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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Böse Geister spuken besser - Geister-Krimi 265 von Will Harris

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Böse Geister spuken besser«
Geister-Krimi 265 von Will Harris

Manchmal haben die Autoren brillante Ideen, die sich zu ebensolchen Romanen weiterentwickeln.

Manchmal aber sind die ersten Einfälle lediglich vielversprechend und das fertige Romanprodukt mutiert zu etwas, was man mit »Kuddelmuddel« wohl am besten beschreibt.


Ein seltsames Mischmasch, das zwar endlich nicht den üblichen Standards (bspw. Schloss in England, übernatürliches Ereignis, ignorante bis uninformierte Polizei, lässig-muskulöser Geisterjäger, „Female Interest“ (attraktives Hascherl), mehrere Opfer, dicker Showdown) entspricht, stattdessen aber die Frage offen lässt, was der jeweilige Verfasser während des Schreibprozesses nebenher gelesen, gegessen, getrunken, geraucht oder eingeworfen hat.

Generell steht W.A.Hary ja inzwischen außerhalb jeder Diskussion, mit weit über 500 Heftromanen auf der Agenda und immer noch fleißig und aktiv, hat er sich das dahin siechende Genre des Heftromans zunutze gemacht, indem er seine Werke in den elektronischen Medien wiederveröffentlicht und in einen geschlossenen Kontext überführt hat. Neuauflagen, Nutzung von Kleinverlagen, Integration von Unterserien und private Fortführung als E-Books, der Mann nutzt alles, was ihm vor die Flinte kommt und sein Geister- bzw. Teufelsjäger Mark Tate hat sich so seinen Platz im Olymp der Romanheftfiguren gesichert, zumindest den eines „Guten“ mit beachtlichem Stehvermögen.

Aus diesem Grund sah ich nach dem Wallace-ähnlichen Wirrwarr von „Faustus“ aus dem letzten Test dieser neuen Rezension auch mit positiven Gefühlen entgegen. Mark Tate wollte ich zwar nichts aus den „literarischen“ Rippen schneiden, wie ich es bei Rick Masters gemacht hatte (also einfach einen Roman aus der Reihe getrennt zu betrachten), aber durch den Griff zu einem Toy-Fong-Roman war das Problem elegant zu umgehen.

Also ein paar Worte zu besagtem Toy Fong: einst ein Side-Projekt im Geister-Krimi, kam diese Subserie auf lediglich drei Romane (Nr. 242, 265, 317) und bestach mit ungewöhnlichen Titeln (die übrigen Romane heißen „Im Garten der Düfte“ (passt gut zu einem Heimatroman) und „Roboter gegen das Böse“ (passt irgendwie bizarr zur vorliegenden Rezension)), wobei der brav-amüsante Titel des vorliegenden Romans ja so was von täuscht.

Ich bin mir nicht sicher, was Hary bewogen hat, die Reihe so schnell wieder zu beenden, aber selbst ein B-Verlag (im Gruselsektor) wie Kelter dürfte leicht konsterniert gewesen sein, angesichts dessen, was in diesem Heft so vorgeht. Traditoneller Geisterjägergrusel ist hier jedenfalls nicht zu holen, mal vielleicht abgesehen von den jeweils ersten und letzten 10 Seiten, die angesichts der übrigen zwei Drittel wie ein Affront bzw. eine leichte Anbiederung an das Genre und die entsprechende Serie wirken. Wer also mal über „Böse Geister...“ stolpert, darf sich auf einige WTF-Momente freuen, allerdings mit der Gefahr, dass sich das generelle Interesse mit jeder Seite mehr in Richtung auf einen Urlaub auf den Kanaren verabschiedet.

Was der Autor nun tatsächlich genommen hat oder ob sich hier die Vorliebe für einen Film wie „Die phantastische Reise“ hier bis zur erzählerischen Sackgasse verselbständigt hat, lasse ich zunächst mal offen, hier kommt auf jeden Fall mal so etwas wie eine Inhaltsangabe...

