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Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Coco und der Teufelsschüler

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die TaschenbücherCoco und der Teufelsschüler

Der kommerzielle Erfolg der Marke "Dämonenkiller" muss in der Tat beträchtlich gewesen sein. Nicht nur wurde die Serie bereits nach 17 Heften aus dem Vampir-Horror-Roman ausgekoppelt, um sich fortan allein auf dem Markt zu behaupten.

Innerhalb kürzester Zeit wurde die Serie auch auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Zeitgleich brachte man im März 1975 eine Taschenbuchreihe auf den Markt.


Coco und der TeufelsschülerCoco und der Teufelsschüler
von Paul Wolf
Dämonenkiller Taschenbuch Nr. 28
April 1977

Der Roman:
In Andorra in der Nähe von Castillo Basajaun hat es einen schrecklichen Mord gegeben. Der taubstumme Pablo hat ein Kind erstochen und ihm die Initialen G.d.R. in die Brust geschnitzt.

Dorian Hunter, der Dämonenkiller, hält ihn für einen Irren ohne dämonische Beeinflussung, aber Coco Zamis lässt das Verbrechen keine Ruhe. Selbst beim Sex grübelt sie darüber nach. Hunter nimmt das als Gelegenheit, sie mal wieder über die Vergangenheit auszuquetschen. Wie ging es damals weiter, nachdem Coco als "Geheimwaffe" ihrer Familie die Sippe Winkler-Forcas ausgerottet hat? Aber Coco will nicht darüber reden.

Sie fährt zum Lokaltermin der Staatsanwaltschaft. Dort fällt ihr ein kranker alter Mann auf. Pablo flieht aus dem Gericht, bei der Verfolgungsjagd stolpert Coco über den Alten, der fast zusammenbricht. Da Winter ist, bringt sie ihn in seine Hütte in den Bergen. Dummerweise trinkt sie vergifteten Tee; der G.d.R.-Mörder Pablo ist auch schon da. Coco sieht ein Bild an der Wand, das den historischen Serienkiller Gilles de Raiz zeigt, dem Helfer der Jungfrau von Orleans. Und ihr wird alles klar. Zu spät.

Eingesperrt in ein Folterinstrument kommt Coco wieder zu sich. Der Alte entpuppt sich als Anselm Graubarth, der vor Jahren Coco dazu zwingen wollte, Kontakt mit dem Teufel herzustellen, um die Unsterblichkeit zu erlangen. Er diente dem Dämon Barron, dem schon Gilles des Raiz huldigte. Jetzt will er es wieder versuchen. Sein zweiter Gehilfe Charles soll Coco foltern. Er verlangt von ihr, sie soll von ihrer Vergangenheit als Hexe erzählen. Coco gehorcht und erzählt von der Zeit nach dem Krieg mit den Winkler-Forcas.

Es beginnt wie meistens mit einer Orgie im Haus der Zamis, die dabei von Skarabäus Toth den Besitz der Winkler-Forcas einheimst. Beim Fest stolpert die wie immer von allem Dämonischen angewiderte Coco über einen alten Mann namens Anselm Graubarth, der sich aufs Gelände geschlichen hat und sie vergeblich unter seinen Bann zwingen will, damit sie ihm dem Teufel vorstellt. Coco hält ihn für einen harmlosen Irren, hypnotisiert ihn und wirft ihn raus.

Bei den Zamis' gibt es Ärger. Vetter Boris aus Sibirien lädt sich selbst ein. Papa Zamis unterstellt ihm, die Macht an sich reißen zu wollen und quartiert ihn in der Villa der Winkler-Forcas ein. Coco wird ihm als Babysitter zugeteilt, während die Familie aus Wien verschwindet. Coco erhält mehr oder weniger den Auftrag, Vetter Boris umzubringen.

Während sie zu verhindern versucht, dass der unkontrollierbare Boris in Wien ein Blutbad anrichtet, läuft ihr der hübsche Sterbliche Gerhard über den Weg. Um ihn vor Boris zu retten, hypnotisiert sie ihn, nimmt ihn mit in die Villa und beginnt ein Verhältnis mit ihm. Die ganze Zeit über wird sie dabei von Graubarth verfolgt. Der hat plötzlich Macht über sie, weil ihm sein Dämon Barron – den es angeblich gar nicht mehr gibt – ein paar Haare der Hexe überließ.

