Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Die Hexe von Salem
Die Hexe von Salem
Die Hexe von Salem
In Connecticut, Coldwater. Die junge verheiratete Aimee Hammond hat einen neuen Job in der Fairfield Residence Hall, einem Wohnheim für alleinstehende junge Frauen. Die Direktorin Mrs. Grant begrüßt sie herzlich. Merkwürdig hingegen ist die ältliche Etagendirektorin Mrs. Venefica, die ein eisernes Regiment führt. Aimee erlebt mit, wie sie einen seltsamen Anfall hat, der auch der jungen Frau zu schaffen macht.
Danach fangen bei Aimee die Träume und Probleme im Ehebett an. Denn anscheinend ist Aimee absolut gehemmt, was Sex angeht. Und jetzt ist sie sogar nackt über ihren Mann Don hergefallen und kann sich nicht mal mehr dran erinnern. Sie schämt sich zu Tode.
In Coldwater ist das Paar nur, weil ihnen ihr Bekannter Magruder dort ein billiges Haus besorgen konnte. Magruder ist von Aimees Familie fasziniert. Tatsächlich kommt sie aus Salem und ist direkte Nachfahrin eines Hexenjägers. Auch das ist ihr unangenehm. Magruder interessiert sich auch für die Residence Hall. Nach einem Besuch warnt er Aimee. Angeblich beschäftigt sich dort jemand mit Hexerei, und Aimee träumt vom Feuer. Und dann die seltsamen Pflanzen, die dort gezüchtet werden und mit denen Mrs. Venefica ihren Tee braut.
Lora, ein Neuzugang unter den Frauen, wendet sich hilfesuchend an Aimee und murmelt was von Teufelsanbetung, behauptet später aber, nichts mehr davon zu wissen. Zuvor gab es zwei Morde. Ein Mädchen wurde mit einer Garotte erwürgt, ein anderes hat sich im Sanatorium ertränkt, weil es zu verbrennen glaubte. Don und Magruder bedrängen Aimee zu kündigen, aber sie weigert sich. Dafür häufen sich Blackouts. Eines Abends steht Lora vor ihrer Tür und erzählt etwas von Ritualen und Hexen. Die Hammonds wollen sie nach Kalifornien schaffen, aber auf dem Weg zum Flugplatz hat Aimee wieder einen Filmriss. Am nächsten Tag ist Lorna wieder im Wohnhaus und weiß angeblich von nichts, als Aimee sie bedrängt, springt sie aus dem Fenster.
Aimee landet beim Psychiater. Magruder, der mittlerweile einen Herzanfall erlitt, recherchiert über das Haus und kommt zu dem Schluss, dass Mrs. Venefica eine Hexe ist, die den Geist anderer Leute übernimmt. Aimee will das alles nicht glauben. Aber sie tut immer häufiger Dinge, an die sie sich nicht erinnert. Der Psychiater konfrontiert sie mit ihrer Vergangenheit in Salem und den Problemen mit ihren prüden Eltern. Ihre steife Erziehung hat sie die erste Verlobung mit einem Mann namens Drew gekostet. Sie entdeckt, dass die Mädchen auf Mrs. Veneficas Etage tatsächlich angeblich aus Spaß Hexenrituale durchgeführt haben.
Magruder deckt angeblich etwas auf und wird hinterrücks überfahren. Nach dem Sex wacht Aimee mit einem Messer in der Hand vor ihrem schlafenden Mann auf und glaubt, ihn umbringen zu wollen. Der Psychiater diagnostiziert bei ihr eine Störung durch sexuelle Repression, angeblich ringt sie krankhaft mit ihrem puritanischen Erbe. Ihre Gedächtnislücken haben zwei Ursachen. Einmal kämpft ihr Unterbewusstsein mit ihrem sexuellen Konflikt, dann belastet sie das Thema der Hexerei im Wohnheim.
Aimees Mann Ben verschwindet. Hat sie ihn etwa ermordet und weiß es nicht mehr? Sie entdeckt Magruders Aufzeichnungen. Die toten Mädchen aus dem Wohnheim waren Nachkommen der Belastungszeuginnen des Hexenprozesses in Salem 1692. Hat der Geist der Salemhexe Sarah Good überlebt und rächt sich nun?
Da sie Mrs. Venefica nun für Sarah Good hält, will sie sie konfrontieren. Aber die hat gerade den nächsten Anfall und stirbt. Zu Hause erwartet sie Don. Er hat sie nur gesucht und sie haben sich den ganzen Tag über verpasst. Ein verspäteter Brief von Magruder trifft ein. Angeblich war alles mit der Hexerei nur ein Schwindel. Er habe Aimee hypnotisiert, um ihr zu beweisen, dass Hexerei nur dann funktioniert, wenn alle Beteiligten daran glauben.
