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Der Luftpirat und Matthias - Band 15 Die Rache des Malayen

Der Luftpirat und MatthiasBand 15 –
Die Rache des Malayen

Was Innovation und abstruse Ideen betraf, reichte vor dem 1. Weltkrieg keine Serie an  »Der Luftpirat« heran, nach Einschätzung vieler Experten die erste Science-Fiction-Reihe der Welt überhaupt. Erschienen sind um 1910 genau 165 Abenteuer, die in einem Format herauskamen, das zwischen dem heutigen A5 und A4 angesiedelt war. Ich unternehme nun eine Lesereise und berichte über die Abenteuer des Luftpiraten. Folgt mir auf diesem Weg ...


Die Rache des MalayenBand 15 – Die Rache des Malayen
Schauplatz:
Sunda-Inseln (insbesondere Lombok), Malaisches Archipel

Was bisher geschah
Europa, um 1905. Kapitän Mors war einst ein genialer Ingenieur, der im Kaukasus lebte und von Russland politisch verfolgt wurde. Im Geheimen baut er mit treuen Gehilfen ein gigantisches Kriegs-Luftschiff aus Metall, rüstet es mit hypermodernen selbsterfundenen Superwaffen aus, zieht als Robin Hood der Lüfte durch die Welt und überfällt Schiffstransporte, Gold- und Diamantenminen, um das Geld den Armen zu schenken.

Die großen Konzerne der Welt versuchten bisher vergeblich, des Luftpiraten habhaft zu werden. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Inhalt:
Komplizierte Ausgangslage: Im malayschen Archipel hat ein holländischer Passagierdampfer Maschinenschaden. Das nutzen eingeborene Seeräuber der benachbarten Inseln schnöde aus und überfallen das Schiff. Ein chaotischer Kampf um Leben und Tod beginnt, der noch unübersichtlicher wird, als Käpten Mors am Himmel auftaucht, wieder mal in der Rolle des herrlichen Super-Rächers aus der Luft. Nachdem er aus den Piraten Kleinholz gemacht hat und dem geretteten Dampfer einen Freundschaftsbesuch abstattet, muß er feststellen, dass er dort extrem feindselig empfangen wird. Der Kapitän ist gar nicht glücklich über die Einmischung aus der Luft, und auch ein edler Passagier, ein mißlauniger malayischer Prinz faucht herum, obwohl er mit dem Kapitän des Dampfers ebenfalls im Klinsch liegt. Irngendwas ist faul an Deck!

Die Ursache wird schon bald klar – beide, Prinz und Dampfer-Käpten, haben sich in eine bildschöne blonde Holländerin verliebt. Sie, das Fräulein van Neel, ist unterwegs zu ihrem Vater, dem Gouverneur von Lambrok. Leider hat wiederum der Vater des Prinzen in dieser holländischen Insel-Besitzung einen Aufstand angezettelt und den Vater der Blondine als Geisel genommen. Der Plan der finsteren Mayaen-Aristikraten: Zwangsheirat des Sohns mit der holländischen Schönheit. Nur dann kommt der Gouverneur frei.

Auch der Kapitän des Dampfers hat finstere Absichten und hielt das Fräulein in einer Kajüte gefangen, um selbst demnächst zum Zuge zu kommen.

Der Lufpirat durchschlägt diesen verschlungenen gordischen Knoten, indem er die Mieze und den Prinzen einfach einsammelt und seinerseits entführt. Der Dampferkapitän bleibt tobend zurück.

Aber natürlich hat Mors nur edle Absichten und plant, den Vater des Mädchens zu befreien und den Prinzen zu überzeugen, dass er die Finger von dem Mädchen lassen muß. Der Malaye verspricht, sich zusammenzureißen. Nach der nächtlichen Landung des Luftschiffes auf der Insel Lombok gelingt es dem fiesen Malayen allerdings , zu entkommen. Er rächt sich mit einem echt malayischen Vendetta-Trick. Malayische Schlangen scheinen ein besonders großes Ehrgefühl zu besitzen und mögen es gar nicht, wenn man ihre Schlangenfräuleins killt. So tötet der Prinz eine weibliche Schlange und wirft sie über Bord des Luftschiffes. Keine gute Idee, denn die männlichen Schlagen verstehen keinen Spaß und killen wiederum den Prinzen.

Am nächsten Morgen. Das Luftschiff befindet sich wieder hoch in den Wolken und nimmt Kurs auf die Hauptstadt der Insel. Doch bald bricht Panik aus – zahllose Schlangen befinden sich an Bord! Sie haben sich aufs Schiff geschlichen, um die tote Schlangenfrau zu rächen! Zischend, würgend und schnappend fallen sie über die Besatzung her. Nach langem Hauen und Stechen gelingt es der Mannschaft, alle Schlangen umzubringen. Nicht grade in Gönnerlaune, befieht der Luftpirat den Untertanen der Hauptstadt, entweder den Vater der Holländerin aus der Geiselhaft freizulassen, anderfalls würde die ganze Stadt vernichtet. Als Drohung und um Dampf abzulassen, pulverisiert er schon mal einen alten Schuppen mit seinen Superwaffen. Die Malayen geben angesichts der Explosionswolke klein bei, und der edle Kapitän kann Vater und Tochter wieder zusammenbringen.

