Ideen wie ein Löwe mit einer Maus, grausam und gelangweilt, um sie dann zu töten. Markantes Beispiel ist die völlig durchgedrehte Geschichte „Die Dimension des Zufalls“ (1932). Sie spielt im Jahr 1970, Amerika und Japan führen Krieg. Zwei Piloten verfolgen in einem Überschall-Jet ein fliehendes japanisches Jagdflugzeug. Allein das ist schon in allen Zügen visionär, man bedenke, dass es lange vor Pearl Harbor und dem Auftauchen der Düsenjets geschrieben wurde. Als ob das nicht schon genug wäre für eine schöne Pulp-Geschichte, geraten beide Maschinen in eine Wolke, die sie in eine Dimension befördert, in der die Naturgesetze außer Kraft getreten sind, eine Art Carrollsches Wunderland für Erwachsene. Wie sich dauernd alles ändert, Schwerkraft, Wachstum der Pflanzen, Entfernungen, Lichtverhältnisse, ist atemberaubend erzählt. Natürlich werden die Japaner von abscheulichen Monstern gefressen, von denen Smith hier so viele erfindet, dass das Bestiarium für das Gesamtwerk eines Durchschnitts-Heftromanautors lebenslang reichen würde. Die Amerikaner können durch die Hilfe anderer sonderbarer Wesen entkommen.

Smith selbst hielt die Geschichte für Schund.

Wer war dieser sonderbare Typ? Ein wenig erinnert sein Aufstieg an den von Karl May. Kind von bitterarmen Prols, wuchs er in einer slumartigen Ecke des Städtchens Auburn in Kalifornien auf. Die Schule brach er nach wenigen Jahren ab und verdingte sich als Holzfäller und Obstpflücker.

Dennoch hatte er eine unstillbare Liebe zur Literatur und las quasi alles. Wie May entwickelte er eine fast obsessive Liebe zu Konversationslexika, und wie May konnte schon als Kind ein mehrbändiges Lexikon fast auswendig. Wichtig für ihn wurden auch die Märchen aus Tausendundeiner Nacht – ihren Einfluß spürt man in vielen Geschichten; viele seiner erfundenen Welten haben einen orientalischen Einschlag. Wenn sich etwa in den „Blumenfrauen“ (1932) die Vampirblumen sanft singend im Wind wiegen, halb Pflanze, halb schöne Frau, und auf Opfer lauern, wirkt das wie eine Mischung aus Homers Odysee, Orientmärchen a la Sindbad und Opiumrausch.

H.P. LovecraftWirklich besteht auch ein Vorzug Smithscher Geschichten darin, dass sie alle Einflüsse der Phantastik seit der Antike zusammenfassen und zu einer völlig individuellen eigenen Kunst fusionieren. In seinen Geschichten, so modern sie oft anmuten, wispern uns uralte Dämonen ins Ohr, schleichen zwischen den Zeilen Ängste an uns heran, die wir vielleicht zuletzt hatten, als wir noch auf den Bäumen saßen. Der Unterschied zu Lovecraft besteht genau darin - dass der sich stets danach sehnte, diese Gefühle im Leser heraufzubeschwören, oft auch nahe dran war (manchmal sogar sehr, sehr nahe) – aber der unintellektuelle Smith sie quasi genial aus dem Handgelenk werfend erzeugte. Deswegen vergötterte Lovecraft diesen Zeitgenossen mehr als jeden anderen Schrifsteller:

„Was echte dämonische Ausstrahlung anbelangt, wird Mr. Smith wohl von keinem lebenden oder toten Schriftsteller übertroffen“,

schreibt er hymnisch.

Lovercraft war weit davon entfernt, diesen Autor außerhalb der Welt der Literatur förmlich mit „Mr. Smith“ zu betiteln. Beide verband eine lebenslange Freundschaft - und ein reger Austausch. Ihr Briefwechsel gibt viel Aufschluss darüber, wie beide Großmeister des Schreckens gedacht und gefühlt haben. Lovecraft verballhornte Smiths Vornamen liebevoll zu einer mythischen Gottheit und nannte ihn Klarkash-Ton.

