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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die Gruft der grünen Spinnen Geister-Krimi 22 (2. Auflage) von Faustus

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die Gruft der grünen Spinnen«
Geister-Krimi 22 (2. Auflage) von Faustus

Ach je, ich seh sie sich jetzt alle erstmal vor die Stirn kloppen und nölen: was bespricht er denn jetzt ausgerechnet diesen Roman? Der ist doch gerade erst durch den Verkauf? Kann ich irgendwie verstehen, aber die guten Stücke lagern ja so einige Zeit bei mir gepflegt vor sich hin und ich werfe auf die zahlreichen Neuauflagen des Kelterverlags ehrlich gesagt kaum einen Blick.


Die Gruft der grünen SpinnenDeshalb hab ich auch gar nicht erst registriert, dass das alte Teil im vergangenen November mal wieder auf Papier erschien – und wohl nicht eben dazu angetan war, der Serie zu neuen Ehren zu verhelfen, ist sie doch in Printform schon wieder eingestampft.

Wer auch immer am Kiosk auf diesen Schinken reingefallen ist, hat wohl nur in ausgesuchten Fällen eine Ahnung davon, wie abgehangen der Text wirklich ist, denn was ich blind aus der 2.Auflage mal gegriffen hatte, stammt in der Erstveröffentlichung aus dem Jahr 1974 (Nr. 15, um es ganz genau zu nehmen) und damit aus einer Zeit, als Beckenbauer die deutsche Mannschaft just zum zweiten Titel führte (während sich heute viele kaum an den dritten erinnern können). Ich selbst war mit der Trommel noch um den Geburtstagskuchen unterwegs, was dazu führt, dass ich nach all meinen guten (Un-)Geschmacksproben eigentlich keine Berührungsängste mehr habe. Vielleicht sollte ich mir aber mal wieder welche zulegen!

Also: Faustus! Wer das ist, habe ich leider nicht ermitteln können (das darf ein kundiger Leser gern aus dem Ärmel schütteln), aber angesichts der grünen Spinnen und ihrer Gefolgschaft war es wohl besser, wenn unter diesem Pseudonym nur sechs Romane erschienen und dann die Nebel des Vergessens kamen.

Ich wollte ja mit dem Geister-Krimi auch bei meinem zweiten Durchlauf einfach nur eine schöne Spaßrunde einlegen, aber schlussendlich rollen sich schon beim ersten „Tasting“ die Fußnägel um die Augenbrauen. Gute Wahl!

Zu sehr um mich schlagen möchte ich aber auch nicht, denn immerhin ist der Roman Garant für ein flott runtergetackertes Garn aus der Bryan-Edgar-Wallace-headbutts-with-Agatha-Christie-Vorhölle, die sich in ein Standardgeisterhaus mit Zuchtmonstren verirrt hat. Das lässt sich mit aufgestellten Brusthaaren wegblättern, weil wirklich, aber nun wirklich keine Zeit verloren, kein Klischee ausgelassen und keine Gelegenheit zu Chaos und Zerstörung ausgelassen wird.

Und als sei das nicht genug, ist das alles so deutlich von einem Deutschen geschrieben worden, das es in der Lederhose quietscht und kracht.

Aber der Reihe nach...

Die Gruft der grünen SpinnenWas ist los in Lockwood Castle?
(Chronistenversuch eines sechsfachen Doppel-Axels von Handlung)
Alles beginnt mit Constable Jerry White, der im angeblich ordentlich verspukten Haus der just verstorbenen Mrs. Lockwood den Keller durchsucht. Hinter einem leicht zu bewegenden Regal stöbert er eine Geheimtür auf, hinter der er einen Gang in Richtung der etwas vom Haus ab liegenden Familiengruft der Lockwoods entdeckt. Dummerweise gehen hinter ihm die Türen alle lautlos wieder zu und lassen sich danach nicht mehr bewegen, bis er sich in einer finalen Gruft mit Löchern in den Wänden wiederfindet. Dort blendet ihn alle fünf Sekunden ein grelles Licht und geht dann komplett wieder aus, was ihn in der Romanfolge langsam aber sicher den Verstand kostet. Der Rest des Brägens geht durch die grün leuchten Riesenspinnen drauf, die einmal täglich durch eins der besagten Löcher zu ihm hinein kriechen. Jerry ist bewaffnet und pustet die Viecher mehrere Tage lang weg, allerdings geben die Kadaver ein seltsames Nervengift ab, die den Polizisten langsam aber sicher zu einem dauersabbernden und augenrollenden Maniac mutieren lassen.