Kommentar
Also eins muß man diesem Heft lassen: man langweilt sich keine Sekunde. Im Gegenteil, nur in wenigen Heften vor der Nr. 15 habe ich mich so gut amüsiert. Chaos, Gemetzel und fiese Schurken, wohin das Auge blickt. Anders als bei vielen früheren Geschichten, wo die Handlung nur mühsam in Gang kommt, steigen wir sofort ein in die blutige Schlacht mit den Seeräubern.

Und dann noch die Schlangen beim Show-Down... Grandios!

Natürlich, dies ist nicht nur eins der spannendsten, sondern auch der komischsten Hefte der Frühzeit der Serie vor den Weltraumabenteuern. Die Komik ist unfreiwillig, aber das schadet nichts. Die Annahme, dass Schlangen den Tod einer ihrer Ladys grausam rächen wollen, wird durchaus nicht mit Augenzwinkern, sondern ganz bierernst präsentiert. Trotzdem – das verleiht dem Heft einen Hauch von fast howardscher Fantasy...

Und wie eine Robert E. Howard-Parodie wirkt auch die zuweilen fast comichafte, völlig überdrehte Erzählweise. Meine absoluter Lieblingspassage:

„Jetzt schnellte sie [die Giftschlange] vorwärts, aber Kapitän Mors war auf seiner Hut. Blitzschnell schwang er den haarscharf geschliffenen Säbel, und im nächsten Augenblick flog der Kopf der Schlange über das Geländer in die Tiefe, während die Giftzähne noch immer nach allen Seiten schnappten.“

Selbst wenn das biologisch möglich wäre, so bleibt doch die physikalische Absurdität – aber in einem Comic- oder Cartoon-Universum wäre das natürlich durchaus möglich.

Tatsächlich ist der Autor keine große Leuchte, was wissenschaftlich-technisches Wissen anlangt. Das spürt man bei der Lektüre immer wieder. Aber wen stört das, wenn er seine Story so erfrischend unbekümmert und flott vorantreibt...

Der politische Hintergrund wenigstens scheint einigermaßen zufriedenstellend recherchiert zu sein.
Sehr geschickt zettelte Holland 1891 einen blutigen Bürger- und Eroberungskrieg auf der Insel Lombok an, der 1894 mit den vollständigen Triumph der Holländer endete. Die Sympathie des Verfassers ist denn auch komplett bei den Europäern. Eindeutig wird das koloniale System protegiert, selbst von einem Outlaw wie dem Luftpiraten, wenn auch (scheinbar) humanitären Gründen:

„Wohl aber ließ er die Malayen vor einem Aufstande warnen und gebot ihnen streng, sich der holländsichen Herrschaft zu fügen, damit sie nicht durch einen Aufstandsversuch ihr Hab und Gut und eine Menge Menschenleben einbüßten.“

Wie rührend! Wie fürsorglich! Da überrascht es nicht, dass uns das Heft auch mit großem Schwung riesige Portionen Rassismus auf den Teller kellt:

„Der Charakter des Malayen birgt neben Grausamkeit, List und Tücke auch eine gute Portion Feigheit.“

Na klar, so sind sie, die fiesen Malayen, einer wie der andre.

Aber man darf nicht vergessen – wir befinden uns im Kaiserreich, die Deutschen mischen in der Kolonialpolitik kräftik mit, und die chinesischen Boxeraufstände liegen noch nicht weit zurück. Das Heft spiegelt ungebrochen das Zeitkolorit wider. Wenn auch hinzugefügt werden muß, dass die Autoren der Reihe ganz unterschiedlich chauvinistisch veranlagt sind. Neben kritischen Tönen gibt es auch solche, die heute alles andere als politisch korrekt wirken...

Die lustigsten Sätze
Das ist speziell bei diesem Heft schwer zu entscheiden, weil etwa ein Fünftel aller Sätze lustig ist.

Zum einen amüsiert die zuweilen geradezu hanebüchene technische Unkenntnis des Verfassers. Eine Landung des tonnenschweren Stahl-Luftschiffs ist gefährlich, weil es auf  Lombrok Ameisen gibt.

„Es senkte sich aber ganz ruhig hernieder und neigte sich nur einmal, als es einige Ameisenhügel berührte, sanft zur Seite.“  

Immerhin – gibt es auf diesen Inseln Termiten? Dann wäre es sogar plausibel. Seit ich in Südafrika Termitenhügel gesehen habe, bin ich voller Respekt, was diese Tiere angeht. Die Hügel waren anderthalb Meter hoch und hart wie Beton.

Hübsch ist auch folgende Erkenntnis:

„Kapitän Mors wußte aus Erfahrung, daß die Malayen um Mitternacht sämtlich zu schlafen pflegen.“

Donnerwetter!

 

Das Cover:
Eigentlich wollte nicht mehr jedesmal extra etwas dazu sagen. Dafür gibt es einfach zu viele Durchschnitts-Cover. Dies hier allerdings ragt heraus – herrlich, wie die ekligen Schlangen über die Besatzung des Luftschiffes herfallen! Allerdings hat der Zeichner die Serie bisher nicht aufmerksam verfolgt – die „Galerie“, auf der sich das Gemetzel abspielt, läuft um das Schiff herum und bammelt nicht einfach unten dran wie an einem schnöden Ballon. Genau das ist hier zu sehen. Ein ziemlich schwachsinniges Arrangement – aber so passt es natürlich prima zum Heft.

Übersicht

Nr. 15 Die Rache des Malayen (15.03)

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