Böse Geister spuken besserWas ist da nur geschehen?
Kein „cold opening“, wir starten gleich mit unserem Geisterjäger Toy Fong, der vermutlich – das folgere ich mal aus seinem Namen – asiatischen Ursprung sein müsste. Weitere Hinweis bietet der Roman allerdings nicht, abgesehen von ein paar Bezügen zu einem Ur-Ahnen.

Fong hat sich in die Stadt Pensing begeben, weil ihn dort jemand treffen will. Wo sich „Pensing“ nun befindet, nördlich von Bayreuth, westlich von Penzance oder nord-nordwestlich von Peking bleibt lange offen, am Ende soll es wohl die britische Insel sein.

Während Fong selbst noch rätselt, taucht ein freundlicher Bote auf, um ihn zu der „schwarzen Eminenz“ zu geleiten. Fong folgt ihm, wird aber auf der Straße plötzlich halb ohnmächtig und im Delirium von dem Geiste seines Ahnen (ebenfalls Toy Fong) besucht, der ihm den ungefähren Grund seiner Pensing-Reise zeigen will.

Er versetzt seinen Enkel zu einer gewissen Martha Hendrix, die gerade mit ihrer achtjährigen Nichte Katy Reynolds durch die Natur läuft, als sich unheimliche Kräfte im Wald um die beiden sammeln und Katy im Unterholz entschwindet, während Martha von großen Maskengesichtern gepeinigt wird. Sie kann das Kind zwar nochmals einholen, doch die Kleine informiert sie darüber, dass die Kräfte des Bösen hier Unschuldige einfangen. Als sie entmutigt allein heim rennt, wartet die nächste böse Überraschung auf sie: ihr Mann Tom erkennt sie nicht wieder und im Spiegel ist sie auch nicht sichtbar. Verwirrt geht sie davon, aber Tom bleibt lediglich leicht verwirrt zurück: schließlich ist seine Frau wohlbehalten im Wohnzimmer und sieht fern.

Aus dieser Vision erwacht, wird Fong von dem Boten zum Haus der „Eminenz“ gebracht, das wie ein Computerzentrum mit magischen Symbolen aussieht. Dort nimmt etwas Einfluss auf ihn und versetzt ihn in eine fremde Umgebung – in eine Transportröhre im Inneren von etwas, das einem Raumschiff ähnelt. Hier wird Technik mit Magie kombiniert und Fong irrt erst einmal durch die Ebenen und Tunnel, begegnet netten Leuten, die auch einfach mal so verschwinden und ist dauerhaft verwirrt.

Er findet einen Speiseraum und wird dann über die Mission des Forschungsschiffs aufgeklärt: die Erforschung der barbarischen Welt Sydt. Leider erweisen sich diese Sternenkriegsinfos dann als Programm eines Unterhaltungsfilms für die Passagiere und man ist genau so schlau wie vorher.

Schließlich gelangt er in eine Steuerungszentrale, wo er der tatsächlichen Mission auf die Spur kommt: das Schiff durchläuft einen magisch-technischen Verkleinerungsprozess, um schließlich auf einem Eisenmolekül zu landen. Das alles findet in einer Halle in der Nähe von Pensing statt.

Leider setzt der Prozess der Verkleinerung zu früh ein, was zu Schäden, Tumult und Toten führt – wären die Leute im Raumer nicht alle schon tot. Fong ist der einzige richtige Lebende an Bord, begegnet aber u.a. Martha Hendrix, die ihm einige halb nützliche Information zukommen lässt. In der Folge wird er für die Todesfälle an Bord verantwortlich gemacht, tatsächlich aber wird das Schiff von feindlichen Energien angegriffen, die der „Große Geist“, die Steuerungseinheit nicht abwehren kann und die das Steuerungskollektiv zerstört.

Schließlich bemüht man sich um eine weitere Verkleinerungsphase, um in die Welt der Protonen, Neutronen und Elektronen abzutauchen...