Zu anderer Zeit, aber auch sehr spät am Abend taucht dann die junge (hübsche, etc.) Ellen Baxter im Lockwoodhaus auf, wohin man sie bestellt hatte, weil sie im Lockwood-Testament bedacht sein soll. Sie hatte der alten Dame einmal zur Seite gestanden und nun soll es wohl etwas zum Dank oben drauf geben, doch Ellen ist nicht eben froh über die Anweisung, schon eine Nacht vor der eigentlichen Testamentseröffnung im Haus zu sein. Ihr geht nämlich deftig der Stift, nachdem jeder, den sie nach dem Weg gefragt hat, sich sofort von der nächsten Klippe gestürzt hat. Als sie im rosa Zimmer die Beine lang machen will, ist dieses leider gerade als Anbau ins Meer geplumpst und Ellen folgt ihm ungeschickterweise abwärts nach.

Wie gut, dass auch Privatdetektiv David Connors einen Tag früher eingeladen wurde, der ebenfalls jung, locker, gutaussehend, muskulös und noch viel mehr ist. Vorzugsweise ein sexistisches Arschloch, aber das ging 1974 wohl noch durch. Er fischt Ellen aus dem Wasser, beruhigt sie und muss sofort einer Kugel ausweichen. Während er nach dem Schützen sucht, hört sie drinnen eine Geisterstimme ihren Namen rufen, woraufhin sie sich wieder in ein Nervenbündel verwandelt. Um sie zu beruhigen, sabbelt ihr David eine Kante ans Knie, bis sie kurz darauf die tote Erblasserin in der Badewanne sieht – und prompt wieder hysterisch wird. Da sie aber sowieso dort übernachten müssen, können sie sich ja auch gleich ineinander verlieben und David hat schon das Bett entdeckt...

Derweil halten sechs maskierte Figuren so etwas wie eine Seance ab, angeblich um einen bösartigen Einfluss abzuwehren, der sie vom Geist von Mrs.Lockwood abhält. Das klappt aber nicht so recht. Am nächsten Tag fällt einer von ihnen, Bahnwärter Charlie Nelson, einer der Spinnen zum Opfer.

Am gleichen Morgen haben sich David und Ellen planmäßig ineinander verguckt, als Notar Cameron anklopft und die Testamentseröffnung für die nächste Mitternacht ankündigt. Leider sind aber noch weitere Erben im Boot und die trudeln so langsam ein, zunächst Mrs. Lockwoods harpyenhafte Schwester Mrs.Calder, ihr duckmäusiger Ehegatte, genannt „Männe“. Dann folgen noch der alte Colonel Wilby, ein fieses Stiernackenmonstrum namens Philip Mattson, eine Nichte namens Barbara Holden und ein junger Neffe namens Jack Moore. Allesamt sind sie eher unsympathisch und sicher nicht auf eine Partie „Cluedo“ vorbei gekommen.

Bei einem Spaziergang treffen Ellen und David dann noch den nahebei wohnenden Bildhauer Richard Anderson samt Frau, ehe David seine Freizeit dazu nutzt, aus Spaß Mattson solange zu provozieren, bis er ihm mit Fug und Recht die Fresse polieren kann.

