Der Welt erste Science Fiction-Serie: Die Frank Reade Library -Deutsche Erstausgabe jetzt als eBook im Wibra-Verlag
Der Welt erste Science Fiction-Serie:
Die Frank Reade Library
Deutsche Erstausgabe jetzt als eBook im Wibra-Verlag
Genauer: Die erste Frank Reade-Story erschien unter dem Titel »The Steam Man of the Plains« (später: »Frank Reade and His Steam Man of the Plains«) in Fortsetzungen vom 28. Februar 1876 bis 24. April 1876 in einem Dime-Magazine namens »The Boys of New York«.
Auf billigstem Papier gedruckt (wie später auch ihre Nachfolger, die »Pulp-Magazines«), richteten sich diese Magazine hauptsächlich an ein jugendliches Publikum, das in den Frank Reade-Geschichten allerlei dampfbetriebene technische Innovationen geliefert bekam. Getreu der Zeit handelten diese Edisonaden (benannt nach Thomas Alva Edison) zumeist von Transportmaschinen, bei denen die Fluggeräte einen breiten Raum einnahmen. Hier schraubte man sich auf alle erdenklichen Weisen in die Lüfte, mal mit helikopterartigen Rotoren, mal mit Spiralen à la Leonardo da Vinci oder auch schon mal mit Heißluft. Dazu gab es Reisevehikel zu Land und auch zu Wasser, ebenso wie auch unter Wasser, und natürlich auch verschiedene phantastische Waffen.
Geschrieben wurden die ersten Erzählungen um den Erfinder Frank Reade von Harry Enton (Pseudonym des amerikanischen Autors Harold Cohen, 1854-1927), der jedoch höchstwahrscheinlich nur vier Geschichten zu der Sammlung beigetragen hat. Ob auch noch die fünfte Geschichte von Enton verfasst wurde, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlicher jedoch ist es, dass diese bereits aus der Feder seines Nachfolgers Luis Philip Senarens (1863-1939) stammt, nachdem sich Enton im Streit um die Nennung des Autorennamens von Herausgeber Frank Tousey getrennt hatte. Während die ersten drei Romane noch unter Entons Namen erschienen, wurden die nächsten Romane komplett ohne Autorennennung veröffentlicht, was Harry Enton erzürnte. Und so übernahm Luis Senarens die Autorenschaft, anfangs weiterhin ohne Autorennennung, später dann unter dem Pseudonym "Noname".
Mit Senarens’ Eintritt in die Serie schwenkte der Fokus der Hauptperson vom genialen Erfinder Frank Reade zu seinem nicht minder genialen Sohn Frank Reade jr., der nun die verschiedensten Abenteuer erlebte. Insgesamt erschienen in den folgenden 15 Jahren rund 40 Frank Reade-Geschichten in Tousey-Magazinen wie »The Boys of New York«, »The Five Cent Wide Awake Library« und »The New York Detective Library« (wobei die Romane meist mehrfach in verschiedenen Reihen des Verlags erschienen), bis 1892 mit der »Frank Reade Library« eine eigenständige Reihe begonnen wurde, die sich allein den Abenteuern des genialen Erfinders widmete. Hier wurden zwischen neuen Romanen auch die älteren Abenteuer Frank Reades neu veröffentlicht, was dazu führte, dass die Reihenfolge der Nummerierung in der Frank Reade-Library (FRL) nicht der chronologischen Erscheinungsweise entspricht, sondern z.B. der erste Roman um Frank Reade erst als FRL Band 12 erschien. Eine genaue Auflistung mit Erscheinungsdaten und -reihenfolge der Romane findet sich weiter unten.
Insgesamt erschienen zwischen 1892 und 1898 in der FRL 191 Hefte, von denen jedoch die Bände 188-191 Neuveröffentlichungen der ersten vier Bände darstellten. Es existieren also insgesamt 187 Geschichten um Frank Reade, worunter sich streng genommen auch sechs Zweiteiler befinden, sodass wir eigentlich auf 181 verschiedene Geschichten kommen. Zwischen 1902 und 1904 wurden 96 dieser Geschichten unter dem Reihentitel "Frank Reade Weekly Magazine" noch einmal neu aufgelegt.
Auch wenn am Anfang der Name Jules Verne erwähnt wurde und es durchaus thematische Ähnlichkeiten im Werk Vernes’ und den Frank Reade-Romanen gibt (nicht zuletzt wurde Luis Senarens auch als "amerikanischer Jules Verne" gehandelt), so ist ein Vergleich der Autoren natürlich unzulässig. Auch wenn Verne auf der einen und Enton/Senarens auf der anderen Seite als die Urgroßväter des Steampunk gelten können, so stammen sie doch – um im Bilde zu bleiben – aus zwei völlig verschiedenen Seiten der Familie. Zumal sowohl Harry Enton als auch Luis Senarens in ihrem literarischen Können und ihrer Ausdrucksweise im Vergleich zu Verne deutlich limitiert waren. Nicht zuletzt, weil Senarens, als er die Frank Reade-Romane übernahm, gerade einmal 16 Jahre zählte, was er lange Zeit auch vor seinem Herausgeber verheimlichte. Und auch wenn die Geschichte existiert, dass Jules Verne einen begeisterten Leserbrief an Senarens geschrieben (und Motive aus Frank Reade für seinen Roman »Das Dampfhaus« übernommen) haben soll, so kann an der Wahrheit dieser Aussage getrost gezweifelt werden, und dies nicht nur aus dem Grunde, dass Jules Verne in Ermangelung englischer Sprachkenntnisse die Frank Reade-Romane gar nicht hätte lesen können. Vielmehr fußt diese urbane Legende anscheinend auf einer Aussage von Senarens selbst, der sich auf diese Weise wohl etwas mehr Glanz verleihen wollte – und wer wollte dies dem blutjungen Autor auch verdenken.