Aber Aimee erkennt den Brief als Fälschung. Nun verdächtigt sie ihren Mann, ein Nachkomme der Hexer von Salem zu sein. Hat er sie nur geheiratet, um sich an ihr zu rächen? Sie flieht ins Wohnheim. Im Büro der Direktorin Mrs. Grant entdeckt sie eine Hexenpuppe von sich, die sie beeinflussen soll.
Da tritt Mrs. Grant ein. Aimee stellt mit ihrem mittlerweile erworbenen Wissen die Verbindung her. Mrs. Grant hält sich für die wiedergeborene Salemhexe Bridget Bishop. Mrs. Grant glaubt, dass in Aimee der Geist von Betty Parris lebt, einer der Anklägerinnen von Salem. Um sie auszutreiben, hat sie Aimee mit Mrs. Veneficas Unterstützung – die Gute hielt sich tatsächlich für Sarah Good – unter Drogen gesetzt und (angeblich) mit Hilfe der Puppe beeinflusst. Sie hat die Mädchen ermordet und Magruder überfahren.
Es gelingt Aimee, die Puppe zu manipulieren. Als Mrs. Grant auf die Puppe einsticht, zerstört sie die Puppe, die Aimee von ihr gemacht hast. Und fällt tot um.
Aimee, ihr Mann und der Psychiater setzten die komplizierte Geschichte der beiden verrückten Frauen Mrs. Grant und Mrs. Venefica zusammen, die sich für Reinkarnationen der Salemhexen hielten und sich an den Nachfahrinnen/Reinkarnationen ihrer damaligen Anklägerinnen rächen wollten. Alles findet eine logische Erklärung. Selbst der Tod von Mrs. Grant, die unheilbar an Krebs im Endstadium litt. Aimees Behandlung wegen ihre Komplexe macht gute Fortschritte. Lediglich eines macht ihr Sorgen. Welche der Hexen von 1692 sie als Nächste angreifen, und wie wird sie ihr zuvorkommen?
Mary Anne Drew war in Wahrheit Bruce Cassiday. Und Cassiday war professioneller Autor einer Sorte, die fast ausgestorben ist. Er schrieb alles. Fernsehnovelisations wie "Dr.med Marcus Welby", Novelisations der Flash Gordon-Comics – die hierzulande unter Carson Bingham bei Bastei erschienen sind -, Kriegsromane, ein paar Thriller, darunter einen Nick Carter Killmaster. Als Ghostwriter verfasste er Biografien und unter seinem eigenen Namen alle möglichen Selbsthilfebücher wie "Reparaturen im Haushalt für Frauen". "The Diabolist" ist einer seiner … nun ja, Gothics? Oder doch ein waschechter Horroroman?
Die Antwort ist ein entschiedenes Jein. Vermarktet wurde der Roman in Amerika vom Verlag Avon als Gothic. Von dem bescheuerten Untertitel – Sie wurde von einer seltsamen unheimlichen Macht besessen, die der Verstand nicht erklären konnte – zu dem klassischen Gaslichttitelbild. Aber bevor Horror im Zug der großen Filmerfolge der Zeit zur eigenständigen Verkaufskategorie wurde, landeten einige solche Romane in Gothic-Programmen. Und Avon liebäugelte gern mit okkulten Themen. Sie hatten sogar eine Unterreihe mit der schönen Überschrift "A Satanic Gothic" und publizierten Titel wie "Lord Satan" von Louisa Bronte alias Janet Louise Roberts. Mal zur Abwechslung eine Frau, die Gothics schrieb.
Man muss schon kritisch anmerken, dass der Roman eine unentschlossene Mischung bietet. Einerseits die junge Heldin, die sich plötzlich mit finsteren Machenschaften konfrontiert sieht und tatsächlich eine Verbindung zur den berüchtigten Hexenprozessen von Salem hat. Und am Ende ist alles Lug und Trug. Oder doch nicht? Andererseits las man im Gothic eher selten von sexueller Repression und neurotischen Zwängen. Oder von Ehepaaren. Die klassische Gothic-Heldin ist meistens allein, noch "unschuldig" und auf der Pirsch nach einem Ehemann.