Mehr Alkohol bitte ...
Ja, Freunde, man kann es nicht anders schreiben, aber Harys Roman verwandelt sich mit jeder noch folgenden Seite immer mehr in einen Tanz der Moleküle, bei dem die Insassen des schrumpfenden Schiffs schließlich von Neutronen angegriffen werden, ehe der ganze Affenzirkus schließlich endet, damit jemand (etwas) uns endlich eine Erklärung für diesen Quark geben kann. Der fällt dann übrigens wieder überraschend standesgemäß aus – irgendein Sums um einen bekehrten Dämon (die schwarze Eminenz) und den bösen Sohn eines Lords, der praktisch für die letzten zwei Seiten aus einer Innentasche gezogen wird, damit der Roman einen Endgegner hat und Fong noch etwas zu tun bekommt.

Selten eine so bizarre Bastelstunde inhaltlicher Natur gelesen und es ist mir ein Rätsel, wie Hary das tatsächlich so zusammenkleben konnte; dieses naturwissenschaftlich-chemische Wirrwarr besticht hauptsächlich durch seine Zusammenhangslosigkeit und muss wieder einmal mühsam am Ende in ein verständliches Gesamtbild gesprengt werden, denn mit dem Vorschlaghammer ist da nicht mehr viel zu machen.

Dabei sind die ersten 12 Seiten eigentlich ganz gut, die Martha-Hendrix-Story ist sogar nachgradig unheimlich und macht Appetit auf mehr. Da passt es ganz gut, dass Hary hier mit vergleichsweise kurzen Sätzen arbeitet, was eigentlich sehr ungelenk und befremdend wirkt (im Rest des Romans), am Anfang aber das Bizarre der Situation unterstreicht. Drei Seiten später verlagert sich aber alles in dieses „magische Raumschiff“ und Fong gerät als Unwissender in eine Mischung aus Star Trek und den bereits angesprochenen SF-Film mit Raquel Welch, in der man miniaturisiert durch den menschlichen Körper reist.

Ob Hary da einen halben SF-Roman noch in der Schublade hatte, der gleich mitverarbeitet werden sollte? Möglich wäre es. Grundsätzlich funktioniert die Chose aus „Magie trifft Technik“ leider überhaupt nicht (das war dann auch später bei „Zamorra“ meistens eine heikle Angelegenheit) und auch hier zieht sich die im Grunde reizvolle Idee (eine dämonische Entität befehligt ein Schiff mit Toten) wie Kaugummi. Seitenlang irrt Fong durch Transportröhren, Gänge und Räume, trifft Leute und verliert sie wieder, dreht sich im Kreis und sammelt Infos, die nur noch mehr verwirren.

Bizarrer Höhepunkt ist der dreiseitige Exkurs rund um den Sternenkrieg von „Sydt“, der sich als Unterhaltungsfilm entpuppt – das Imperium knüppelt retour! War möglicherweise ironisch gemeint, da man aber ansonsten sowieso schon total im Wald steht, wirkt das leider eher brüskierend.

Von da an kippt die Story in reine SF, wenn auch nicht ganz ausgereift; die Erklärungen, wie das alles funktioniert, habe ich alsbald nur noch überflogen, nichts davon ist interessant und der „Große Geist“ als Steuerungsmacht und Positronikersatz wirkt hoffnungslos albern. Wieso die auf einem Eisenmolekül landen wollen und später in selbiges eindringen, ist ein seitenschindendes Kokolores, das später damit erklärt wird, dass der Dämon seine Macht zugunsten wissenschaftlicher Entdeckungen einsetzen wollte, provoziert aber erst mal nur ein endloses Katastrophenszenario, das nicht sonderlich spannend ausfällt.