Und förderte ihn, wo er nur konnte.

Weird Tales, April 1938Tatsächlich war aber Smith erstaunlicherweise, und anders als das andre große Ziehkind Lovecrafts, Robert Bloch, in der Literaturwelt schon ein Begriff, bevor er unter den Fittichen des erfahreneren Schriftstellers endgültig in die Welt des Phantastischen überwechselte. Nämlich als Lyriker. Hier endet der Vergleich mit May insofern, als Smith im Gegensatz zum deutschen Fabulierer die eindeutig besseren Gedichte verfasste. Doch die neuen Verlockungen hießen Lovecraft und Zahlkraft. Gruselgeschichten verkauften sich besser als Poeme und gaben den Ausschlag – der hoffnungsvolle Dichter wurde zum Geschichtenerzähler und veröffentlichte vor allem in der legendären Weird-Tales-Zeitschrift.

So eigenständig, vielseitig und großartig Smiths Geschichten auch waren, er blieb doch immer emotional an Lovecraft gebunden. Er mag der bessere Erzähler gewesen sein – doch Selbstzweifel und Mutlosigkeit verhinderten dieses gigantische Talent, vielleicht das größte seit Poe, aus dem Schatten von Lovecraft herauszutreten. Nicht zufällig kommt nach Lovecrafts Tod 1937 auch Smiths Produktion zum Erliegen, die schon 1935 in einer Sinnkrise fast ganz erloschen war. Ohne Lovecrafts Ermutigungen gab Smith einfach auf. Er bemühte sich zwar später um Anthologien seiner Geschichten, vollendete auch in den 1940er und 50er Jahren noch einige früher entstandene Ideen und Fragmente, konnte sich aber zu einem echten Comeback nie aufraffen. Er starb völlig verarmt, nur für wenige Insider eine lebende Legende, 1961.

Ein Grund für Smiths Verbitterung lag in der chronischen Ablehnung seiner Geschichten durch die Magazin-Redakteure. Viele absolut geniale Geschichten konnten nur mit großer Mühe, als schwächere Umarbeitung oder eben gar nicht verkauft werden. Hinzu kam, dass viele der Blätter nur spät oder gar nicht zahlten, nicht selten musste eine befreundete Anwältin für Smith die schuldigen Honorare den Verlagen abringen. Kein Wunder, dass ein sensibler Autor da irgendwann das Handtuch wirft, wenn sein einflussreicher Mentor nicht mehr da ist.

Das erzählerische Gesamtwerk umfasst etwa 2000 Seiten. Darunter befinden sich natürlich auch schwächere Jugend- und Routinearbeiten. Doch das Gros der Geschichten hat ein enormes Niveau, oft stecken auch in den schwächeren noch grandiose Ideen oder wenigstens originelle Szenen. Erstaunlich ist die Bandbreite seiner Kunst. Sie reicht von der abenteuerlichen SF-Geschichte über reine Horror-Erzählungen zu bizarren Fantasy-Abenteuern.

Vielen merkt man an, dass sie für Pulp-Magazine gedacht sind – trotz der schönen Sprache folgen sie doch oft einem typischen Muster. „Die Dimension des Zufalls“ zeigt das plastisch – trotz der symbolistischen Abgedrehtheit der Story werden die Amerikaner am Ende von geflügelten Wesen gerettet, während die bösen Japaner sterben. Verzichtet Smith auf dieses Beiwerk, kann er zu einer Hochform auflaufen, die ihm vermutlich auch einen Platz in der kanonischen Literatur sichert (wenn ihm sicher auch viele Fans dafür dankbar sind, dass er so viele flotte originelle Pulp-Storys verfasste, die sich abends im Bett einfach schön und fesselnd lesen.)

Zwei Meisterwerke seien hier kurz – stellvertretend für andere – erwähnt. Ähnlich wie bei Kafka sind einige seiner besten Geschichten eigentlich als Parodie gedacht, entwickeln aber schnell eine eigene Qualität. In „Das vorausgesagte Monster“ (The Monster of the Prophecy,1929) kommen alle schönen Eigenschaften des Meisters zusammen: Witz, psychodelische Einfälle, Grauen, SF-Ideen.

