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Der Luftpirat und Matthias - Band 11 Das lenkbare Luftschiff im Wirbelsturm

Der Luftpirat und MatthiasBand 11 –
Das lenkbare Luftschiff im Wirbelsturm

Was Innovation und abstruse Ideen betraf, reichte vor dem 1. Weltkrieg keine Serie an  »Der Luftpirat« heran, nach Einschätzung vieler Experten die erste Science-Fiction-Reihe der Welt überhaupt. Erschienen sind um 1910 genau 165 Abenteuer, die in einem Format herauskamen, das zwischen dem heutigen A5 und A4 angesiedelt war. Ich unternehme nun eine Lesereise und berichte über die Abenteuer des Luftpiraten. Folgt mir auf diesem Weg ...


Das lenkbare Luftschiff im WirbelsturmBand 11 – Das lenkbare Luftschiff im Wirbelsturm
Schauplatz:
Erde.  Französische Vogesen. Genua in Italien. Suez in Ägypten. Küstenregion am Golf von Aden

Was bisher geschah
Europa, um 1905. Kapitän Mors war einst ein genialer Ingenieur, der im Kaukasus lebte und von Russland politisch verfolgt wurde. Im Geheimen baut er mit treuen Gehilfen ein gigantisches Kriegs-Luftschiff aus Metall, rüstet es mit hypermodernen selbsterfundenen Superwaffen aus, zieht als Robin Hood der Lüfte durch die Welt und überfällt Schiffstransporte, Gold- und Diamantenminen, um das Geld den Armen zu schenken.

Die großen Konzerne der Welt versuchten bisher vergeblich, des Luftpiraten habhaft zu werden.

Doch nun findet sich ein kongenialer Gegner: Der ebenso schurkische wie geniale irische Ingenieur Ned Gully. Sein Sprengstoffanschlag auf das Luftschiff führt zwar nicht zur völligen Vernichtung des Fahrzeugs, doch Gully kann mit Hilfe eines selbstgebauten Ultraleicht-Fallschirms abspringen und fliehen.

Das Luftschiff muss schwerbeschädigt in den französischen Vogesen notlanden.

Inhalt:
Die Reparaturarbeiten im Gebirgswald der Vogesen gehen nur schleppend voran. Immer wieder wird der Luftpirat gestört – durch Dorfbewohner, Forstarbeiter und anrückende Armeeeinheiten, so dass er sein Versteck mehrmals wechseln muß. Einer seiner Mitarbeiter erfährt bei Erkundigungen, dass Mors' Rivale Ned Gully in einem benachbarten Städtchen abgesprungen ist und an einem verstauchten Fuß herumlaboriert.

Kapitän Mors stellt die Reparaturarbeiten zurück und versucht, Ned zu fangen. Doch der riecht Lunte und flieht ins Zentrum Frankreichs. Er taucht in der Millionenstadt Paris unter, wo Mors' Häscher ihn vergeblich suchen.

Doch der Käpten hat Glück: Mit improvisiertem Motor (nur die Reservemaschine konnte halbwegs instand gesetzt werden) tuckert das Luftschiff nach Genua, um dort wichtige Ersatzteile einzukaufen (natürlich incognito). Und dort sieht Mors' Diener Star am Hafen den fiesen Ned Gully als Passagier auf einem großen Dampfer. Diesmal bleibt das Luftschiff dran – und bemüht sich, dem Dampfer auf seiner Route zu folgen. Im ägyptischen Suez muss das Passagier-Schiff länger warten, bis der vielbefahrene Kanal frei zur Durchfahrt wird. Gully amüsiert sich derweil in einem ägyptischen Lokal und bewundert die Mädchen einer erotischen Tanzshow. Der Kapitän ist ihm gefolgt. Doch wieder entgeht der Ingenieur dem Luftpiraten – indem er auf die Bühne springt und Geld ins Publikum wirft – das sich samt Tänzerinnen darauf stürzt und sich rauft. In diesem Chaos kann Ned dem Kapitän entkommen. Der setzt mit dem Luftschiff dem Dampfer weiter nach – gerät aber im Golf von Aden in einen schrecklichen Wirbelsturm. Nur mit Mühe gelingt es dem angeschlagenen Luftschiff, an der Küste zu ankern. In einer dramatischen Rettungsaktion schafft es die Mannschaft, das Luftschiff (das auch schwimmen kann!) vor dem Zerschellen an den Riffen zu bewahren. Doch die Freude, überlebt zu haben wird getrübt durch die Tatsache, dass sich nun die Spur Ned Gullys wieder verloren hat.