Kurz vor Mitternacht dürfen sich dann alle wieder in der Gruft versammeln, doch bevor die Stimmung überkocht, passieren gleich mehrere Dinge: jemand schreit unmenschlich, Mäuschen Calder dreht übelst durch, macht einen Sarg kaputt und schleudert seiner Gattin einen Totenschädel and die Omme, woraufhin sie den Rest der Handlung zwangsläufig vollbluten muss. Calder geht k.o., dann wird endlich verlesen, doch siehe da: alle Verwandten sind als übles Pack entlarvt und sollen nur kleine Summen bekommen, während David und Ellen das Haus erben, inclusive des darin angeblich verborgenen Schatzes. Das findet natürlich ein wenig großartiges Echo, doch mit der Erscheinung von Mrs. Lockwood, dem Ausgehen des Lichts und dem Auftauchen einer Spinnenarmee geht der Spaß jetzt richtig los...

Mehr Alkohol bitte...
Den Rest schildere ich lieber nicht detailliert, denn ich hab eh schon einiges weggelassen (u.a. die regelmäßigen Jerry-White-Einschübe und weitere Infos über die sinnfreie Seance-Gruppe, aus der sich noch ein Mitglied, Jerry Whites Witwe-in-spe) und die tumultartigen Zustände, die sich auf den letzten 15 Seiten ergeben sind auch wirklich schwer in Worte zu fassen.

Das trifft auch auf Sinn und Logik zu, wie ich anführen darf, denn wenn man davon ausgehen will (und sollte), dass ein Autor eigentlich von A nach B will, dann ist dieses Ziel in den 70ern offenbar zwischendurch aus den Augen verloren worden.

Offensichtlich ist der Uraltplot von der geheimnisvollen Erbschaft und der Erbnehmerversammlung , die dann nach und nach dezimiert wird, inclusive des Liebespaares. Dazu kommt der absolute Stinkkäse vom verborgenen Schatz, den keiner findet und der am Ende wie nebenbei präsentiert wird. Die titelgebenden Spinnen sind im übrigen höchstens nettes, Verwirrung und Panik stiftendes Beiwerk, ihre Züchtung, die seltsame Farbe und besonderen „Gifte“ werden aber so gut wie gar nicht erklärt, eine übergeordnete Funktion bzw. einen Bezug zum Vorgehen des Täters kann man kaum ziehen.

Warum nun der Bösewicht den armen Jerry White in der Gruft und am Leben erhält und aus ihm ein grunzendes Amokmonster macht, ist genauso tralala, wie sein maskierter Einsatz als Anführer der Kuttenbrigade, die sich hier erst als helfende Versammlung darstellt, dann aber zu den finsteren Gesellen schwenkt – auch hier ist die personelle Zusammensetzung maximal beliebig zu nennen, da offenbar der Finsterling selbst mediale Kräfte hat und den Rest der Gruppe gar nicht gebraucht hätte (sondern nur das Medium). Was er damit jedoch anstellt, bringt ihn auch nicht besonders weiter, erklärt wird das alles erst am Schluss.

Natürlich erweist sich das alles aber als enorm praktisch, denn so befördert man eine Figur praktisch auf den letzten Meter zum Drahtzieher, der vorher gerade mal eine halbe Seite in Erscheinung getreten ist (und das so unauffällig, dass ich zurückblättern musste, um mich zu vergewissern, um wen es sich denn nun noch mal handelte). Außerdem hat man so eben einen blutgierigen Irren zur Verfügung, der gewisse Erbschleicher am Ende zernagt, als sie dem Schatz zu nahe kommen. Zuvor hat man dann noch spontan einen der Anwesenden ebenfalls in ein rasendes Tier verwandelt, was für zusätzliches Chaos sorgt – wie es dazu kam, hab ich auch nicht herausgefunden.

Soviel Spaß rund um den Lebenssaft muss auch sein, denn auf die enorm detaillierte Figurenzeichnung bin ich mit der Cluedo-Erwähnung ja schon eingegangen: die Calders sind sensationelle Abziehbilder aus der Klischeekiste (bei der ersten „Männe“-Erwähnung hätte ich um ein Haar das Heft entsorgt), das zigarreschmauchende Brutaloarschloch und die nichtssagende Nichte sind fast schon Karikaturen; der junge Neffe verhält sich so schweigsam, dass das nur Böses bedeuten kann und einen alten Colonel mit Monokel einzubauen, war Mitte der 70er schon fast ein anachronistisches Wagnis.