Nach diversen sehr öffentlichen Morden und einem komplizierten Verhältnis mit Gerhard entdeckt Coco, dass sich Vetter Boris niedere Dämonen wie Eustache Lexas - den selbst die brave Coco mit Begeisterung demütigt - Untertan macht. Er will die Familie ausrotten, um sich zum Herrscher aufzuschwingen. Aber noch schlimmer, er sieht Coco und ihrem Lover im Bett zu und lässt die Wiener Dämonen auch dran teilhaben, wie das weiße Lamm der Familie mal wieder einem Sterblichen schöne Augen macht. Jetzt ist Coco motiviert.

Sie verleitet Boris dazu, in seine geheimnisvolle magische Truhe zu steigen, sperrt ihn dort ein und schlägt Nägel ein, bis er tot ist. Gerhard nimmt sie notgedrungen das Gedächtnis, und Graubarth lässt sie ins Irrenhaus sperren. Das alles bringt ihr das Lob der Familie ein.

In der Gegenwart hat der Schmerz der Folterung Cocos Betäubung beseitigt; sie kann sich befreien. Nachdem man sich mit glühenden Brandzeichen bekämpft hat, fährt der Dämon Barron in Graubarth ein – der sich als Eustache Lexas entpuppt. Jetzt bekommt er nach all diesen Jahren doch noch seine Rache an Coco. Dummerweise merkt er nicht, dass Graubarths Körper bereits stirbt. Und er stirbt mit ihm.

Bewertung:
Nach dem ersten Beitrag zur Reihe (Nr.22 Die Folterkammer) legt Ernst Vlcek diesmal unter seinem Pseudonym Paul Wolf einen weiteren Roman aus dem Dämonenkiller-Universum nach. Mit einem Vergangenheitsabenteuer von Coco Zamis dürfte er damit den Geschmack vieler Leser getroffen haben.

Da es sich hier um den inoffiziellen Start der eigenständigen Coco Zamis-Serie im Taschenbuch handelt, ist das Anlass genug, neben der Handlung ein paar grundsätzliche Dinge des Konzepts anzusprechen, die Stärken und Schwächen.

Von Anfang an überrascht, wie sehr die Handlung auf zu dem Zeitpunkt lange zurückliegender Serienkontinuität beruht. Sie erzählt die Geschichte der Hefte 31/32 weiter, was selbst in der Serie schon über 100 Bände zurücklag. Für Unkundige im Dämonenkilleruniversum dürfte der Roman so gut wie unzugänglich gewesen sein; es wird vorausgesetzt, dass der Leser weiß, wer diese Leute sind und warum sie ausgerechnet in Andorra rumhängen.

Roman und Handlung sind in vielerlei Hinsicht widersprüchlich. Vergleicht man ihn mit Vlceks Exposés aus der Zeit, in denen er seine Autoren notgedrungen unablässig ermahnt, es mit Gewalt und Sex nicht zu übertreiben, verwundern zumindest ein paar recht blutigen Stellen, die an die Anfänge der Serie erinnern. Da bietet er doch einige Schauwerte. Es werden diverse Menschen geopfert, zu Kannibalen gemacht, ein Toter hängt in einer entweihten Kirche an ein Kreuz genagelt, der böse Boris wird von der Heldin langsam und vorsätzlich gepfählt. Offenbar war man zu diesem Zeitpunkt noch der Ansicht, dass man im Taschenbuch etwas mehr Freiraum hatte.

Andererseits bleibt vieles bewusst vage oder dient lediglich als Aufhänger. Der spektakuläre und komplizierte Fall Gilles de Rais mit seinen irgendetwas zwischen 60 und 200 Jungenmorden wird nicht weiter thematisiert. Das ist verständlich, ist es doch eine grausige Geschichte, schon bevor Pädophilie zum Gesellschaftsthema wurde, andererseits erscheint es wie so oft bei diesen Fällen als Verschwendung, nicht weiter darauf einzugehen.

Stärken und Schwächen. Einerseits wird der Dämonenuntergrund Wiens mit seinen dem Stammleser oft bekannten Figuren hier ausführlich und vergnüglich geschildert. Das hat viel Farbe in die Originalserie gebracht; beim zweiten Anlauf der Neuauflage war das ja kein Thema mehr oder den Autoren zu viel Arbeit. Aber im Roman können die Dämonen unter uns tun und lassen, was sie wollen. Leider wird es wie bei Vlcek oft zum Klamauk. Vetter Boris aus Sibirien, der an keinem Sterblichen vorbeigehen kann, ohne ihn zu beeinflussen, bis der Blut spuckt, ist eine so überzogene Figur, dass es schwerfällt, sie ernstzunehmen. Zwar ist es ganz witzig, wie Coco praktisch ganze Straßenzüge hypnotisieren muss, damit alle Boris' Schandtaten vergessen, aber das strapaziert oft die Glaubwürdigkeit.