Der ist in Sicherheit und schmiedet neue Pläne. Seine geniale Idee: Selbst ein Luftfahrzeug zu bauen, das es mit dem des Piraten aufnehmen kann – um die finale Luftschlacht mit dem Erzfeind zu wagen...

Kommentar
Schön, dass wir endlich mal ein Sequel präsentiert bekommen, eine direkte Fortsetzung der Geschichte aus dem letzten Heft! Doch vermutlich hat sie ein anderer Autor verfasst, der längst nicht so viel Innovations-Einfälle besitzt wie der von Heft 10. Von früher SF ist hier gar nichts zu spüren. Im Gegenteil, das Heft bleibt ganz im Fahrwasser der guten alten Kolportagehefte der 1880er und 90er Jahre und erinnert an die so beliebten Rächerjagden rund um die Erde a la May und Kraft.

Immerhin ist dies klassische Catch-me-if-you-can-Abenteuer kurzweilig beschrieben. Wäre da nur nicht der völlig unrealistische Schluss, der in drastischen Farben den Wirbelsturm schildert... Und das ganz wörtlich – grellbunter geht’s kaum.

„Der Himmel hatte nämlich eine schwefelgelbe Färbung angenommen, eine Färbung, die geradezu gespenstisch aussah. Die Blitze, welche ihn jetzt durchzuckten, glichen schwärzlichen Linien, die ihr Schwefelgelb zuweilen zerrissen.“

Das ist wieder mal schön psychodelisch formuliert, schwarze Blitze auf schwefelgelbem Grund... dabei sind wir noch gar nicht auf andern Planeten... Allerdings ist nicht ganz klar, was genau da passiert, weil der Expressionismus des zweiten Satzes das Verständnis der Vorkommnisse doch etwas erschwert.

(Oder sollte es einfach "die sein Schwefelgelb zerrissen" heißen? Das des Himmels nämlich? Das wär echt schade, dann wär der schöne Theodor-Däubler-Touch weg.)

Wie auch immer – die ausschweifende Phantasie des Autors ist in dieser Szene kaum zu bremsen und konfrontiert uns in lichten Momenten – fast bin ich geneigt zu sagen, die schwarz aus der schwefelgelben Prosa hervorblitzen – mit unglaublichen Tatsachen, die selbst für den Groschenheftleser nur schwer zu schlucken sind.  

So soll eine Windhose das Luftschiff in beiden Richtungen vertikal aufrichten. Danach knallt es ins Wasser, dreht sich auch horizontal...

Woraufhin der Schreiber des Heftes uns versichert:

„Wohl war die Mannschaft des Luftschiffes furchtbar zusammengeschüttelt, wohl trugen viele der Leute Beulen und Schrammen als Zeichen des überstandenen Abenteuers, doch ernstlich verletzt war kein einziger der Leute.“

Na denn! Das ist ein schönes Beispiel für eine Übertragung von Superman-Eigenschaften des Helden auf seine gesamte Umgebung – nicht nur dem Luftschiff selbst haftet etwas Übernatürlich-Göttliches an, die Mannschaft des Kapitäns tritt hier gleichsam als unverwundbare Erweiterung des Heros auf. Hatte es in früheren Heften noch Tote gegeben, bleibt es inzwischen (zumindest bei diesem Autor) bei Beulen und Schrammen.