Viel schlimmer noch sind aber die Protagonisten (der Notar ist als einziger erträglich), denn Ellen Baxter ist ein dermaßen farbloses Ding, meistens am Zittern, öfter am Heulen und zum Finale sogar fünf vor komplett wahnsinnig. Die muss man einfach lieb haben.

Und Held des Tages ist David Connors (wieder so ein rasanter Standardname), der unvermeidliche Privatdetektiv – und ein ganz Großer seiner Zunft. Locker, lässig, schlüpfrig aktiv, immer ganz vorne, wenn es darum geht, irgendwelche beruhigenden Banalitäten an seine Holde auszuteilen und das alles dann ins Lustig-Lächerliche zu ziehen. Dabei scheint er Frauen eh nur als beschützenswerte arme Subjekte anzusehen und behandelt sie entsprechend infantil – als sich aber die Gelegenheit ergibt, putscht er sich und die gute Ellen ohne Grund zu einer Veralberungskaskade hoch, die zwangsweise dazu führen muss (und so war es geplant), dass Held David dem Unsympath Mattson (der bisher nur „gewalttätig geschaut“ oder die Fäuste geballt hat) die Scheiße aus dem Leib prügelt. Eine Fremdschämszene erster Kajüte, die noch seine Beruhigungsversuche schlägt, in der er Ellen mehrfach rät, sich doch nicht ihr hübsches Köpfchen über Dinge zu zerbrechen, die sowieso über ihren Horizont gehen.

Nachdem auf den letzten Seiten dann mehrere Parteien mehr oder minder erfolgreich durch die diversen Geheimgänge gerast sind (das leicht zu bewegende Regal vom Anfang muss übrigens später mit diversen Werkzeugen anderthalb Spalten lang zu Kleinholz gemacht werden, damit es sich rührt), sich beschossen oder gegenseitig zerrissen haben, sind am Ende alle eindeutig guten Charaktere lebendig, die schlechten tot und der Schatz entdeckt. Was an Logik sonst nicht passt (und das ist eine Menge) erklärt der Colonel auf den letzten drei Seiten wie in der Schlussszene von „Psycho“ mit der Brechstange und alles jubelt und lacht wieder.

Tjaja, so lange war die Edgar-Wallace-Reihe 1974 noch gar nicht vorbei, aber die Wurzeln dieser Story sind noch viel urälter und haben vielleicht in den 30ern noch jemandem Angst gemacht, damals war diese Storyvariante auch in Mode – hier wirkt das extremst angejahrt und aus allen bekannten Versatzstücken zusammengebaut. Hätte man die Spinnen nicht mit Gewalt hinein montiert, hätte man das Geschehen auch als Mystery-Krimi mit einem geschickten Illusionisten abtun können, so aber bleibt vieles nebulös.

Also mal wieder ein Storygerüst aus der Mottenkiste, teilweise unangenehm flapsig erzählt und mit einem Geschlechterverhältnis, für das der Autor Backenfutter bekommen müsste, ich kann nur dringend hoffen, dass ein mildtätiger Überarbeiter die schlimmsten Auswüchse für die Neuedition beseitigt hat. Als Trashliebhaber war es aber ein Genuss!

Ergänzend noch zu erwähnen, dass das Titelbild mal wieder nicht das Fünckchen mit dem Roman zu tun hat und später auch noch getauscht wurde.

Als Nächstes lass ich mal den Hary ran, aber nicht mit Mark Tate, sondern eine andere kurzlebige Unterserie, die hoffentlich einen Happen Exotik mehr bietet...

Kommentare  

#1 Thomas Mühlbauer 2016-05-24 19:41
Zu Faustus' Ehrenrettung möchte ich aber anmerken, dass ihm (trotz anderer Machwerke) mit Bei Vollmond kommt der Werwolf (Band 33) einer der interessantesten Heftromane zu diesem Thema gelungen ist. Von der Qualität her hätte er durchaus auch im VHR erscheinen können.

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