Sein Alter, aber vor allem auch die Herkunft Senarens (Sohn eines kubanischen Emigranten und einer Amerikanerin) begründen wohl auch die Gegensätze in der Rückschau auf die Frank Reade-Serie. Die Encyclopedia of Science Fiction bescheinigt der Serie, sowohl das Beste als auch das Schlechteste der amerikanischen Dime-Novels in sich zu vereinen. Auf der einen Seite Überschwang, Humor und Erfindungsgeist, auf der anderen Seite stereotype Action, Rassismus und gnadenlose Wiederholungen.
Vor allem die durchaus rassistisch zu nennenden kulturellen Klischees, mit denen alle Nicht-WASPs in der Serie geschildert werden, sind (nicht nur für die heutige Zeit) nur schwer zu goutieren. Diese erklären sich aber nicht nur aus der Zeit heraus, in der die Geschichten entstanden sind, sondern auch darin, dass Senarens’ Vater starb, als dieser noch ein kleiner Junge war. Aus finanziellen Gründen musste Senarens auf Schule und College verzichten und sich stattdessen dem Geldverdienen widmen. Bereits mit 14 veröffentlichte er erste Geschichten gegen Honorar und wurde zu einem höchst produktiven Autor, der wohl um die 1500 bis 2000 Werke verfasste (genauere Zahlen sind nicht verfügbar, da viele seiner Werke anonym oder unter Verlagspseudonymen erschienen sind). Für Frank Reade war dieses Verlagspseudonym »Noname«.
Eine Neuausgabe der Frank Reade-Library wurde von E.F. Bleiler in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts in zehn Hardcover-Büchern herausgegeben, die jedoch leider nicht mehr aufzutreiben ist – so man nicht bereit ist, den Preis eines Mittelklassewagens auf den Tisch zu legen. Bis vor wenigen Wochen waren die zehn Bände sowohl auf dem englischen als auch deutschen Amazon-Marketplace verfügbar – zu einem Phantasiepreis von rund 1.000 (England), bzw. 2.500 (Deutschland) Euro. Pro Band versteht sich. Offensichtlich wurden die Bücher zu diesem Peis aber tatsächlich verkauft, da dieses Angebot inzwischen nicht mehr zu finden ist. Nicht zuletzt der Universität von South Florida mit ihrer sehr umfangreichen Sammlung von Frank Reade-Romanen ist es daher zu verdanken, dass diese Serie nach mehr als 120 Jahren zumindest in sehr großen Teilen (ob es jemals gelingen wird, wirklich alle 187 Frank Reade-Romane zusammenzubekommen, steht derzeit in den Sternen – dem deutschen Verlag liegen derzeit rund 150 Hefte vor, weitere Scans werden gesucht und dankend entgegengenommen) ihren Weg auch zum deutschen Leser findet.
Der Verlag hat sich dabei entschlossen, aus historischen Gründen den Tenor der Romane in der Übersetzung möglichst beizubehalten und sie nicht etwa aus Gründen der Political Correctness zu »entschärfen«. Diese Romane sind, obzwar Science Fiction, so doch auch Zeitzeugen aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und sollten auch so gelesen werden – alles andere wäre eine Art von Geschichtsfälschung.
Es ist also alles bereit für eine Entdeckungsreise in die Science Fiction des ausgehendem 19. Jahrhunderts, den Abenteuern eines jungen Erfinders und seiner Dampfgeräte folgend, die dem deutschsprachigen Leser bisher verborgen waren und von denen selbst ausgewiesene Science Fiction-Experten hierzulande, wenn überhaupt, höchstens den Reihentitel einmal gehört haben. Der erste Band ist inzwischen für 2,99 Euro als eBook auf Deutsch im Wibra-Verlag erschienen und zuerst nur über die Verlagswebsite www.wibra-verlag.de erhältlich. Kurz nach Erscheinen dieses Artikels im Zauberspiegel sollte das eBook jedoch auch in allen üblichen eBook-Shops erhältlich sein. Weitere Bände der Serie folgen als eBook in ca. vierwöchentlichen Abständen. Gedruckte Sammelbände mit vier bis sechs Romanen (je nach Umfang der Geschichten) sind geplant. Soweit möglich und verfügbar folgt die deutsche Ausgabe dabei der Reihenfolge der Frank Reade Library von 1892.
Daten zur Frank Reade Library (basierend auf den Daten des unglaublichen und unschätzbaren "FictionMags Index" ):
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