Ein lebensmüder Lyriker wird von einem Wissenschaftler des Planeten Antares davor bewahrt, sich das Leben zu nehmen – und mittels eines Dimensionswandler-Raumschiffs entführt. Bald stellt sich heraus, dass der Mann den Dichter für seine finsteren Pläne ausnutzen will. Auf Antares sind nämlich alle intelligenten Wesen fünfarmig, dreibeinig und dunkelhäutig. In einer alten heiligen Schrift steht, dass einst ein großer Zauberer mit einem weißhäutigen Monster, das nur zwei Arme und zwei Beine hat, auftauchen und die Macht ergreifen wird. Jahrelang ist der außerirdische Wissenschaftler durchs All gereist, um irgendwo so ein Exemplar zu finden... Nun hat er es – und die Machtübernahme gelingt auch. Doch nach einer Weile bricht bricht die Revolution in der Metropole aus, der Wissenschaftler entflieht feige mit seiner Dimensionsmaschine, und unser Dichter muss viele düstere Abenteuer erleben, bis er endlich mit einer fünfarmigen dreibeinigen Prinzessin glücklich wird – man gewöhnt sich an alles, und wo die Liebe hinfällt...

Die Mischung aus trockenem Witz, überbordender Phantasie und grusligem Ambiente verleiht dieser Geschichte einen reizvollen Stil und nimmt in erstaunlichem Maße den Ton von Douglas Adams vorweg. Bestes Pulpgarn – aber in seiner Überdrehtheit schon wieder so verrückt, das es das Pulp-Niveau haushoch überragt.

Genius loci (Storysammlung)Grade weil sich Smith bewusst war, dass ihm die Erfindung exotischer Verrücktheiten leicht von der Hand ging, bemühte er sich mehrmals, sie zurückzudrängen und nur mit Andeutungen und Stimmungen zu arbeiten. Dabei ist es ihm zumindest einmal gelungen, große Literatur zu schreiben, die auf Augenhöhe mit Henry James und Edgar Allan Poe liegt. „Genius loci“ (1931) gehört zu den subtilsten und beeindruckendsten Geschichten der Gruselliteratur.

Die Idee ist so einfach wie genial – es ist die Geschichte eines „bösen Ortes“, eines kleinen Wald-Sees in einer Weidenlandschaft, der alle, die sich ihm nähern, allmählich entseelt, um sie dann in die Tiefe zu ziehen. Der Ich-Erzähler erlebt, wie sein bester Freund, ein Maler, allmählich diesem Ort verfällt, und ruft dessen Verlobte zur Hilfe. Die reist an, aber nachdem sie den See gesehen hat, verfällt auch sie zunehmend dem grauenvollen Ort. Am Ende, nachdem der Ich-Erzähler den Untergang der beiden beschreibt, bekennt er, dass er selbst auch schon eine unstillbare Sehnsucht nach dem See verspürt, vermischt mit einem entsetzlichen Grauen...

Wie alle atmosphärischen Geschichten ist ihr Zauber nur schwer in der Nacherzählung einzufangen. Die seltsam bedrückende, schaurige Düsternis reicht durchaus an die „Drehung der Schraube“ und das „Haus Usher“ heran.

Der Planet der TotenIn Deutschland war es zunächst der Insel-Verlag, der in seiner berühmten, bahnbrechenden Buchreihe „Die Bibliothek des Hauses Usher“ in den frühen 1970er Jahren Smith-Anthologien herausgab. Zwei Bände erschienen hier: „Der Planet der Toten“ und „Saat aus dem Grabe“. Ein Kuriosum muss hier unbedingt erwähnt werden: Eine Besonderheit der Reihe war, dass diese Bücher der Reihe auf morbidem, leicht grünlichen Papier erschienen, grade so grünlich, dass man sich fragte, ob die Augen dem Leser einen Streich spielten. Beim Band „Der Planet der Toten“ ging dem Verlag die grüne Farbe aus, so dass ein Teil der Blätter noch blasser wirkt – die verwirrende schwankende Grünlichkeit mach das Buch zu einer gesuchten Rarität.