Doch das Problem ist überhaupt allgegenwärtig. Auch unsere junge Heldin wird in sich widersprüchlich geschildert, ob nun als reife Veteranin oder als – würde man das Alter ernst nehmen, dazu später noch mehr - Siebzehnjährige. Obwohl das Mädchen die Veteranin locker schlägt, was ihre Kompetenz angeht. Die Leichtigkeit, mit der sich Coco da in die Falle locken lässt, ist allein dem Funktionieren des Plots geschuldet. Das merkt selbst der Autor, versucht er es doch zu relativieren, indem er seine Heldin darüber grübeln lässt, wie blöd sie doch in die Falle tappte. Oder dass sie Graubarth nicht wiedererkannte. Oder dass sie trotz ihrer umfassenden Ausbildung in allen magischen Dingen und Geschichten nicht auf die Idee kam, dass ein Kindermord mit den Initialen G.d.R. etwas mit dem guten Gilles zu tun haben könnte. Obwohl auch da der "Experte" Dorian, der sich Zeit seines Lebens mit nichts anderem beschäftigt hat, kläglich versagt.

Die Idee des "weißen Lamms" in der Schwarzen Familie kommt hier auch schnell an seine plausiblen Grenzen, umso mehr, als der Autor die Vergangenheitsepisode in der Ersten Person erzählt und der Leser damit ständig in Cocos Gedanken weilt. Da wird Coco von einem Absatz zum nächsten von dem unglücklichen Mädchen, das sich nach echter Liebe sehnt, zur eiskalten Killerin, der die Grausamkeit ihrer Art sehr wohl im Blut liegt. Manchmal passt das alles in dieser geballten Form nur schwer oder gar nicht zusammen.

Die Beziehungsgeschichte ist wenig originell, ist sie doch nur ein schwacher Aufguss der den Charakter definierenden Liebesgeschichte aus Bd. 31, in der Cocos erste große Liebe Rupert Schwinger als kastrierter Hauswächter in der Villa Zamis endete. Letztlich ist das nach Hunter und Schwinger der bereits dritte Aufguss der Thematik. Und dass die doch relativ viel Umfang in Beschlag nehmende Handlung keine entscheidende Verbindung zu den beiden anderen Ebenen hat, macht sie nicht interessanter.

Den Plot des Romans darf der Leser auch nicht hinterfragen. Die ganze Geschichte um Anselm Graubarth, der sich am Ende für eine Inkarnation von Gilles de Rais hält und in Wirklichkeit die ganze Zeit vom schleimigen Eustache Lexas gelenkt wird, macht bei Licht besehen keinen Sinn. Nicht zuletzt deswegen, weil der Autor hier seine eigenen Regeln vergisst oder vergessen muss, damit er den Plot hinbekommt. Da schafft es der mysteriöse "Barron" also, an Cocos Haare zu kommen. Wie der Stammleser weiß, ist das so ziemlich das, was keinem Schwarzblütigen je passieren darf. Sonst steht er immer mit einem Bein im Grab und ist der Willkür seines Feindes hilflos ausgeliefert. Das gerät im Laufe der Handlung aber völlig in Vergessenheit.

(Witzigerweise wird der genau gleiche Sachverhalt im nächsten Coco-Roman von Kurt Luif wenig originell erneut thematisiert, aber dort immerhin serienkonform behandelt. Was diesen Fehler hier um so auffälliger macht.)

Anscheinend ist das Coco absolut egal; es wird danach nicht einmal mehr erwähnt. Und spätestens wenn am Ende Lexas als Bösewicht und Meisterplaner aus dem Hut gezaubert wird, ergibt das erst recht keinen Sinn. Auch wenn dieser ewige Verlierer nicht das hellste Licht ist, wäre selbst er klüger, als ein so mächtiges Druckmittel gegen die verhassten Zamis so leichtfertig aus der Hand zu geben. Da knirscht es überall in der Geschichtenkonstruktion.

Ein konzeptionelles Problem, mit dem die Coco-Serie immer zu kämpfen hatte, ist die mangelnde Datierung. Geht man davon aus, dass die Serie in der damaligen Gegenwart spielte und Coco als Zwanzigjährige eingeführt wurde, ist der Spielraum für ihre Vergangenheitsabenteuer nicht sehr groß. Die Jahre zwischen 1968 und 1972 waren eine turbulente Zeit. Doch davon ist in diesem Roman nichts zu spüren, das spielt keine Rolle. Cocos Wien ist ein zeitloses Wien.

