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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: »Meteorit des Grauens« Vampir-Horror-Roman Nr. 372 von Diethard van Heese

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Meteorit des Grauens«
Vampir-Horror-Roman Nr. 372 von Diethard van Heese

Alles wird gut!  So in etwa gestalteten sich meine Hoffnungen nach der Lektüre des ersten Vampir-Horror-Romans meines Lebens, einer Serie, die mir bis dato komplett durch die Lappen gegangen war – nicht zuletzt weil sie so früh eingestellt worden war, dass sie selbst Anno 1985/86 (als ich mit dem Gebrauchtsammeln noch im Sinclair-Wahn begann) schon selten war.


Wer sie hatte, hat sie meistens behalten – nur die Wegwerfware fand sich in den Romantauschläden, die es damals selbst in Hannover noch an 3-4 Stellen zu finden gab (und Hannover war damals schon brav und übersichtlich). Heute gibt es davon nur noch einen (und den auch nur nebenberuflich im Nebenraum eines Antiquariats), also kann ich wohl ganz froh sein, dass ich nicht im Web shoppen gehen musste. Und Wegwerfware sind die „Vampir“-Romane nach meinen bisherigen Erfahrungen nun wirklich nicht.

„Die Bestien aus dem Zeitgrab“ - das war solide übernatürliche Fantasykost mit Zeitreisestreusel, nicht wirklich überraschend, aber doch kompetenter wirkend als die übrigen Versuche bisher.

Nun also „Meteorit des Grauens“, der mich im Anschluss direkt dazu gebracht hat, mal einen mir unbekannten Autoren komplett zu googeln, weil mir der liebe Name so gar nichts sagte. Onkel Internet hat aber leider (außer dem Geburtsjahr 1943) kaum etwas über ihn zu bieten, Tante Wiki listet ihn nicht und fündig wird man nur bei seinen Werkverzeichnissen – und die bieten interessante Abwechslung: neben einigen Horror-Romanen und Kurzgeschichtensammlungen (incl.einer Handvoll Romanhefte) finden sich da diverse Beiträge zum in den 70ern und 80ern populären Erotik- und Sexkanon wie „Der Lustdämon vom Biwasee“, „Die Sex-Hexen“ oder „Sanfte Wonnen“ von der schon legendären Olympia Press. Sex sells, warum auch nicht!

Das bedeutet aber nun nicht, dass seine paar „VHR“ und „SGK“ unbedingt mit nackten Tatsachen um sich werfen würden; im Gegenteil findet sich im Roman nicht die kleinste Spur von den so gern genommenen vollbusigen Blondinen und den ständig paarungsbereiten rassigen Senoras aus dem Süden. Gut, auf dem Titelbild präsentiert sich eine erschreckte Brünette, aber das liegt vermutlich an der Monstermöwe mit den Pferdefüßen und den Fledermausschwingen hinter ihr...

Stattdessen bekommen ich beim Lesen die volle Ladung Ernst, die Bert I. Gordon vermutlich anno 1980 dringend gebraucht hätte, um seine versandende Karriere als trashiger SF-Filmer wieder zum Laufen zu bekommen...


Meteorit des GrauensZum Inhalt:
Gestartet wird die „grässliche Angelegenheit“ mit zwei Ereignissen, die nicht im Zusammenhang zueinander stehen, aber später von Bedeutung werden: der (natürlich deutsche) Wissenschaftler Kurt Hoffmann röstet mit seiner „Antikrebsmonster“ getauften Bestrahlungseinheit ein unschuldiges Testkaninchen, anschließend zerschrotet sich der unglückselige Biolehrer Ken Stavanger bei einem Autounfall dergestalt, dass er einen Arm und ein Bein verliert.

Und dann plumpst er auch schon auf die Erde, der „grauenhafte Meteorit“, irgendwo in der Einöde von North Dakota, in einer kleinen Stadt namens Nordville, nahe der Kreisstadt Fargo (hihi!).

Diverse Einwohner haben an dem Einschlag am „Autumflower Place“ (argh!) teil, ein Pärchen wird beim bemühten Liebesspiel gestört, doch ein Malermeister ist als Erster an der Einschlagstelle und muss feststellen, dass die dortige Vegetation plötzlich auf das Monströseste vergrößert erscheint – die Fauna zum Glück nicht. (Noch nicht!)

Das ist – selbstmurmelnd – ein Fall für die Behörden! Leider müssen die sich erstmal dafür interessieren und das dauert. Erstmal schleifen die Beteiligten via Auto einen Gigantengrashalm zum örtlichen Sheriff Bily Puckman, der sich zunächst seeeehr skeptisch zeigt.

Aber er informiert die Army, die, extrem unwillig, mal das Sicherheitsprotokoll anlaufen lässt und eine entsprechende Einheit los schickt. Derweil sind Infos auch zu den FBI-Beamten Rochester und Cobatter gedrungen, die sich ebenfalls ziemlich unwillig einmischen – erfahrungsgemäß hält wohl jeder in Amerika Infos aus Kleinstädten für die Erfindungen von Dorftrotteln.

