Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Das Haus der toten Mädchen
Das Haus der toten Mädchen
Das Haus der toten Mädchen
Kalifornien, 1972. Katherine Spencer, 28, eine Einkäuferin aus L.A., hat sich in den schneidigen Architekten Brock Bradley verliebt. Nach der Wirbelwindromanze hat er sie gebeten, seine Frau zu werden. Sie soll über das Wochenende zu seiner Schwester Zena in das Kaff Devil's Point fahren, einer Künstlerkolonie am Meer, und über seinen Antrag nachdenken. Er kommt nach, sobald er Zeit hat.
Zena lebt nach dem Unfalltod ihres Mannes Roger Wickett allein in einem schmucken Haus mit angegliedertem Gästehaus. Zena macht trotz ihrer 30 Jahre einen schrulligen Eindruck, empfängt Katherine aber freundlich. Im Haus lebt ebenfalls der Vater ihres verstorbenen Mannes, der nicht mehr ganz richtig im Kopf ist. Das Abendessen wird von einem Fremden unterbrochen, der einen Mann überfahren haben will. Aber da ist nichts zu finden.
Katherine lernt diverse Nachbarn kennen. Das ist die hübsche junge Ann, die dem Bildhauer David nackt Modell steht. Da ist der knackige Maler Dawson, der sofort ein Auge auf Katherine wirft. Von ihm erfährt sie, dass es im Gästehaus spuken soll. Dort hat sich erst kürzlich die junge Malerin Johanna umgebracht.
Nach einem gemeinsamen Abendessen will Ann aus Langeweile eine Seance abhalten. Zena steuert die nekromantische Glocke des Giraridus bei. Denn Zena steht ebenfalls auf Okkultismus. Johannas Geist erscheint aber nicht. Dafür kommt noch ein Gast. Der Kunstmäzen Robinson aus San Francisco, der sich für Davids Arbeit interessiert und die Statue von Ann kaufen will.
Als Katherine erfährt, dass Johanna in Brock verliebt war, sieht sie sich ihre ausgestellten Arbeiten im Gemeindezentrum an. Sie sind unheimlich. Auf einem hat Johanna vorausahnend ihren Tod durch Erhängen dargestellt. Dawson enthüllt ihr, dass er schon eine Frau gebeten hat, sich im Haus umzusehen, weil er glaubt, dass Johanna ermordet wurde. Aber die Go-go-Tänzerin Patty Cake ist ebenfalls spurlos verschwunden.
Katherine entdeckt, dass Zenas Schwiegervater einst ein bekannter Okkultist war. Im Gästehaus wird eingebrochen. Sie glaubt den Geist von Roger Wickett zu sehen, der sie vor etwas warnen will. Dawson macht ihr Avancen.
Da kommt endlich der geliebte Brock. Im Überschwang der Gefühle erklärt sich Katherine bereit, ihn auf der Stelle zu heiraten, ihren Job telefonisch zu kündigen und nie wieder nach L.A. zurückzukehren. Aber Brock muss vorher noch mal weg.
Katherine erfährt, dass Roger Wickett zusammen mit seinem Freund Alan Burke in einer Höhle mit Zugang zum Meer ertrunken ist. Burke hinterließ seine junge Frau Elaine, von der Katherine etwas in der Hütte fand. Zusammen mit Dawson will sie sie in San Francisco sprechen. Aber Elaine hat ebenfalls Selbstmord begangen.
Nach einer Strandparty entdeckt Katherine in der besagten Höhle die Leiche von Patty Cake. Die prompt verschwunden ist, als die Polizei nachsieht. Brock glaubt ihr nicht, Dawson schon. An diesem Abend geht Katherine, die mittlerweile ziemlich durch den Wind ist, einem kryptischen Hinweis des verwirrten Vaters nach. Sie glaubt zu entdecken, dass der alte Wickett mit der Glocke einen Dämon beschwor – in der Gestalt von Mäzen Robinson. Was zu stimmen scheint, als der Bildhauer David ihr kurz darauf berichtet, dass er Robinson in seiner Galerie in San Francisco besucht und der Mann behauptet hat, ihn nie zuvor gesehen zu haben. Aber was könnte der Dämon von Ann wollen?
Sie ertappen Ann im Bildhaueratelier dabei, wie sie gerade Zena umbringen will. Als David die Statue zerstört, die er unter dem Einfluss des Dämons vollendete, erwacht Ann aus ihrer Trance. Zena behauptet, dass ihr Schwiegervater sich auf diese Weise an ihr für den Tod seines Sohnes rächen wollte. Angeblich hatte Roger Verhältnisse mit Elaine und Johanna, und der Vater hat die Frauen mit einem Bann in den Tod getrieben.
Aber alles ist ganz anders, wie Katherine erfahren muss, als sie allein mit Zena im Haus ist. Tatsächlich hat Zena die Frauen verhext und mit dem Bann in den Selbstmord getrieben, nur um den Geist ihres toten Mannes zu quälen. Der Schwiegervater-Magier wollte dem ein Ende machen mit der Beschwörung des Dämons, den er auf sie hetzte. Brock war der willige Helfer seiner Schwester und hat in Katherine nur ein neues Opfer gesucht.