Die Grabgewölbe von Yoh-VombisSpäter erschienen die Bände dann bei Suhrkamp in der Taschenbuch-Reihe „Phantastische Bibliothek“. Der Verbreitung hinderlich war meiner Meinung nach die schreckliche Übersetzung der Geschichten durch Friedrich Polakovics. Er gehört zu manieristischen deutschen Übersetzern, die leider zu viel eigene sprachliche Ideen und geschraubte Wendungen in die Literatur bringen und damit das Original sehr verfremden. (Ganz schlimm: seine pseudobarocke Übersetzung von Anne Radcliffs „Italiener“).

Glücklicherweise gibt der Festa-Verlag seit 2011 eine ausgezeichnet kommentierte, bezahlbare, und sehr gut (neu-)übersetzte Gesamtausgabe seines Prosa-Werkes heraus. Drei Bände sind erschienen, der vierte wird wohl im September herauskommen, sechs sollen es insgesamt werden. Ein Glücksfall für die Freunde der phantastischen Literatur – und eine längst fällige Verneigung vor einem der ganz, ganz Großen des Genres.   

Nächste Folgen:
Carlo Goldoni: Die Welt auf dem Monde (1750) (7. September)
Henry Rider Haggard: Sie (1887)
(21. September)
Robert J. Hogan: Die Fledermaus-Staffel (1933) (7. Oktober)
Edward Bellamy: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf 1887 (1888) (19. Oktober)
Camille Flammarion: Die Mehrheit bewohnter Welten (1862) (2. November)

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Kommentare  

#1 AARN MUNRO 2015-08-24 09:13
C.A. Smith war sehr gut, einer der Besten. Werde nie vergessen, wie ich seinen Insel-Band "Der Planet der Toten"in unserer Stadtbücherei-Filiale fand (die leider später geschlossen wurde...). Exzellent für mich, neben H.P. Lovecraft und einigen anderen...
#2 Andreas Decker 2015-08-24 10:23
Toller Artikel. Da war ich schon sehr gespannt drauf :-)

Es ist nicht besonders verwunderlich, dass Smith Probleme hatte, seine Stories zu verkaufen. Sie haben oft einfach keinen überzeugenden Plot und kein für den Durchschnittsleser befriedigendes Ende. Selbst HPL, der schrecklich und naiv ist, wenn es um Action geht, ist da häufig besser. Vor allem Smiths SF-Zeugs ist teilweise sehr öde. Ich habe nicht widerstehen können und mir die Komplettausgabe von Nightshade geleistet, als es sie gab. Die ist es allein wegen des akribischen Beimaterials wert. Und mal wieder festgestellt, dass man ihn nur in kleinen Dosen genießen sollte, weil so vieles einfach versandet. Und wenn er die Anforderungen bedient, wirkt es pflichtschuldig.

Davon abgesehen ist Smith ziemlich zweifellos einzigartig, was seine Welten angeht. Seine Namen, seine Faszination mit dem Tod, die schiere Morbidität vieler seiner Schöpfungen. Wo sich HPL immer hinter dem "Unaussprechlichen" versteckt, das letztlich oft ja so banal ist, spricht CAS es eigentlich recht deutlich aus. Manchmal sogar überraschend eindeutig für seine Zeit. Da kam vermutlich der Bildhauer und Dichter durch, der Sinnliches zu schätzen wusste..

Ich weiß nicht, ob ich deine Einschätzung von Polakovic so ganz teile. CAS im Original neigt dazu, sehr geschraubt und in manchen Geschichten oft arg artifiziell zu sein. Mag sein, dass Polakovic das noch "verschlimmbessert" hat, und eine glattgebügelte Übersetzung ist zweifellos leserfreundlicher.