Verständlicherweise konnten sich die Autoren nicht von diesem winzigen Zeitrahmen einengen lassen. Und so ist in diesem Roman nicht mehr die Rede davon, dass die Heldin zu Beginn der Vergangenheitsebene gerade mal 17 ist, wenn man den in der Heftserie dargelegten Zeitrahmen ernst nehmen würde. Die Autoren haben sich aus nachvollziehbaren Gründen entschlossen, das Problem zu lösen, indem sie es ignorieren.

Einen deutlichen Mehrwert im Heftromankosmos des Dämonenkillers hätte es vermutlich sowieso nicht gegeben, da tunlichst vermieden wurde, sich von zeitgenössischen Ereignissen in die Handlung reinreden oder auch nur inspirieren zu lassen. Die Themenkomplexe, die einem da nach einem zeitlichen Abstand von 40 Jahren einfallen, waren zur Entstehungszeit noch nicht ersichtlich.

Man kann Ernst Vlcek und den anderen Machern daher nicht zum Vorwurf machen, dass sie diese Thematik bewusst ausgeblendet haben. Auch wenn sich bei der Lektüre heute der eine oder andere vielleicht wünschen mag, Coco wäre mehr ein Kind ihrer Zeit oder der Handlungshintergrund und die sich daraus ergebenden Reaktionen der Figuren würden kräftiger am Puls der damaligen Epoche schlagen, wäre das nie bewusst realisiert worden.

Trotz der offensichtlichen konzeptionellen Mängel und dem Eindruck, dass hier einfach zu viel Stoff reingepackt wurde, ist das trotzdem ein sehr unterhaltsamer Roman aus dem Dämonenkilleruniversum. Von der Qualität her ist er deutlich dem überlegen, was der Leser parallel in der Heftserie vorgesetzt bekam. Die letzten Romane vor der nur einen Monat später durchgeführten Indizierung konnten weder inhaltlich noch in der Ausführung überzeugen.

An Odour of DecayBei diesem Taschenbuch hat den Stammleser schon damals das deutlich nostalgische Gefühl beschlichen, plötzlich wieder in der "guten alten Zeit" der Serie zu sein. Im Nachhinein drängt sich der Eindruck auf, dass Vlcek hier tatsächlich mehr Freiheiten als im Heft hatte und das auch zu nutzen wusste. In dieser Hinsicht kommt einem das aus heutiger Sicht beinahe schon so wie ein letzter Gruß an eine Zeit vor, die es bei Erscheinen dieses Buches schon nicht mehr gab.

Life on Mars
Losgelöst von Zeit und Raum.

Das Titelbild
Allem Anschein nach ist noch immer unbekannt, von wem das Titelbild stammt. Es scheint das Thema "Lebendig begraben" darzustellen und ist nur ein Ausschnitt. Es wäre nett, wenn man das Bild in seinem Original sehen könnte.
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Und da ist es - dank Uwe Schnabel

Copyright © by Andreas Decker

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Kommentare  

#1 Schnabel 2016-03-12 11:33
Das Titelbild ist auf dem NEW ENGLISH LIBRARY-Taschenbuch "An Odour of Deacy" erschienen.
#2 Andreas Decker 2016-03-14 10:03
Danke Uwe und Horst. Und wie ich sehe, ist das gar kein Ausschnitt. Interessant.
#3 Toni 2016-03-14 10:49
Toller Beitrag. Ich war schon sehr gespannt auf deinen ersten Artikel über die Coco-Romane.
Ich habe die Taschenbücher bestimmt 10 Jahre spätere als die Serie gelesen und war damals von den, für mich frischen, Abenteuern rund um die junge Hexe echt angetan. Das mit den zeitlichen Ungereimtheiten habe ich deshalb auch nicht so mitbekommen. Zu dieser Zeit war es mir nur wichtig, mal wieder etwas über meine Lieblingsserie zu lesen. Nach den Coco Büchern habe ich mir die komplette Serie nochmals, mit einigen Abständen, gegeben. An die "Neuen" der 2.Auflage habe ich mich aber immer noch nicht rangetraut. Wäre vielleicht eine Lesereise wert... (obwohl man da ja nicht viel positives hört)

Gerade Vetter Boris und sein Ende waren klasse :D , aber ich mochte ja auch die Clackton Romane von Vlcek. Und das die festgesetzte Coco den bösen Buben hinterher übel mitspielt war klar, sie verteilte ja des öfteren Denkzettel. Wie in der Serie funktionierte die Hexe auch sehr gut ohne Dorian...

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