In den Bann geschlagen will Katherine Selbstmord begehen, aber Dawson rettet sie. Die beiden verfolgen die flüchtende Zena, aber die wird durch einen Angriff des Dämons vom Erdboden verschluckt. Am Ende bleibt Brock verschwunden, und Katherine wird Dawson heiraten.
Gimone Hall war eine amerikanische Autorin von Gothics oder Gaslichtromanen und verfasste auch die eine oder andere Romancenovel. Unter ihrem Namen findet man 12 Titel, aber es ist natürlich möglich, dass es sich hier nur um ein Pseudonym von vielen handelt.
Auch wenn es bei der komplexen Geschichte um Katherine und die toten Mädchen im Gästehaus am Strand von Kalifornien am Ende um Dämonen und Geister geht, ist das dennoch ein lupenreiner wenn auch okkult angehauchter Gaslichtroman.
Die Bandbreite des Gaslichtromans ist groß. Auch wenn es oft um Scooby Doo-Auflösungen ging, vor allem in der historischen Variante, gab es viele Romane, die auf jede Ambivalenz verzichteten und sich beim Horrorgenre bedienten. Das Genre ist in Amerika längst aus der Mode gekommen und wurde hierzulande durch Hunderte von Heftromanen thematisch ausgelaugt, aber gerade unter den Siebziger-Jahre Gothics sind viele auch literarisch hervorragende Romane zu finden. In Reihen wie den Heyne Romantik Thrillern gibt es echte Perlen zu entdecken.
Aber der eine oder andere Dämonenkiller-Leser wird sich 1976 bestimmt verwirrt gefragt haben, warum er sich hier durch eine lange und komplizierte Geschichte kämpft, die sich eher wie ein mit einer Liebesgeschichte durchsetzter Krimi liest. Die Story um Katherine und Brock ist ein echtes Klischeefest, das einem heute teilweise nahezu unverdaulich erscheint. Wie Katherine ihren Macho-Geliebten anschmachtet und bereit ist, für die Heirat mit dem fast Fremden ihr ganzes Leben über den Haufen zu werfen – und natürlich schläft der Gentleman im Gästehaus auf dem Sofa, wie es sich gehört; im Gothic dieser Jahre gab es selten Sex vor der Hochzeitsnacht – ist der pure Kitsch. Da wird die "moderne" Frau, die hier sonst durchaus selbstständig und mutig rüberkommt, zum nestbauenden Weibchen, dessen Erfüllung im Leben aus einer Hochzeit besteht. Nur die gelegentlich eingestreuten Okkultismuselemente wie die Glocke, die Seance und der Geist, der aber immer nur aus der Ferne zu sehen ist, rufen dann wieder in Erinnerung, worum es hier eigentlich geht.
Obwohl, wenn man fair sein will, muss man der Autorin bescheinigen, dass es ein solide geschriebener Roman ist. Die verschachtelte Handlung ist durchaus spannend, die Auflösung ist zwar an den Haaren herbeigezogen und in ihrer Darbietung wenig überzeugend – was aber auch an möglichen Kürzungen der Übersetzung liegen kann, da besteht bei Pabels Taschenbüchern immer Grund zum Misstrauen -, aber das Hin und Her in Devil's Point mit seinem guten Dutzend Figuren weiß zu unterhalten. Wer gern Gaslichtromane liest, wird hier nicht schlecht bedient, auch wenn man feststellen muss, dass es Bessere gibt.
Als Dämonenkiller-Taschenbuch ist das trotz des überstützten spukigen Endes ein echter Reinfall. Wieso hat Pabel hier seinen Lesern plötzlich Gothics untergejubelt? Die die Stammleserschaft nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätten, wenn sie es gewusst hätte. Bereits beim VHR hat man Jahre zuvor einen Hall gebracht – VHR 8, "Im Bann der Hexe" alias "Witch's Suckling" -, insofern ist das hier nicht der Erste. In der Zukunft sollten in allen Gruselreihen von Pabel noch einige folgen, die man hier als Horrorromane verkaufte. Davon abgesehen war Pabel nicht der einzige Verlag, der Gothics als Horror verkaufte. Siehe Ullsteins 3000der Nummern.
War es das Bestreben, etwas weniger Angriffsfläche zu bieten, weil der Jugendschutz in dieser Zeit an der Tür pochte? Ging der Redaktion langsam das Material an kurzen Romanen aus? Aber vielleicht ist der Grund auch ganz banal, und der Roman gefiel der Redaktion auch einfach nur.
Tatsächlich gefiel er sogar so gut, dass er 1979 noch mal als VHR 340 nachgedruckt wurde. Mit einer angeblich neuen Übersetzung und einem Titelbild, das in die Top Ten der unpassenden Motive gehört. Das Erste ist zweifelhaft, möglicherweise hat H.W. Reinken auch nur das Taschenbuch auf Heftlänge zusammengestrichen. Das Zweite – nicht.