Aber egal, wie man zu CAS steht, "Genius Loci" sollte man mit wachem Auge gelesen haben. Das Problem bei uns Genrefans ist, dass wir nicht wirklich zu schätzen wissen, wenn jemand ein überragendes Werk erzeugt und dann nie wieder etwas oder nur noch Schwächeres. Viele produktive Schriftsteller könnten sich glücklich schätzen, in ihrem Leben auch nur einmal so etwas wie diese Story zu produzieren.
#3 Matzekaether 2015-08-24 11:26
@ Andreas Decker - danke! ja Polakovic ist Geschmackssache, ich lese seine Texte oft langsamer und angestrengter als die Originale, und ich bin nicht sooo gut im Englischen... Übrigens sind solche Eingriffe und Verbesserungen durch Weird-Tales-ChefRedakteur Wright tatsächlich mitunter von vorteil für die Texte seiner Autoren gewesen - das kann man schön in der neuen Conan-Edition von Festa sehen, wo "im Zeichen des Phönix" zweimal abgedruckt ist - in der ersten Fassung und der nach Wrights Umarbeitungswünschen. Letztere ist eindeutig besser!
Oft ist Smith vorher schon mutlos. so beklagt er sich darüber, dass er sowas Subtiles wie Genius loci nie an Wright verkaufen könnte, dann hat Wright es aber doch sofort genommen... Ich finde übrigens diese Actionsache nicht so schlimm bei CAS, es ist in dieser Hinsicht nun wirklich nicht schlechter als M.R. James oder Hoffmann; ich glaube, das war auch nicht seine Baustelle... vermutlich erwartet man automatisch von Amerikanern, dass sie auf die Tube drücken, oder? zumal wenn sie für Pulps schreiben...
#4 Andreas Decker 2015-08-24 12:28
zitiere Matzekaether:
vermutlich erwartet man automatisch von Amerikanern, dass sie auf die Tube drücken, oder? zumal wenn sie für Pulps schreiben...


Sicherlich. Ich meinte das auch eher im Blick auf die damalige Erwartungshaltung. Wenn du mal Quinn oder Howard und CAS vergleichst - okay, extreme Beispiele - da liegen ja Welten im Ansatz dazwischen. Dass er sich da nicht wirklich wohlfühlte, wen wundert's. Man fragt sich natürlich, ob Wright Autoren wie CAS nicht seinen Lesern unterjubeln konnte, weil die nach der handfesteren Kost griffen und solche Perlen zusätzlich bekamen.

Ach ja, die DelRey/Heyne-Ausgabe, die es jetzt noch mal von Festa gibt . Die Extras sind wirklich schön.

Polakovic ist mühsam und sperrig zu lesen, keine Frage. Und der kleine Satz in den Suhrkamp-Ausgaben - Insel war vor meiner Zeit - ist auch nicht hilfreich.
#5 Thomas Mühlbauer 2015-08-24 13:16
Ich bin Polakovics-Fan. ;-)

Weil ich lieber eine Übersetzung lese, die sich dem Geist und der Entstehungszeit des Werkes verpflichtet fühlen, als eine allzu laxe, nur dem Wortsinn entsprechende. Hanser ("Bibliotheca Dracula") und Insel ("Bibliothek des Hauses Usher") haben durchaus gewusst, auf welch sprachgewaltigen Übersetzer sie da zurückgreifen konnten.

So kann ich mir Algernon Blackwood (der zugegebenermaßen auch oftmals schwadronierte und esoterische Themen ausufernd behandelte, was zulasten der Lesbarkeit geht) in keiner anderen Übersetzung vorstellen als der von Polakovics. Mit "Teichlandschaft mit Erlen und Weide" (tatsächlich eine der unheimlichsten Erzählungen überhaupt) liegt in meinen Augen eine jedem Anspruch genügende Übersetzung zugrunde und überfordert sicher niemanden. Da gab es in der "Bibliothek des Hauses Usher" andere Eindeutschungen, die wohl mehr der Gefälligkeit entsprungen sind als dem Können des Übersetzers. Und das "Problem", wenn Schriftsteller Schriftsteller übersetzen (das für mich keines ist), gibt es nicht nur hier. Ephraim Kishon musste gar zugeben, dass die Übersetzungen von Friedrich Torberg gelungener seien als seine Originaltexte. Bei Lovecraft hingegen sagen mir die Übersetzungen von Rudolf Hermstein mehr zu als jene von Hans Carl Artmann, der ja bekanntlich auch "sprachschöpferisch" tätig war.
#6 Thomas Mühlbauer 2015-08-24 13:38
Addendum:

In meinem Überschwang als männlicher Polakovics-Groupie habe ich vergessen, Matthias für den fundierten Artikel ein Kompliment auszusprechen. Persönlich kann ich mit Smith nicht so viel anfangen, weil da viel Fantasy und SF dabei ist, die ich nicht lese. Die wenige 'weird fiction' hingegen hat mich fast ausnahmslos überzeugt. Viel Material aus 'Weird Tales' gab es auch im fast unbemerkt gebliebenen Band "Poseidonis", der 1985 bei Moewig erschienen ist; allerdings auch hier fast ausschließlich Fantasy-Material.
#7 Matzekaether 2015-08-25 16:38
Empfehlenswert übrigens auch für Fan dieser sorte Literatur - die einzige Frau des Weird-Tales-Kreises. Catherine Lucile Moore, die mit der Horrornovelle "Shambleau" in die Literaturgeschichte einging. (Schräg: Vampire auf dem Mars!) Heyne hat einen Auswahlband mit satten kleingedruckten 400 seiten herausgegeben (SF 3874) . Mach ich vielleicht mal was dazu...
#8 Heiko Langhans 2015-10-07 19:06
Polakovics hat übersehen oder ignoriert, dass CAS durchaus mehrere Stilnuancen beherrscht hat: Dekadent-Düster für Zothique, Verquast-Humorig für Hyperborea, Romantisch-Abenteuerlich für Averoigne, beinahe Mainstream-Moderne für die in der Gegenwart spielenden Horror-Stories usw. Das las sich bei Polakovics alles gleich; er blieb gleich beim Dekadent-Düsteren und zog das mit etlichen frechen Freiheiten für alle von ihm übersetzten CAS-Stories durch.
Soso. Vier Bände sind schon raus. Da muss ich doch mal mit Herrn Festa reden ...
#9 Andreas Decker 2015-10-08 12:18
zitiere Heiko Langhans:
Polakovics hat übersehen oder ignoriert, dass CAS durchaus mehrere Stilnuancen beherrscht hat: Dekadent-Düster für Zothique, Verquast-Humorig für Hyperborea, Romantisch-Abenteuerlich für Averoigne, beinahe Mainstream-Moderne für die in der Gegenwart spielenden Horror-Stories usw. Das las sich bei Polakovics alles gleich; er blieb gleich beim Dekadent-Düsteren und zog das mit etlichen frechen Freiheiten für alle von ihm übersetzten CAS-Stories durch.
Soso. Vier Bände sind schon raus. Da muss ich doch mal mit Herrn Festa reden ...


Interessante Beobachtung. Hm ...

Folgen die Festa-Bände eigentlich den Nightshade-Vorbildern oder sind die neu zusammengesetzt, was die Reihenfolge angeht? Hoffentlich sind sie besser bearbeitet als die Howard-Ausgaben.
#10 Matzekaether 2015-10-08 12:53
Die Bände sind nicht chronologich oder thematisch sortiert, sondern die erzählungen kommen kunterbunt nach dem Zufallsprinzip daher. Nur die Zyklen wurden zusammengefasst. Immerhin. Das ist etwas gewöhnungbedürftig - ich hätte das eigentlich schon gerne schön hintereinander weg von den frühen Versuchen bis zu den letzten Arbeiten. Aber ich gebe zu, so gemischt ist es bei der Lektüre nicht langweilig... Vielleicht sollte man Festa aber mal sagen, dass für den letzten Band eine chronoligische Liste sinnvoll wäre.
Band vier verzögert sich übrigens - er war für September angekündigt, ist jetzt auch Ende Oktober verschoben. Na mal schaun.
#11 Matzekaether 2015-10-27 16:14
An alles Fans - der vierte Band der gesammelten Erzählungen ist endlich bei Festa erschienen! Bisher mit 462 S. der umfangreichste - er enthält einige Klassiker in Neuübersetzung wie "Der Planet der Toten" und "Lebendig begraben".

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