Am nächsten Tag hat das Biochemische Institut dann seinen besten Mann namens Robert Stanton aktiviert, welcher der Chose auch gleich den Tarnnamen AGM (Aktion Geheimnisvoller Meteor!!!) verpasst. Immerhin bringt er endlich Fachleute an der Ort des Geschehens, es wird fleißig gesammelt und verpackt – und trotz offensichtlich infernalischer Wirkung das letzte Stückchen Meteorit bewusst dort vergessen. (Warum auch nicht?) Fehler Nr.1!

Am nächsten Tag dann folgt die Pressekonferenz, wo man ein noch folgendes Wachstum der Tierwelt ausschließt. Fehler Nr.2!

Prompt der zweite Auftritt von Prof Hoffmann, der die Unseligkeit des Himmelskörpers als „Theta-Strahlung“ identifiziert und alles dringend mit einer dezenten Form seiner Antikrebsmonsters bestrahlen will. Zwecks Beweis seiner Theorie, dass die Mutation der Fauna aber noch aussteht, bringt er eine Venusfliegenfalle (Tier- und Pflanzenzellen, you know!) in das Sperrgebiet und sieht dem lustigen Gigawachstum so lange zu, bis ihm eine mutierte Borste der Pflanze den Fuß durchbohrt.

Hoffmann kommt beim örtlichen Arzt unter und alsbald ist auch Stavanger im Boot, der in dem Meteor die Möglichkeit sieht, den Welthunger zu beseitigen. Wäre da bloß nicht der errechnete Zeitpunkt Hoffmanns für die Mutation von möglichen Vier-, Sechs- oder Achtbeinern, der immer näher rückt...

Eindrücke:
Muharhar...das ist der absolute Hammer!

Okay, das wird sicher nicht der beste Roman sein, den „Vampir“ im Angebot hatte, aber er hat so viel ungeheures Trash-Appeal, dass ich diesen Selbstbedienungsladen der SF-Geschichte in Wort, Schrift und Bild vermutlich nicht vergessen werde.

Zunächst mal: es gibt keinen traditionellen Ablauf, keinen strahlenden Helden, keine tolle Frau. Es gibt nicht einmal durchgehend aktive Figuren. Hoffmann und Stavanger treten erst nach einem Drittel bzw. der Hälfte des Romans auf (abgesehen vom kurzen Startauftritt) und währenddessen gibt es reichlich Anwohner Nordvilles, Polizisten, Soldaten, Wissenschaftler und sonstige Figuren, über die man berichten kann.

Und genau das ist der Roman: ein Bericht! Ein wissenschaftlicher Zeitzeugenbericht mit dokumentarischem Anstrich. Er ist sogar so vorgeformt wie eine Folge „Medical Detectives“ oder „Autopsie“.

Chronologisch reiht man die Ereignisse aneinander, so wie es uns das amerikanische SF-Kino der 50er mit ihren Riesenmutationen vorgemacht hat – nur eben mit einer sachlichen Dramatik präsentiert, als ginge es um einen Fall aus der Serie „Dragnet“ (bei uns „Stahlnetz“). Fast hatte ich erwartet, den alten Joe Friday gleich durchs Bild laufen zu sehen.

Das ergibt einen sehr lesefreundlichen Stil, wenn man wenig Zeit hat; denn der Roman besteht aus einer beachtlichen Menge kurzer Abschnitte und Szenen und läuft präzise die beschriebene Zeitskala runter.
Inhaltlich ist das anfangs zwar sehr interessant, später kommt dann aber leider immer mehr Kokolores dazu, weil der komplette Plot nach „Murphy's Law“ abläuft – allerdings die eher fatale Variante.

Das sich durch die Handlung ziehende Schema ist immer gleich: jemand entdeckt etwas Horribles und Beachtenswertes; dann will er jemanden oder alle informieren oder warnen und wird erst mal für einen Deppen gehalten; anschließend überlegt sich die angesprochene Partei alles dann doch mal (beim dritten Durchlauf dieser Schemata wird das dann extrem albern) und schreitet zur Tat, gerade rechtzeitig, um eine „noch größere Katastrophe“ zu verhindern. Und jedes Mal wieder übersieht, vergisst oder ignoriert man einen Überrest, ein Detail, einen wichtigen Punkt und die Kacke ist zwei Tage später wieder am Dampfen.

Man ist dann schon ein Stück in Hälfte 2, als es wirklich brenzlig wird, denn in einer dunklen und stürmischen Nacht legen die Viecher vom „Herbstblumenplatz“ dann deftig los und mutieren fröhlich ins Übermenschengroße. Damit klärt sich dann auch das Personenaufkommen der ersten Romanhälfte, denn die meisten bekannten Gesichter werden dann alle fröhlich verfrühstückt, von mutierten Ratten, Blutegeln, Eindechsen, Spinnen oder Raben (Möwen sind nicht darunter!).