Und bemerkenswert ist wieder einmal, mit welcher Grandezza  und quasi aus dem Handgelenk hier Vorurteile geschürt werden. Das betrifft vor allem die kleine Episode im Tanz-Lokal von Suez.

Die ägyptische Tanz-Musik selbst wird den lesenden Deutschen als ziemliche Zumutung beschrieben. Das einzig Angenehme, findet der Verfasser, sind dabei die Mädels.

„Man nahm diese schauerlichen Töne aber gern in Kauf und man vergaß sie; die Tänze der üppigen und verführerischen Gestalten boten ja hinreichenden Ersatz für die Ohrenmarter“.

Da könnte man doch glatt glauben, in deutschen Landen würde um die Jahrhundertwende überall nur Bach und Strauß gespielt...   

Mein Lieblingssatz ist aber:

„Er faßte auch schon den Gedanken, mit einer oder der anderen in Verbindung zu treten, er wusste ja, dass man im Orient alles durch Geld erreichen könnte.“

Eine erstaunliche Bemerkung, nicht so sehr, weil sie den gesamten Orient mit einem Federstrich diskreditiert, sondern weil sie suggeriert, dies sei anderswo nicht der Fall. Das kaiserliche Deutschland um 1910 – ein Land, in dem Millionen ehrlichen Männern und die Frauen schnöder Mammon schnurzegal war? Will uns der Autor das sagen?  

Vermutlich. Bezeichnenderweise spielten die Krimi- und Unterwelt-Heftromane jener Zeit fast ausschließlich im Ausland. In Deutschland Bestechlichkeit, Korruption und Prostitution zu schildern blieb Heftromanautoren wie Walther Kabel und Pitt Strong (d.i. Elisabeth von Aspern) in den 20er und frühen 30er Jahren vorbehalten.

Die lustigsten Sätze
Dass der Roman mit großer Hast geschrieben wurde, zeigt vor allem die Stilschlamperei an einigen Stellen. Zuweilen kommen die Luftpiraten-Hefte nämlich ganz ohne Peinlichkeiten dieser Art aus, viele sind sogar erstaunlich gut ausformuliert.

Selbst der abgehärtete Romanheftleser sieht hier nicht ein, warum das Wörtchen „hier“ so oft vorkommen muss, dass hier fast der Fall einer Parodie gegeben ist; hier die schöne Passage:

„Das ist hier eine geheimnisvolle Sache, aber ein Gespenst ist es nicht. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die auf rätselhafte Weise hier her gelangt sein müssen.“

Zuweilen sagt der Autor in der Hast auch glatt das Gegenteil von dem, was er meint.

„In den Zeitungen stehen so manche Dinge, die sich später als Lügen erweisen, da hätte man viel zu glauben.“ - „Aber diese ist verbürgt“ rief der Präfekt aufspringend, „Dieser Bericht ist äußerst wichtig. Da oben in den Vogesen geht etwas besonderes vor.“

Erstaunlich, was für einen Wind der Präfekt macht, wo er doch glaubt, dass es sich um eine verbürgte Lüge handelt...

Es hätte „Diese sind verbürgt“ heißen müssen, die Dinge nämlich.

Das Cover:
Oh, das sieht aber gar nicht gut aus! Schwer zu glauben, dass aus diesem abstürzenden Luftschiff noch jemand lebend rauskommt...Aber die Unlogik ist hier nicht dem Zeichner anzulasten, sondern dem Autor, der Zeichner hat den Text wirklich ohne Übertreibung visualisiert.

Schade, dass er nicht auch die schwarzen Blitze auf schwefelgelbem Hintergrund gemalt hat. Lonati hätte sich da nicht lumpen lassen...

Übersicht
Nr. 12 Ein Kampf in den Lüften (10.11.)
Nr. 13 Das geheimnisvolle Bergwerk des Kapitän Mors (24.11.)
Nr. 14 Der Elfenbeinschatz im Polarmeer (8.12.)
Nr. 15 Die Rache des Malayen (22. 12.)

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