In Devil's Point gibt es dank der Lage nicht einmal Fernsehempfang. Dafür gibt es am Highway "The Gull", eine Mischung aus Restaurant und Nachtklub, mit "exotischen Tänzerinnen". Die swinging seventies im sonnigen Hotel California. Vielleicht hat man die Stadt ja später in Sunnydale umgetauft.
Auch wenn ich kein Fan bin, muss man sagen, dass Lutohin hier einen seltenen morbiden Touch ins Bild gebracht hat.
Das Original
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Kommentare
Und wie Andreas so treffend schreibt: Warum hat man eine thematischeTaschenbuch-Reihe installiert, sie nach dem Aushängeschild des gruseligen Heftromans benannt - nur um dann Material wie dieses zu veröffentlichen? Der Vorwurf, dem Leser das vorzuenthalten, was der Reihenname impliziert (nämlich Romane, die zur Serie Dämonenkiller gehören) stand zu dieser Zeit ja länger schon, aber das Seriensignet als Plattform für eine Resteverwertung (weil man anscheinend nicht ausreichend "passendes" Material zur Verfüngung hat) zu missbrauchen, zeugt schon von einer gewissen Respektlosigkeit und auch Verlogenheit dem Leser gegenüber.
Noch ein Roman von Gimone Hall, aber diesmal mit einem Happy-End. Ich hoffe du hast den Angriff weiblicher Hormone gut überstanden
Die angesprochene Resteverwertung scheint so einige Gaslicht-Romane zu beinhalten. Vielleicht wollte Pabel damals mehr Leserinnen zu den reinen Gruselromanen locken, was ich aber auch nicht so recht glauben kann. Eher ein missglückter Versuch.Den männlichen Lesern werden diese seichten Grusler mit Erotikelementen eher vergrault haben. Auch die späteren Coco Bücher gingen ja irgendwie in die Richtung, mit dem Unterschied, dass Luif und Vlcek oft eine Priese Humor mit in die Handlung brachten und der geneigte Leser die Hexe bereits kannte und sich mit ihr angefreundet hat.
Ich glaube, die hat man ganz pragmatisch zweitverwertet, weil man entweder gerade eine Manuskriptflaute hatte und schnell was brauchte.
Oder das Budget überzogen hatte und sie praktisch zum Nulltarif bringen konnte. Es fällt auf, dass der hohe Taschenbuchreprintanteil beim VHR Ende 79 Anfang 80 geschah. Das kann kein Zufall sein. Ich tippe auf Budget.
Es ist schade, dass man über den redaktionellen Auswahlprozess bei Pabel nichts weiß. Hat man vor dem Rechteankauf reingelesen oder sich auf die Agenten verlassen? In dem Fall hatte man das Buch an der Backe.
In diesen Jahren dürfte die Redaktion viel zu tun gehabt haben. Allein bei der Gruselschiene waren es 8 Hefte und 2 Tbs, die im Monat in den Satz mussten. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, ob die Vampir und Dämonenkiller-Redaktion auch noch für andere Reihen zuständig war. Zb für den Gaslicht?
Ist natürlich keine Entschuldigung für die offenkundige Gleichgültigkeit gegenüber dem Material.
Eigentlich verwundert es einen, dass sich der VHR nach dem Indizierungsdebakel 77 noch so lange gehalten hat. Denn danach gab es eigentlich nur noch die softe Schiene. Erst gegen Ende der Einstellung fand man wieder öfters Romane mit Biss wie die Dubina-Romane, die das Genre ja zur Abwechslung mal Ernst nahmen.
"In beiden Fällen (VHR 409 + 420) handelt es sich um Horror-Romane, die in den Vereinigten Staaten riesige Auflagen geschafft haben... Natürlich lassen wir vor dem Ankauf von Manuskripten ein Gutachten erstellen. Nur wenn das Lektorat eine positive Empfehlung ausspricht, erwerben wir über die zuständige Agentur die Rechte. Es zeigt sich aber, daß Übersetzer nicht immer die Qualitäten aus einem Roman herausholen können, die das Lektorat darin erblickt hat."
Die Budget spielte sicher eine Rolle, und weil der Verlag wohl davon ausging, dass nicht jeder Heftkäufer auch gleichzeitig die Taschenbücher vom Kiosk mitnahm, gab es eben diese Art der deutschen Zweitverwertung, die vermutlich billiger war als ein brandneues Manuskript. Ärgerlich natürlich für Sammler oder Vergessliche, die somit für den gleichen Stoff zweimal bezahlten...
Vor allem, wenn man wegen des Umfangs ein paar Kapitel rausstreichen muss Und riesige Auflagen? Na ja. Das lag daran dass sich Gothics überhaupt gut verkauft haben. Jemand wie Victoria Holt war oft auf den Bestenlisten, während Horror vor King ein Nischendasein fristete.
Interessante Statements. Danke, Thomas. Habe ich nie gelesen, was aber daran liegt, dass ich in den letzten 100 Romanen ziemliche Lücken habe. Damals habe ich den VHR nur noch sporadisch gekauft, weil ich die meisten Autoren einfach öde fand.