Besonders aufregend oder horrormäßig ist der Roman auch nicht. Zwar ist die Grundidee clever und gut recherchiert, und das ist auch spannend erzählt. Aimees Blackouts, die etwas unheimliche Mrs. Venefica, der besorgte Freund Magruder – Hutch aus dem Film "Rosemaries Baby" lässt sowas von grüßen -, die geschickt entwickelte Story um die realen Hexenprozesse von Salem, die seltsame Mrs. Venefica, die sich als Hellseherin ausgibt und ihre komischen Hexenkräuter züchtet – das liest sich alles nett.
Aber die Geschichte verweigert jegliche nötige Eskalation, was nicht zuletzt an der Erzählweise in der Ersten Person liegt. Da der Leser alles aus der Sicht der Ich-Erzählerin Aimee miterlebt und ihre diversen Blackout-Erlebnisse alle nur aus zweiter Hand berichtet werden, bleibt naturgemäß viel auf der Strecke. Das ist alles zu nett und betulich, um wirklich schocken zu können. Und manche Punkte werden so hastig abgehandelt, vor allem am Schluss, dass man sich wieder mal fragt, ob hier nicht zu viel gekürzt wurde oder der Autor keine Lust mehr hatte. Und was die Kürzungen anlangt, der Roman gehört zu den später auf Heftlänge zusammengestrichenen VHRs, VHR 349, die Ende 79/Anfang 80 das Programm bereicherten. Damit muss der Verlag ein paar Tausender eingespart haben.
An so manchen Themen verhebt sich der Autor auch. Die ganze Thematik mit Aimees sexueller Repression ist ein Musterbeispiel für Küchenpsychologie und die Grenzen verquaster Erotikdarstellung. Wenn dem Leser der Höhepunkt von Aimees "ungezügelter Wildheit" als ein paar Kratzer auf dem Rücken ihres Mannes verkauft wird, sollte das wohl seine Phantasie befeuern und hat vermutlich damals die eine oder andere Leserin erröten lassen, aber heute wirkt das einfach nur prüde und verklemmt. Mittlerweile fängt selbst in Amerika der durchschnittliche Liebesroman von Harlequin, die hier als "Baccara" vermarktet werden, da erst an. Um dieses Thema glaubhaft darzustellen, hätte man ihm deutlich mehr Platz einräumen müssen, was aber sowohl den Umfang wie auch die Genrevorgaben gesprengt hätte. Eine nette Idee ist das (heute leider übliche) doppeldeutige Ende. Wie so oft bleibt es der Phantasie des Lesers überlassen, was denn nun zutrifft. War es Hexerei oder Wahnsinn?
Man täte dem Roman Unrecht, würde man ihn als missraten bezeichnen. Auf seine Weise ist er nicht schlecht erzählt. Die Paranoia-Atmosphäre trifft er ganz gut. Aber trotz des historischen Elements ist es erneut ein echter Softgrusler, der zu viel von seinem Potenzial verpuffen lässt. Unter der Überschrift "Dämonenkiller" hat er garantiert viele Leser gelangweilt. Das Spannenste dürfte die Ankündigung des Folgebandes gewesen sein. "Die Folterkammer". Ein Dämonenkiller-Roman von Ernst Vlcek. Ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, dass das mit dem "Dämonenkiller"-Roman wenigstens diese eine Mal ernst gemeint ist.
Mit einem Handy hätte die Hälfte des Plots nicht funktioniert, weil die Leute erreichbar gewesen wären. Über die Künste des Psychiaters ist schon genug gelästert worden – offensichtlich ein Freudianer. Aber Institutionen wie "Wohnheime für alleinstehende junge Frauen" mit Etagendirektorinnen/Tugendwächterinnen sind definitiv aus der Mode gekommen.
Mal wieder ein Agenturbild. Bob Haberfield ist ein bekannter britischer Maler von SF-Titelbildern; unter anderem schuf er Dutzende frühe Moorcock-Cover, hauptsächlich für den Verlag Mayflower. Es sind großartige Bilder, die aber alle eher symbolhaft, bunt und ausgesprochen psychedelisch daherkommen. Vielleicht ist das der Grund, dass davon nur wenige den Weg nach Deutschland fanden. Dafür gibt es hier wenig Akzeptanz, wie jede Klage über Titelbilder, die nicht den Inhalt genau wiedergeben, immer wieder beweist.
Das Original
Copyright © by Andreas Decker
Kommentare
Die 22 war wohl damals eine Überraschung. Ich denke mal, dass nach 21 Romanen ohne Dämonenkiller die Fans endlich mal auf ihre Kosten kommen mussten.
Ansonsten- schöner Artikel...
Ja, Salem war und ist immer noch aktuell. Von Lovecraft über Arthur Miller bis zu der aktuellen grottigen TV-Serie.