Ich muss wohl kaum erklären, dass in dieser üblichen SF-Film-Klischeesoße nur die Armee den Tag (bzw. die Nacht) retten kann, während Hoffmann und Stavanger noch mit Riesenspinnen per Rasenmäher kämpfen.

Zu guten bösen Ende kann nur gesagt werden, dass a) das Geschehen schließlich für eine Figur doch noch Hand und Fuß bekommt und b) ein Extraschluss dran gehängt wird, bei dem der vorhin schon erwähnte Regisseur Bert I. Gordon garantiert glücklich geworden wäre (oder er hätte eine Plagiatsklage eingereicht). Sollte jemand die Werke „Der Koloß“ oder „Gigant des Grauens“ kennen, findet er im Finale sicherlich ein paar Parallelen.

Alles in allem finde ich „Meteorit des Grauens“ puppenlustig; ein Thema, das schon 1980 wie aus der Zeit gefallen wirkte, es fehlen eigentlich nur noch Riesenameisen.

Möglicherweise hat Diethard van Heese das alles ja als Hommage oder Parodie auf die seligen Beiträge zum US-Atomzeitalter-Kino angelegt, vielleicht fand er es auch nur niedlich, aus einem Polizeibericht, der Blaupause eines „Tim und Struppi“-Comicbuchs und diversen Monsterfilmen einen semidokumentarischen Reißer zu stricken.

Das Ergebnis ist jedenfalls höchst unterhaltsam, zumindest aber wohl strukturiert. Der Horroranteil beschränkt sich jedoch leider nur auf wenige Seiten (die Tierangriffe), die funktionieren dann aber eigentlich ganz prachtvoll. Erwähnenswert dabei wäre vielleicht noch, dass zumindest zwei Abschnitte – ein angsterfüllter Telefonanruf beim Sheriff und die Untersuchung des zerstörten Hauses wenig später – inspirativ und dramaturgisch bei Lovecrafts „The Dunwich Horror“ abgeschaut erscheinen.

Mögen Form und Inhalt diskutabel sein, Van Heese bringt seinen Roman (sein erster für „Vampir“) dennoch recht einheitlich ins Ziel, auch wenn die Chose mit jeder weiteren Seite immer absurder wird und man viele der Figuren nach fünf Seiten schon wieder vergessen hat (weil sie nicht wieder auftauchen, aber wie Schlüsselfiguren eingeführt werden). Er ist sich auch nicht zu schade, ein typisch moralisches Fazit ans Ende zu setzen, wo über den Reifegrad der Menschheit philosophiert wird. Bis dahin war ich aber schon dreimal gnickernd vom Stuhl gefallen.

Ich kann dieses Kuriosum nur weiterempfehlen, so etwas traut sich heute keiner mehr – damals wurde das vom Verlag noch staubtrocken veröffentlicht und in seiner aktenstaubigen Ernsthaftigkeit dem ahnungslosen Publikum vorgesetzt. Heute traut man seinen Augen nicht, aber „Meteorit des Grauens“ ist eher kurios als ein klassischer Flop, das muss man honorieren.

Keep Watching the Skies!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-01-12 12:41
Ich fand den nur misslungen, als ich ihn vor ein paar Jahren das erste Mal las. Wenn ich mir schon einen Plot aus B-Filmen zusammenklaue, sollte man was Spaßiges draus machen. Das war einfach nur blah.

Immerhin ist das Cover schön schrecklich :-) Man wird den Eindruck nicht los, als hätte man nicht mal mehr Qualitätskontrolle betrieben, Hauptsache, man hatte was. Völlig beliebig.

Ich kenne ein paar von Van Heeses SKGs, die fand ich genauso öde.
#2 Heiko Langhans 2016-01-12 14:21
Wenn der Autor Lovecraft gekannt hat, dann ist eine weitere Vorlage vermutlich "Die Farbe aus dem Alll" gewesen - inkl. des protokollhaften Erzählstils.
#3 Silvan Prefetzky 2016-01-12 20:39
Und das ist noch gar nichts gegen den nächsten Beitrag, der so furchtbar war, dass es mich gar nicht wundert, dass die Serie irgendwann den Bach runter ging. Ich hab keine Ahnung, wie die Chose als Horrorroman durch das Lektorat gekommen ist. Dagegen war dieser Klau ja fast noch originell zu nennen. Keine Beschwerden mehr gegen Standardware, so wie das aussieht...
#4 Andreas Decker 2016-01-13 18:51
zitiere Silvan Prefetzky:
Und das ist noch gar nichts gegen den nächsten Beitrag, der so furchtbar war, dass es mich gar nicht wundert, dass die Serie irgendwann den Bach runter ging. Ich hab keine Ahnung, wie die Chose als Horrorroman durch das Lektorat gekommen ist. Dagegen war dieser Klau ja fast noch originell zu nennen. Keine Beschwerden mehr gegen Standardware, so wie das aussieht...


Das nenn ich mal neugierig machen :D :lol:
#5 Ronald M. Hahn 2016-07-03 14:40
Sehr vergnüglich zu lesen dein Text, Prefetzky. Respekt!

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