Irgendwann auf Seite 51 strandet das geschrumpfte Schiff dann in einer „Sphäre der Geister und Dämonen“ (soso...), Fong verliebt sich in Martha (besser ist das...) und die Überlebenden bauen in der Dschungelwelt ein Segelschiff in Rekordzeit (womit auch das sonst total unpassende Titelbild seinen Sinn haben dürfte) und ab Seite 56 darf Opa Fong noch mal auftreten und den ganzen Firlefanz endlich erklären, ehe es gegen den bösen Lordsohn geht und mit der erzählerischen Schrotflinte aus dem SF-Thema wieder ein Standardhorrorknaller wird.

Wobei ich noch mal unterstreichen möchte, dass das Ergebnis nicht wirklich „schlecht“ ist, nur ausgesprochen wirr geplottet. Hary ergeht sich in vielen lustigen Beschreibungen aus dem elementaren Mikrokosmos, die meinen Chemielehrer vermutlich enorm rattig gemacht hätten, aber mit den magischen Untertönen wirkt das sehr roh aus Stein gemeißelt. Vieles wird der Vorstellungskraft überlassen und manchmal verknotet sich auch die Beschreibungsfähigkeit des Autors angesichts der Perspektiv- und Dimensionswechsel und die kurzen Sätze zeigen gnadenlos auf, was für einen prägnant-sicheren Stil man haben muss, um solche SF-Themen wirklich überzeugend und realitätsnah an das Publikum weitergeben zu können.

Vieles bleibt ungeklärt in diesem Roman, der offenbar ohne klar definiertes Ziel geschrieben wurde. Warum müssen die Toten an Bord noch essen? Wieso verschwinden sie manchmal? Wieso wissen sie mal mehr und mal weniger? Wieso schauen sie SF-Filme? Und wieso, zum Donnerdrummel, ein Eisenmolekül?

Ich hoffe mal inständig, dass Hary bei der Wiederveröffentlichung so einiges davon überarbeitet hat, denn wären Story und Stil nicht so ausgefranzt an den Rändern, hätte das vielleicht Spaß machen können. Nur ist auch Toy Fong über den ganzen Roman ein ahnungsloses Mäuschen, welches die Vorgänge mehr rätselnd dokumentiert, als in ihnen zu agieren, keine sehr prägnante Figur. Vielleicht war das Einmotten nach drei Romanen doch eine ganz gute Idee.

Dennoch hab ich jetzt fast Lust auf „Roboter gegen das Böse“ (ein toller Titel für SchleFaZ!), aber trotz vieler kurioser Entdeckungen war der Roman dann doch eher eine Quälerei, die nur sehr bemüht im Genre verortet ist.

Für die nächste Rezension hab ich schon mal gespiekt und kann glücklich vermelden, dass statt eines SF-Crossovers diesmal das Militär am Start ist und der Held des Romans dank seines Namens mich in den Wahnsinn treiben wird...so long, Toy Fong!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-05-24 15:31
Zitat:
Ob Hary da einen halben SF-Roman noch in der Schublade hatte, der gleich mitverarbeitet werden sollte?
Vermutlich genau das. :-)
#2 Advok 2016-05-24 16:42
Wilfried A. Hary war Mitautor der nie erschienenen SF-Serie "Wächter der Galaxis", wobei es hierzu vermutlich mehrere Konzepte gab.
Kurt Brand schrieb hierzu Bände 1 und 2, Konrad Schaefs Konzept wurde im PR-Werkstattband genannt, und wahrscheinlich gab es auch noch andere Autoren, die Ideen vorlegten.
Zu Schaefs Konzept wurden bereits Romane verfasst: Er selbst schrieb zwei, Hans Kneifel und Wilfried A. Hary auch einige.
Die Toy-Fong-Romane könnten also tatsächlich - auch zeitlich betrachtet - umgemodelte SF-Romane sein. ;-)
#3 Thomas Mühlbauer 2016-05-24 18:56
Zum Thema "SF im Gruselroman" fällt mir der ungewöhnlichste Geister-Krimi ein: "Cagliostro und die Dämonenmafia" (Band 209), hinter dessen Pseudonym ich einen Autor vermute, der als Cater Saint Clair für manch aberwitzig-genialen SGK sorgte.

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